Protest von Intersexuellen gegen Genitalverstümmelungen an Kindern (Bild: Screenshot Schweizer Fernsehen)
Bei einer Reform des Gesetzes wurde erstmals eine Regelung für Intersexuelle getroffen. Betroffene sind nicht begeistert.
Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag eine Reform des Personenstandsgesetzes beschlossen. Im Rahmen eines neuen Absatzes zu Artikel 22 des Gesetzes heißt es: "Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen."
"Intersexuelle werden damit nicht mehr auf ein Geschlecht festgelegt, sondern entscheiden selbst, welches Geschlecht sie wählen", sagte dazu der innenpolitische Sprecher der FDP, Manuel Höferlin. "Das ist ein liberaler Erfolg."
Monika Lazar, frauenpolitische Sprecherin, sowie Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, sprachen von einer "kleinen Revolution": "Mit der Änderung wird der Druck von Eltern und Ärzten genommen, unmittelbar nach der Geburt eines Kindes dessen Geschlecht festzulegen. Das Recht wird nun erstmalig geschlechtliche Unbestimmtheit zulassen."
Die Änderung wurde vom Bundestag einstimmig beschlossen, die Grünen sagen, man sei bei Änderungen am Entwurf im Innenausschuss ihren Forderungen nachgekommen. Selbst Bundesfamilienministerin Kristina Schröder feiert sich, "eine Forderung des Deutschen Ethikrates im Bereich der Intersexualität" umgesetzt zu haben. Damit werde "es erstmals möglich, das Geschlecht intersexueller Menschen im Geburtenregister offen zu lassen."
Kritik am Gesetz
Betroffenenverbände und -seiten kritisieren, dass es sich gerade nicht um eine Kann-Bestimmung handelt, wie Schröder sagt, sondern um eine Pflicht zur Freilassung des Geschlechts. Das könnte zu einem "Zwangsouting in Kindergarten, Schule usw." führen, wie etwa zwischengeschlecht.info befürchtet.
Auch wird kritisiert, dass nicht festgelegt wird, wer entscheidet, ob das Kind einem Geschlecht zugeordnet werden kann. Ärzte könnten weiter für Operationen werben und hätten mit dem Leerlassen-Status ein weiteres Druckmittel gegen Eltern zur Hand.
Statt dieser Regelung hätte der Bundestag besser ein Verbot von "medizinisch nicht notwendigen, kosmetischen Genitaloperationen an Kindern" und "angemessene psychosoziale Unterstützung" beschließen sollen, so zwischengeschlecht.info. Auch sollten Personen ihren Geschlechtseintrag nach dem Personenstandsgesetz unbürokratisch ändern können.
Auch die Grünen kritisierten, dass ein "großer Wurf" fehle: "Leider konnte sich die Koalition nicht durchringen, dringend notwendige weitere Schritte anzugehen: das Verbot von prophylaktischen, geschlechtsangleichenden Operationen, eine bessere Unterstützung von intersexuellen Kindern und ihren Eltern sowie eine Fristenverlängerung bei der Aufbewahrungsfrist von Krankenakten." Dies habe auch der Ethikrat gefordert, so Beck. (nb)
Die staatlich organisierte Zuweisung eines Geschlechts - ganz egal welches - muss generell beendet werden.
Die gesellschaftlich produzierte, brutal hergestellte und ideologisch zementierte zweigeschlechtliche Ordnung ist ein Verbrechen an Menschen in ihrer real existierenden und auch objektiv biologisch nachweisbaren geschlechtlichen Vielfalt.
Allein die Änderung eines Personenstandsgesetzes wird selbstverständlich niemals die gesellschaftlich gemachte Geschlechterordnung überwinden können, solange dieser Ordnung nicht die gesellschaftliche Basis (Produktions- und sich daraus ergebende Reproduktionsverhältnisse) entzogen wird.
Aber die Forderung nach einem sofortigen Ende der institutionalisierten gesellschaftlichen Zuweisung von Geschlecht ist absolut notwendig, um deutlich zu machen, dass diese unvereinbar ist mit grundlegenden Menschen- und Selbstbestimmungsrechten.
Dass angesichts der aktuellen Beschlusslage, die mit aller Gewalt an der staatlichen Aufherrschung von Geschlecht festhält, u. a. von Grünen "Erfolg" geschrien wird, deren Schulministerin in NRW Jungen und Mädchen wieder getrennt unterrichten möchte, weil in ihrem Universum Mädchen den "praktischen Bezug" über "Kosmetik" brauchen, um für Chemie interessiert zu werden, ist wenig verwunderlich.