Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?18365

Together-Writing-Projekt "Slam"

Die ganze Welt ist islamisch – und schwul

  • 19. Januar 2013 36 5 Min.

Die "perfekte" schwule Welt von "Slam": Im 27. Jahrhundert herrscht endlich Frieden, Wohlstand und wahre Männerliebe ohne Frauen (Bild: Auschnitt des Covers)

Das Online-Literaturprojekt "Slam" von Akif Pirinçci spielt im 27. Jahrhundert – Frauen scheint es nicht mehr zu geben.

Von Angelo Algieri

Die ganze Welt ist islamisiert! Und das bereits seit dem 22. Jahrhundert. Nach einer Reihe innerregliöser Kriege herrschen Jahrhunderte später endlich paradiesische Zustände: Frieden, Wohlstand sowie Männer, die einander heiraten und Kinder erziehen. Arbeit verkommt zur Beschäftigungstherapie. Denn Computer und Maschinen kümmern sich um den Alltag, um das ganze Leben. Der Islam hat sich im 27. Jahrhundert auch geändert. Er ist spiritueller, erinnert an Wohlfühl-Buddhismus der Gegenwart und wird Slam genannt. In dieser scheinbar perfekten Welt gibt es keine Frauen: Weder sieht man welche, noch erinnert man sich an sie…

Was zunächst wie ein Zukunftsszenario-Mix aus Thilo Sarrazin und Tom of Finland beginnt, entpuppt sich als Ausgangslage für den Science-Fiction-Roman "Slam". Die Storyline hat der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci vorgegeben, die Ausarbeitung lieferten nach Pirinçcis Aufruf über Facebook die Autoren Jutta Schützdeller, E.M. Jungmann und Markus Günther. Laut Vorbemerkung wurde der Roman binnen eines Monats ausgearbeitet, lektoriert und veröffentlicht. Der in Bonn lebende Pirinçci, Jahrgang 1959, hat bereits mehrere Romane veröffentlicht, darunter die Felidae-Katzenkrimis, die auch als Zeichentrick mit bekannten Sprechern – etwa Helge Schneider und Uwe Ochsenknecht – verfilmt wurden.

- w -

Eine Gebärmaschinenhöhle in der Schattenwelt


Bekannt durch seine Felidae-Katzenkrimis: Ideengeber und Co-Autor Akif Pirinçci (Bild: privat)

Nun zur Story: Protagonist Karim ist mit Soli verheiratet. Beide warten gespannt auf das "Geschenk des Lebens", ihrem Baby. Doch Karim will sich nicht so recht freuen. Irgendetwas stimmt mit ihm nicht: Er träumt seit geraumer Zeit von Rundungen. Und entwickelt die Obsession, Ecken rund zu schleifen. Zudem plagt ihn das Gefühl, dass er Soli nicht ganz lieben kann. Anders als seine Mitmänner, fängt er an, das System der heillosen Welt zu hinterfragen. Erst recht als er ein Taschentuch findet, das gut riecht und seine Sinne betört. Ist es haram? Er fragt seinen Mentor BEY, was das Taschentuch zu bedeuten habe. Doch eine befriedigende Antwort bekommt er nicht.

Am darauffolgenden Tag, als das Paar den kleinen Malak in einer Behörde in Empfang nehmen kann, möchte Karim unbedingt wissen, wo die Babys herkommen – an die Mär, dass Allah sie schickt, glaubt er nicht mehr! Und so dringt er unbemerkt in eine andere Welt. Eine Schattenwelt, die die perfekte Welt in Takt hält. Er lernt dort zum ersten Mal eine Frau, Hayat, kennen und lieben. Beide begeben sich in ein riesiges Gebäude. Doch was Karim dort sieht, schockt ihn: Schwangere, schlafende Frauen liegen in wohligen Kokons, die von fliegenden Robotern versorgt werden. Eine wahrhaftige Gebärmaschinenhöhle.

Karim geht es schlecht. Auch weil er HAVVA2 kennenlernt. Das zentrale Computersystem hat im Laufe der Jahrhunderte nicht nur ein eigenes Bewusstsein entwickelt, sondern auch Gefühle. Es hat sich in Karim verliebt und das Taschentuch war sein Köder. Doch Karim erwidert die Liebe von HAVVA2 nicht; er liebt nur Hayat. Das hat sogleich verheerende Folgen: Wird Karim dort lebend rauskommen? Wie kann er seinen Brüdern von dieser Schattenwelt erzählen? Was wird aus den dauergebärenden Frauen? Und was hat HAVVA2 noch im Schilde? Wird die Welt, die er kennt, zusammenbrechen? Liebt er seinen Mann Soli noch?

Im Roman sind nur Heteros die wahren Männer


Der Roman ist als Kindle-Ebook sowie als Taschenbuch erschienen

Zugegeben: Das Autorenteam um Pirinçci hat einen spannenden Science-Fiction-Roman geschrieben. Teils mit schnellen Szenen, sinnlichen Beschreibungen und spannenden retardierenden Momenten ist der Text dramaturgisch gut kombiniert – Hollywood-Drehbücher lassen grüßen!

