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Diskriminierungsschutz steht über Religionsfreiheit
Europa-Gericht: Glaube rechtfertigt keine Homo-Diskriminierung
- 15. Januar 2013 3 Min.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat den Diskriminierungsschutz auf dem Kontinent gestärkt. (Bild: Wiki Commons / CherryX / CC-BY-SA-3.0)
Wegweisende Entscheidung aus Straßburg: Religiöse Menschen dürfen in Europa wegen ihres Glaubens nicht mehr sexuelle Minderheiten diskriminieren.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Dienstag entschieden, dass auch gläubige Menschen Schwule und Lesben gleich behandeln müssen, selbst wenn das ihrer Religion widerspricht. Die Richter verkündeten die Urteile nach Klagen von insgesamt vier Christen aus Großbritannien, in zwei der Fälle ging es um Homo-Rechte. Das Straßburger Gericht hat damit das britische Antidiskriminierungsgesetz bestätigt, das auf EU-Vorgaben beruht.
Im ersten Fall ging es um die Londoner Standesbeamtin Lilian Ladele. Sie hatte 2008 vor einem britischen Gericht das Recht erkämpft, gleichgeschlechtliche Paare nicht verpartnern zu müssen (queer.de berichtete). Ladele hatte argumentiert, dass ihre Religionsfreiheit eingeschränkt werden würde, wenn sie Schwule und Lesben gleich behandeln müsse. Diesem Argument folgten die Straßburger Richter nicht. Allerdings stimmten dem Urteil die Richter aus Montenegro und Malta nicht zu und veröffentlichten ein Minderheitenvotum. Sie erklärten, dass die Religionsfreiheit in diesem Fall über dem Minderheitenschutz stehen müsste.
In einem zweiten Fall entschieden die Richter jedoch einstimmig: Hier ging es um den christlichen Partnerschaftsberater Gary McFarlane, der aus religiösen Gründen keine Schwulen und Lesben behandeln wollte. Hier hat das europäische Gericht einstimmig entschieden, dass es zu seinen Pflichten am Arbeitsplatz gehöre, Menschen diskriminierungsfrei zu behandeln.
Homo-Gruppen sind zufrieden

Die Standesbeamtin Lilian Ladele darf nicht nur Heterosexuelle bedienen
Die schwul-lesbische Intergroup im Europaparlament begrüßte die Entscheidung: "Das britische Gesetz schützt Menschen vor Diskriminierung und es gibt keine Ausnahmen für Gläubige", erklärte der britische Europaabgeordnete Michael Cashman, der Co-Präsident der Intergroup. "Religion und Glaube sind private und persönliche Angelegenheiten und sollte nie dazu genutzt werden, um die Rechte von anderen einzuschränken".
Auch britische Homo-Aktivisten loben das Urteil: "Die Entscheidung bestätigt, dass sich im Jahr 2013 Angestellte des öffentlichen Dienstes nicht aussuchen dürfen, ob sie eine Person auf Basis ihrer sexuellen Orientierung bedienen wollen oder nicht", so Ben Summerskill, der Chef der Gruppe Stonewall. Schwule und Lesben würden 50 Milliarden Euro an Steuergeldern für den öffentlichen Dienst ausgeben und verdienten es, gleich behandelt zu werden wie Heterosexuelle.
In zwei weiteren Fällen ging es in Straßburg um das Tragen von Kruzifixen am Arbeitsplatz: Hier gestatteten die Richter einer Angestellten von British Airways, die am Check-in-Schalter arbeitet, öffentlich das religiöse Symbol am Arbeitsplatz zu tragen. Sie untersagten aber einer Krankenschwester die öffentliche Zurschaustellung ihres Kurzifixes, da dies gegen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften des Hospitals verstoßen würde. Die religiöse Krankenschwester hatte sich geweigert, das Kreuz unter ihrer Uniform zu tragen.
Die Entscheidungen des Menschengerichtshofs sind für die 47 Mitgliedsstaaten des Europarates rechtlich bindend. Ihm gehören alle europäischen Länder außer Weißrussland, Kasachstan und dem Vatikanstaat an. Gegen die Urteile kann noch Berufung eingelegt werden. (dk)














