Vor dem russischen Parlament wird eine LGBT-Aktivistin verhaftet. Die gewalttätigen Gegendemonstranten ließ die Polizei unbehelligt.
Vor dem russischen Parlament in Moskau sind am Freitag rund 20 Schwule und Lesben verhaftet worden. Gewalttätige Gegendemonstranten blieben unbehelligt.
Vor der russischen Staatsduma ist es am Freitag zum zweiten Mal in dieser Woche zu Ausschreitungen gekommen. LGBT-Aktivisten hatten sich zu einem Kiss-In vor dem Parlament versammelt, um gegen das geplante Gesetz gegen Homo-Propaganda zu demonstrieren, dass am Freitag in erster Lesung im Parlament behandelt wird.
Auf die bis zu 40 LGBT-Aktivisten warteten rund 50 Nationalisten und Orthodoxe, die die Teilnehmer des Protests mit faulen Eiern und Farbe bewarfen. Verletzt wurde dabei niemand.
Nach Angaben der BBC kam es auch zu einem verbalen Schlagabtausch: Als die Nationalisten "Moskau, nicht Sodom" skandierten, antworteten Schwule und Lesben mit "Moskau, nicht Iran". Die Polizei nahm schließlich 20 LGBT-Aktivisten und nach letzten Informationen auch einen Gegendemonstranten fest.
Ordnungswidriges Küssen
Die Aktivisten nach ihrer Verhaftung im Polizei-Mannschaftsbus (Bild: Elena Kostyuchenko)
Die Homo-Aktivisten wurden mit einem Mannschaftsbus der Polizei zur Station Tver gebracht, wo früher schon Teilnehmer des immer wieder verbotenen Moskauer CSDs landeten. In der Regel werden die Aktivisten innerhalb weniger Stunden einem Richter vorgeführt, der eine Geldstrafe verhängt und die Personen wieder gehen lässt.
Unter den Verhafteten ist Elena Kostyuchenko, eine Journalistin der "Novaya Gazeta", die sich 2011 kurz vor dem Moskauer CSD geoutet hatte, dort erstmals an einer Homo-Demonstration teilnahm und von Gegendemonstranten verletzt wurde. Sie ist seitdem zu einer wichtigen und einflussreichen Stimme der Bewegung geworden.
Laut Kostyuchenko sagte einer der Polizisten auf die Frage, warum nicht auch Nationalisten verhaftet wurden, die Schwulen und Lesben seien die Provokateure gewesen. Die Aktivisten seien aufgrund des Paragrafen 20.2 des Strafgesetzbuches festgenommen worden – die Beamten sagten, das Küssen sei ordnungswidriges Verhalten in der Öffentlichkeit gewesen.
Bereits am Dienstag hatten LGBT-Aktivisten vor dem russischen Parlament ein Kiss-In veranstaltet (queer.de berichtete), als das Gesetz ursprünglich beraten werden sollte. Durch Angriffe von Nationalisten wurden einige Teilnehmer verletzt. Auch in anderen Städten hatten Demonstrationen stattgefunden. Bereits am Sonntag kam es zu einem großen Gegenprotest und Gewalt gegen einen LGBT-Protest in der Provinzhauptstadt Woronesch (queer.de berichtete).
Paragraph 6.13.1
Der Gesetzentwurf gegen "Homo-Propaganda", der inzwischen unter dem Namen "Paragraph 6.13.1" bekannt ist, sieht Geldstrafen für "Werbung für Homosexualität in der Gegenwart von Minderjährigen" vor. Ähnliche Regelungen sind in den letzten Monaten bereits in mehreren Regionen Russlands in Kraft getreten.
Jelena Misulina von der Partei Gerechtes Russland, die das Gesetz eingebracht hat und Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Familien-, Frauen- und Kinderfragen ist, hatte gegenüber RIA Novosti gesagt, das Gesetz könnte unter Umständen noch im Frühling endgültig verabschiedet werden. Spätestens aber im Herbst gebe es durchaus Chancen auf eine Annahme des Verbots.
Bundesregierung zum Handeln aufgefordert
Am Donnerstag hatte der Grünenpolitiker Volker Beck den deutschen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) aufgefordert, wegen des geplanten Gesetzes den russischen Botschafter einzubestellen (queer.de berichtete).
Am Freitag forderte auch die Hirschfeld-Eddy-Stiftung des LSVD die Bundesregierung auf, "im Konzert mit den europäischen Partnern gegenüber der russischen Regierung gegen das Gesetz Protest einzulegen". Das Gesetz sei ein "Anschlag des Putin-Regimes auf die Menschenrechte", so Stiftungsvorstand Axel Hochrein. "Die ständige Verletzung von Konventionen und Verträgen, die Russland unterzeichnet hat, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben."
Russland sei Mitglied im Europarat und somit an die "Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" (EMRK) gebunden, die die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Verbot der Diskriminierung postuliert, so Hochrein weiter. Wegen CSD-Verboten war Russland mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt worden, ohne dass dies Konsequenzen hatte. "Das Gesetzesvorhaben widerspricht auch russischem Recht und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte", so Hochrein.
Gesetz gegen Homo-"Propaganda" auch in Kaliningrad
Erst am Donnerstag hatte das Parlament der Region Kaliningrad das Verbot einer "Propaganda von Homosexualität" beschlossen. Im Gegensatz zu den bereits vorhandenen Gesetzen in neun weiteren Regionen Russlands gilt das Verbot nicht nur im Beisein von Minderjährigen, sondern auch unter Erwachsenen.
"Ob aus Dummheit oder bewundernswerter Ehrlichkeit: die Kaliningrader Abgeordneten haben die wahren Gründe der Initiatoren dieses Gesetzes offenkundig gemacht", sagte dazu Igor Kochetkow, Vorsitzender des Russischen LGBT-Netzwerks. "Für uns war von Anfang an offensichtlich, dass der Kindesschutz in keinem Bezug zu dieser Initiative steht. Wie auch im Falle anderer Verbote der jüngsten Zeit verstecken die Abgeordneten mit der Sorge um Kinder ihr Bestreben, allen den Mund zu verbieten."
Dass Schwule und Lesben nur Teil einer größeren Mundtotmachung sind, zeigt ein Gesetz, das am Mittwoch in erster Lesung in St. Petersburg beschlossen wurde. Es verbietet Demonstrationen an nahezu allen wichtigen Plätzen und Orten der Innenstadt. Für Proteste wird stattdessen eine Art "Speakers Corner" in einem Park eingerichtet. (nb)
Wir haben ja eh keinen Außenminister:
Westerwelle ist komplett unsichtbar geworden. Nur ja nicht mehr auffallen, sondern noch mit wenig Stress die letzten Monate aussitzen um die Rentenansprüche nicht zu gefährden.