Dennoch überzeugt die Geschichte gleich auf mehreren Ebenen nicht. Zum einen haben sich einige Ungereimtheiten eingeschlichen. Unverständlich etwa, wie Computersystem HAVVA2 sich in andere Systeme einloggt, viel Macht hat, aber im Showdown weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Inkohärent auch die Erzählperspektive: Mal weiß der Erzähler nur so viel wie Karim, mal entpuppt er sich als allwissend – was denn nun?

Zum andern ist es richtig empörend, welche Aussagen der Text vermittelt. Im Tenor heißt es, dass Männer ohne Frauen "verweichlicht" sind. Und das nicht wegen des erreichten Wohlstandes. Denn, so legt das Online-Autoren-Team dem Erzähler in den Mund, in dieser Homo-Gesellschaft gäbe es keine Entwicklung, da Männer nicht um eine Frau buhlen würden. Eine Message, die absurd und eigenartig rückwärtsgewandt ist. Da einerseits unterstellt wird, dass nur Hetero-Männer wahre Männer sind. Und andererseits vorgegaukelt wird, dass Männer nur dann zu Höchstleistungen fähig sind, wenn sie um ein Weibchen gockeln. Das ist schlicht unerträglich! Sicher gibt es Höchstleistungen aus Liebe oder Anmache. Doch die meisten technologischen, geistigen Entwicklungen sind aus anderen Motiven hervorgegangen. Oder wollte etwa Einstein mit E=mc² eine Frau beeindrucken?!

Frauenemanzipation auf Kosten von LGBT-Rechten

Um es klar zu stellen: Löblich, dass Frauenemanzipation im Islam eingefordert wird. Aber doch nicht auf Kosten von LGBT-Rechten. Die Autoren suggerieren – vielleicht unbeabsichtigt -, dass Heterosexualität die einzig richtige sei. So wird am Ende des Buches Soli etwas lächerlich dargestellt, weil er weiterhin für seine Liebe zu Karim kämpft. Peinlich auch: Als die Frauen in der "perfekten Welt" eintreffen, stürzen sich die "Mitbrüder" gleich auf sie und vergessen ihre Ehemänner. Und der Gipfel: Nur der Hetero-Sex wird ausgiebig beschrieben. Während die körperlichen Berührungen zwischen Karim und Soli schamhaft-bieder bleiben. Kein Aufgeilen, kein Wichsen, kein Analsex. Zu hetero-einseitig und schlicht unglaubwürdig!

Fazit: Das Facebook-Projekt "Slam" hätte wirklich das Zeug gehabt, einen Diskussionsbeitrag über mangelnde Frauen- und LGBT-Rechte im Islam beizusteuern. Eine ärgerlich-verpasste Chance!

Infos zum Buch

Akif Pirinçci (Hrsg.): Slam. Roman. Ein Together-Writing-Projekt von Akif Pirinçci, E.M. Jungmann, Jutta Schützdeller und Markus Günther. 312 Seiten. CreateSpace Independent Publishing Platform. Bonn 2012. 11,85 €. ISBN 978-1481165891

Informationen zu Amazon-Affiliate-Links:
Dieser Artikel enthält Links zu amazon. Mit diesen sogenannten Affiliate-Links kannst du queer.de unterstützen: Kommt über einen Klick auf den Link ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision. Der Kaufpreis erhöht sich dadurch nicht.

-w-

#1 LeserAnonym
  • 19.01.2013, 11:58h
  • Tja, da will er sich wohl bei Frauen anbiedern. Und ist vielleicht auch selbst latent homophob. Es gibt nun mal mehr Frauen als Schwule. Deshalb lohnt es sich kommerziell eher, sich bei Frauen einzuschmeicheln.
  • Direktlink »
#2 finkAnonym
  • 19.01.2013, 12:37h
  • in einem von pirinccis katzenkrimis kommt ein schwuler kater vor. die figur kommt über eine aufreihung aller handelsüblichen klischees leider auch nicht hinaus... wie ja auch hauptfigur francis im gegenzug nichts als ein ziemlich unoriginelles hetero-abziehbild ist.

    originelle ideen zu gender-themen hätte ich pirincci - so sehr ich seine katzenkrimis sonst mochte - nicht wirklich zugetraut.
  • Direktlink »
#3 anomeAnonym
  • 19.01.2013, 12:41h
  • Islam und Homo-Rechte sind eben nicht miteinander vereinbar. Das wird auch im 27. JH so sein.
  • Direktlink »

Kommentieren nicht mehr möglich
nach oben
Debatte bei Facebook

Newsletter
  • Unsere Newsletter halten Dich täglich oder wöchentlich über die Nachrichten aus der queeren Welt auf dem Laufenden.
    Email: