Der Papst wird nun nicht mehr den Bundestag über das Naturrecht belehren
Der 85-Jährige gibt zum 28. Februar sein Pontifikat auf. Das hat inzwischen der Vatikan bestätigt. Sein Nachfolger könnte zu Ostern im Amt sein.
Papst Benedikt XVI. gibt überraschend sein Amt auf: Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa erstmals um 11.46 Uhr meldete und inzwischen vom Vatikan bestätigt wurde, tritt Josef Ratzinger am 28. Februar offiziell zurück – aus gesundheitlichen Gründen.
Seinen Entschluss verkündete der Papst während einer Ratssitzung zur Heiligsprechung der Märtyrer von Otranto in lateinischer Sprache. "Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben", sagte der Papst.
Zur weiteren Ausübung des Pontifikats sei "sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig", so Benedikt XVI. "Eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, dass ich mein Unvermögen erkennen muss, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen."
Nach dem Rücktritt bleibt das Amt bis zur Wahl eines Nachfolgers unbesetzt. Im Vatikan rechnet man Medienberichten zufolge mit einer Konklave bis Mitte März – dann gäbe es zu Ostern einen neuen Papst. Papst-Bruder Georg Ratzinger sagte einer Nachrichtenagentur, er habe schon länger von den Rücktrittsplänen gewusst: "Das Alter drückt." Der Arzt des Papstes habe ihm geraten, keine transatlantischen Reisen mehr zu unternehmen. Auch das Gehen bereite seinem Bruder zunehmend Schwierigkeiten.
Vatikansprecher Federico Lombardi sagte am Nachmittag, es habe keine konkrete Krankheit vorgelegen. Nach seinem Rücktritt werde sich Benedikt XVI. in das bisherige Karmel-Kloster innerhalb der Vatikanmauern zurückziehen, bis zu einem entsprechenden Umbau halte er sich im päpstlichen Sommersitz Castel Gandolfo auf.
Es ist der erste Rücktritt eines Papstes seit 1415, als Gregor XII. eine Kirchenspaltung verhindern wollte. 1294 war Coelestin V. nach nur einem halben Jahr im Amt zurückgetreten.
"Verpasste Chance" – Die Reaktionen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Nachmittag von einer "bewegenden Nachricht". Als Benedikt XVI. zum Papst gewählt wurde, sei man "in Deutschland stolz auf unseren Landsmann" gewesen. Die Entscheidung zum Rücktritt verdiene allerhöchsten Respekt. Ratzinger bleibe "einer der bedeutendsten religiösen Denker unserer Zeit".
Bundespräsident Joachim Gauck sagte, für den Rücktritt seien "großer Mut und Selbstreflexion nötig. Beides findet meinen außerordentlichen Respekt". Das Staatsoberhaupt lobte, der Papst habe "vielen Menschen Orientierung und Ermutigung zum Glauben gegeben", und erwähnte ein kürzliches Treffen: "Sein Glaube, seine Weisheit und seine menschliche Bescheidenheit haben mich tief beeindruckt."
In einer ersten Stellungnahme hatte bereits der deutsche Regierungssprecher den Papst gewürdigt: "Die Bundesregierung hat den allerhöchsten Respekt für den Heiligen Vater, für seine Leistung, für seine Lebensleistung für die katholische Kirche", so Steffen Seibert. "Er hat seine ganz persönliche Handschrift als Denker an der Spitze dieser Kirche und auch als Hirte eingebracht."
Das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. sei "eine verpasste Chance" gewesen, sagte hingegen der Grünenpolitiker Volker Beck in einer ersten Stellungnahme. "Unter ihm ist die katholische Kirche teilweise wieder hinter Erneuerungen durch das Zweite Vatikanische Konzil zurückgefallen, beispielsweise durch die Aufhebung der Exkommunikation der antisemitisch ausgerichteten Piusbruderschaft", so Beck. "Auch seine Worte gegen Homosexuelle waren stehts ein Angriff auf den säkularen Verfassungsstaat, auf die Menschenrechte und eine humanistisch orientierte Werteordnung. Von seinem Nachfolger erwarten wir, dass er sich seiner Verantwortung im Umgang mit Juden, Muslimen, Homosexuellen und Frauen bewusst ist und Gesellschaften hier nicht mehr spaltet, sondern eint."
Die Grünen-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin, würdigten die Rücktrittserklärung des Papstes als ein Zeichen für Demokratie. Sie zeige, "dass der Papst trotz theologischer Tiefe seiner Aufgabe der Überzeugung ist, dass ein verliehenes Amt auch wieder abgegeben und durch Wahl auf einen Nachfolger übertragen werden kann." Zugleich stellten die Politiker klar: "Mit vielen (…) Positionen, wie etwa zur Empfängnisverhütung und zur Homosexualität, sind wir Grünen nicht einverstanden."
