Gilbert (li.) und Daniel (re.), zwei Jungs mit kommerziell verwertbarem Gold in der Kehle (Bild: RTL)
Nun wissen wir, wie es gemeint war, als RTL von einer "Runderneuerung" der Sendung sprach, die am vergangenen Samstagabend in die zehnte Runde ging. Lauter neue Gesichter bis auf Dieter Bohlen und eine neue Tonart bei der Präsentation der Castings, die im vergangenen Sommer liefen.
Von Christian Scheuß
Die talentlosen Glückssucher werden nicht mehr ganz so aggressiv wie früher durch die Einspielfilme durch den Kakao gezogen. Gelegenheiten, sich zu blamieren, gibt es aber nach wie vor genug. Zum Beispiel mit Hilfe einer Kamera, die im Umkleide- und Warteraum der Kandidaten, die kurz vor ihrem Auftritt stehen ,installiert ist. Die nervösen Bündel bekämpfen den Angstschweiß mit Unmengen von Deospray, proben und posen ein letztes Mal vor dem Spiegel, ziehen Grimassen oder machen Handstand. Ops, guck mal, die Frau da hat gar keinen Schlüpper an, amüsiert sich eine voyeuristische Jury. Die mit den ausgeglichenen Jungs von Tokio Hotel und dem ruhigen Mateo von Culcha Candela ein Gegengewicht zum nach wie vor poltrigen Pop-Titan bilden.
Die mit der dicken Hose bekommen Mitleid, keinen Recall-Zettel
Gilbert wird immer verwechselt: "Immer, immer, immer". (Bild: RTL)
Den Selbstüberschätzern, die mit dicker Hose vor die Jury treten, begegnet man mehr mit Mitleid denn mit Schadenfreude. Nico, der mit seinen kriminellen Jugendsünden prahlt, überlässt man es selbst, sich ein Urteil über seine schlechte Gesangskunst zu bilden und sich nach Hause zu schicken. Adnan bekommt von Bill Kaulitz zwar ein freundliches Jury-"Ja", aber nur, weil er dieselbe Frisur trägt. Man rät dem Kandidaten, sich bessere Freunde auszusuchen, die einen nicht darin bestärken, das zu tun, was man eben nicht kann.
Als Gilbert Neumann vor das Jury-Pult tritt, stellt Dieter Bohlen gleich die Genderfrage: "Bist du ein Mädchen oder ein Junge?". Der 16-jährige aus Perl, einen kleinen Ort in der Nähe von Luxemburg kennt das schon. "Ich werde immer verwechselt, immer, immer, immer." Gerade eben habe man ihn schon aufs "Ladys-Klo" schicken wollen. Mit 13 habe er bereits das erste Mal bei einem Gesangswettbewerb auf einer Bühne gestanden, aber da hätten ihn die Medien anschließend wegen seines Übergewichts fertig gemacht. Sein Freund, der ihn zum DSDS-Casting begleitet, schätzt Gilbert als Kämpfer ein. "Er lässt sich nichts gefallen und will zeigen, das er was kann."
Die frohe Botschaft: "Ihr seid gut so wir ihr seid."
Adele: "Rumour has it". Daniel hat's auch... (Bild: RTL)
Gilbert formuliert in eigenen Worten einen bewegenden Akzeptanz-Apell "Wenn man heutzutage nicht den üblichen Maßen entspricht, dann wird man direkt abgestempelt. Aber ich will Superstar werden, weil die Leute keine Vorbilder brauchen, die sie nur mit einem (äußerlichen) Bild ansprechen. Die Leute brauchen jemanden, der ihnen zeigt: Ihr seid gut so wie ihr seid." Dass er eine außergewöhnliche Stimme hat, die ausbaufähig ist, beweist er. Bill Kaulitz denkt, dass Gilbert noch mehr stimmliches Training benötigt und etwas zu früh antritt für den Wettbewerb. Mateo sieht einen "ungeschliffenen Rohdiamanten" vor sich. Er bekommt er seinen Recall-Zettel. Und zur Belohnung einen dicken Knutscher von seinem begeisterten Freund.
So weit, so rührend. Was Gilbert in dem Moment, in dem er das Ticket zur nächsten Runde in der Hand hält, nicht bedenkt: DSDS ist eine Show, die sehr wohl auch auf das äußerliche Bild wert legt. Dort wird es immer das "Gesamtpaket" genannt. Das hier ein großer Anpassungsdruck existiert, bekam gleich der allererste Kandidat aufs Brot geschmiert. Der lustig-schwuppige Daniel Abazi (16) aus Münstertal überzeugte mit Welpencharme und gekonnter Adele-Interpretation. Nur das mit den "C&A Wintersaison-Klamotten vor drei Jahren", das sei eine Katastrophe.