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Debatte zu den BLSJ-Thesen
Raus aus der Betroffenheitsnische!
- 21. Dezember 2012 4 Min.

Haben schwul-lesbische Medien eine Zukunft? Gudrun Fertig sieht das Erfolgsrezept in gutem Journalismus, einer klaren Zielgruppe und dem Blick über den Tellerrand.
Foto: Guido Woller
Der Bund Lesbisch-Schwuler JournalistInnen (BLSJ) hat Anfang Dezember fünf Thesen zur Situation des Szene-Pressemarktes veröffentlicht. Nach den Antworten von queer.de-Redakteur Christian Scheuß, des ehemaligen Verlegers von "rik", Exit" und "gab" Christian Beese und Ex-"hinnerk"-Chefredakteur Stefan Mielchen haben wir Gudrun Fertig von der Berliner Special Media SDL GmbH um einen Beitrag gebeten.
Von Gudrun Fertig
Dieser Beitrag könnte sehr kurz werden. Die drei wesentlichen Eckpunkte
die der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen angemahnt hat – Qualitätsjournalismus, keine PR-Artikel, keine Hunger-Löhne -, sind Teil unserer Unternehmensphilosophie. Auch wenn es bei den Honoraren sicher noch Luft nach oben gibt.
Wir, das ist die Special Media SDL GmbH, Marktführer im Bereich schwul-lesbische Medien. Wir bringen Titel wie das schwul-lesbische Berliner Stadtmagazin "Siegessäule", das lesbische Magazin "L-MAG", das schwule Magazin "DU&ICH" oder das schwul-lesbische Reisemagazin "Queer Travel" heraus (bis Mai 2012 alle im Jackwerth Verlag). Das gleiche gilt für alle Websites und egal, ob das Magazin gratis oder als Kaufheft vertrieben wird – wenn es um Qualität geht, machen wir keine Unterschiede.
Dennoch fehlt mir ein Aspekt in der Debatte um Medien für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans. Nämlich, dass es Medien sind. Es fehlt der Blick über den Tellerrand und die Beschäftigung mit der Medienwelt da draußen, außerhalb der internen Hahnenkämpfe und dem Kochen in der eigenen Suppe.
Die Zielgruppe definiert nicht, wie sich ein Verlag versteht
Wie sehen die Medien von morgen aus? Hat Print noch eine Zukunft? Wie kann man online Geld verdienen? Das wird überall heiß diskutiert. Was setzen wir den immer dreisteren Versuchen mancher Media-Agenturen entgegen, Redaktion zu kaufen, am besten gleich selbst Texte zu liefern?
Das sind keine Fragen des schwul-lesbischen Journalismus. Die Zielgruppe definiert nicht, wie sich ein Verlag versteht. Das trifft die Anglerzeitschrift wie das Modeheft, das Motorradmagazin wie das Musikheft.
Entscheiden muss das jeder Verlag selbst. Aus unserer Sicht braucht es neben Themen, die über den Betroffenheitsjournalismus der 80er hinausgehen, guten Journalismus. Magazine brauchen Leser und Leserinnen und ein klares Profil, sonst gehen sie langfristig unter. Gerade weil schwule und lesbische Themen nicht mehr ausschließlich in Szenemedien stattfinden, kommt es auf die Qualität an. Auch Anzeigenkunden und -kundinnen brauchen Leser und Leserinnen, sonst haben sie keinen Erfolg. Diese sind der Dreh- und Angelpunkt.
Im Special-Interest-Segment liegt eine große Chance

Die vier Printtitel der Special Media SDL GmbH: "DU&ICH", "Queer Travel", "L-MAG" und "Siegessäule"
Was es dazu ebenfalls braucht, sind Redaktionen, die sich trauen, Unbequemes zu schreiben und keine PR-Artikel oder andere Einflussnahme zuzulassen. Die neben guten Texten einen vollständigen Service bieten, im Sinne der Leser und Leserinnen. Das ist ein beinharter Job und nicht nur eine Frage der Bezahlung, sondern auch der Einstellung. Es braucht Redaktionen, die ihren Lesern und Leserinnen etwas zutrauen. Diese sind nicht rund um die Uhr schwul oder lesbisch, sondern auch an anderen Themen interessiert und müssen sich in ihren Medien trotzdem wiederfinden.
Wir müssen raus aus der Betroffenheitsnische und gute Medien machen. Ein Stadtmagazin, das sich nicht auch als Bereicherung für die Stadt versteht und lesbar für alle Einwohner ist, hängt leblos in der Nische fest.
All das ist keine einfache Gratwanderung. Gleich den Abgesang des schwul-lesbischen Journalismus einzuläuten, greift aber zu kurz. Wann gelingt was, und wer möchte wen erreichen? Das ist die Frage. "Butt" hat ein klares Profil, der digitale "Vangardist" oder die "Siegessäule" ebenfalls. "Männer" und "DU&ICH" (nein, das ist nicht mehr dieses Blatt mit den jungen Männern…) haben eine lange Tradition. "L-MAG" blickt nächstes Jahr auf zehn erfolgreiche Jahre zurück. Es gibt viele positive Beispiele. Und neue Entwicklungen: einen kleinen Retro-Trend zurück zum Print-Heft, gut gepflegte Websites für Schwule und Lesben (wie siegessaeule.de, l-mag.de oder queer.de), einen neu formierten Anzeigenverbund "publigayte" ("hinnerk", "Leo", "Siegessäule", "Flash", "Fresh"), einen Online-Vermarkter netzdenker, der fast alle deutschsprachigen LGBT-Websites vertritt und sinnvolle Synergien schafft.
Ich selbst möchte heute keine Tageszeitung verlegen, denn deren Zukunft ist tatsächlich bedroht. Im Special Interest liegt aber eine große Chance. Unsere Zielgruppe umfasst circa vier Millionen Menschen in Deutschland, ein riesiges Potential. Ohne Mut, Durchhaltevermögen und Kreativität im Print- wie im digitalen Bereich wird es aber auch in unserem Markt nicht funktionieren!
Gudrun Fertig, 43, ist Journalistin, Diplom-Vokswirtin und neben Manuela Kay eine der beiden Verlegerinnen der Special Media SDL GmbH, die u.a. die Magazine "L-MAG", "DU&ICH" und "Siegessäule" herausgibt.

rein aus solidarität würde ich kein schwules magazin kaufen. dazu haben die mich deren printprodukte niemals (kenne nur hinnerk oder die münchner magazine)
100% überzeugt.
(an alle, die sich erinnern, es gab eine schwules magazin in den 80ern TORSO, das war bislang das einzige schwule Magazin, das ich gern wieder kaufen würde