Die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, nahm die Rücktrittsnachricht "mit Bedauern und größtem Respekt" zur Kenntnis. Der Papst sei dafür eingetreten, "dass der christliche Glaube nicht nur Bekenntnis fordert, sondern auch Vernunft und Verantwortung." "Papst Benedikt hat sein Amt in einer durch vielfältige Umbrüche gekennzeichneten Zeit angetreten und seiner Kirche mit seiner großen geistlichen und intellektuellen Autorität Orientierung gegeben und Maßstäbe gesetzt", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier.
In einer kurzen Stellungnahme von Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hieß es, die Entscheidung verdiene "großen menschlichen Respekt". "Berlin und die deutschen Katholikinnen und Katholiken werden den historischen Besuch des deutschen Papstes im September 2011 in unserer Stadt im Gedächtnis behalten."
Auch der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, nannte die Verdienste des Papstes "unumstritten": "Er hat sich um die Ärmsten dieser Welt gekümmert und immer den Dialog auch mit Andersgläubigen gesucht." Benedikt XVI. habe jedem das "Wir sind Papst"-Gefühl gegeben, so Brüderle.
"Papst Benedikt XVI. geht in Würde, zu Recht verneigt sich die Welt mit Respekt vor ihm", sagte FDP-Chef Philipp Rösler. "Unser deutscher Papst hat sich unermüdlich für die katholische Kirche, die christlichen Werte und den Dialog zwischen den Religionen eingesetzt. Dafür wie auch für seine theologischen Leistungen gebührt ihm unser aller Hochachtung."
"Mit seiner charismatischen Ausstrahlung und seinem unermüdlichen Einsatz für das Wohl der Kirche hat der Papst aus Bayern die Menschen in aller Welt begeistert", lobte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). "Papst Benedikt ist nicht nur durch sein Amt, sondern durch seine Person eine moralische Instanz in der Welt", ergäntze sein Amtsvorgänger Edmund Stoiber, der vom "größten Sohn Bayerns" sprach.
Der Theologe und Papst-Kritiker Hans Küng sagte: "Zu hoffen ist, dass Ratzinger nicht Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers nimmt." Der 85-Jährige betonte aber, Benedikt XVI. habe in seiner Amtszeit derart viele konservative Kardinäle berufen, dass unter ihnen kaum eine Person zu finden sei, "die die Kirche aus ihrer vielschichtigen Krise herausführen könnte".
Vom LSVD war am Montag zunächst nichts zu hören. Die Kollegen der HOSI Wien sagten, mit dem Rücktritt werde "ein Pontifikat zu Ende gehen, das von Homophobie geprägt war". "Natürlich stehen Akzeptanz und Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen nicht in der Job-Description des Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche. Daher sind auch nur Nuancen in den diesbezüglichen Einstellungen und im Verhalten der einzelnen Päpste zu erwarten", so HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. "Dennoch hat sich Joseph Ratzinger im Gegensatz zu seinen Vorgängern während seiner Amtszeit dadurch hervorgetan, dass er immer wieder aktiv und von sich aus dieses Thema ansprach und die negative Haltung der katholischen Kirche in Sachen Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen in den Vordergrund stellte und bei jeder Gelegenheit in Erinnerung rief." Diese "fast zwanghafte Beschäftigung" habe "schon fast verdächtigte Züge" angenommen. "Auch wenn sie nicht sehr groß ist, besteht nunmehr doch erneut die Hoffung auf einen liberaleren Nachfolger, der für eine Durchlüftung der römisch-katholischen Kirche und zu einer fortschrittlicheren und aufgeschlosseneren Verkündigung der Glaubensbotschaften sorgen könnte", so Högl.
Jahrelanger Kampf gegen die Homo-Ehe
Ratzinger war 2005 zum Papst gewählt worden. 1977 wurde er Erzbischof von München und Freising und zugleich Kardinal. Seit 1981 war er Präfekt der Glaubenskongregation und bestimmte die katholische Lehre und Moral wie kein anderer. Dazu zählte auch ein andauernder Kampf gegen die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.
Erst in den letzten Wochen hatte er die Homo-Ehe als "Manipulation der Natur" bezeichnet, die zum zum Verlust der "Würde des Menschen" führen würde (queer.de berichtete). Auch sei sie eine "schwere Verletzung der Gerechtigkeit und des Friedens" (queer.de berichtete).
Selbst während eines offiziellen Besuches in Deutschland, bei dem er vor zwei Jahren unter anderem im Bundestag sprach, hatte Benedikt XVI. die Homo-Ehe zum Thema gemacht (queer.de berichtete) – was in den Medien allerdings kaum eine Rolle spielte. Seit seiner Wahl und der "Bild"-Schlagzeile "Wir sind Papst" wurde Ratzinger in Deutschland von Politik und Medien vergleichsweise wenig kritisiert. Am häufigsten hörte man noch Einwände gegen seine Aids-Politik, den weichen Umgang mit den Piusbrüdern sowie die mangelnde Aufklärung beim Missbrauchsskandal.
de.wikipedia.org/wiki/Otranto-Feldzug