Ein freiwilliger HIV-Test ist ein sinnvolles Instrument (Bild: CDC)
Am Mittwoch beschließt der Landtag in Magdeburg voraussichtlich ein neues Polizeigesetz. Die Opposition will vors Verfassungsgericht ziehen.
Die große Koalition in Sachsen-Anhalt hält offenbar an ihrem Vorhaben fest, durch eine Änderung des Gesetzes über die öffentliche Ordnung Behörden das Recht zu geben, Personen ohne ihre Zustimmung auf HIV zu testen.
Das Vorhaben war im letzten Jahr auf heftige Kritik unter anderem von der Deutschen Aids-Hilfe und in den Medien gestoßen, die SPD war zeitweilig von dem Vorhaben zurückgerudert. Doch Medienberichten zufolge hat die Partei den Widerstand in einer Sitzung des Innenausschusses in der letzten Woche aufgegeben. Der Grund: HIV wird nun nicht mehr ausdrücklich im Gesetzentwurf erwähnt.
Hinweise auf Krankheitserreger wie HIV und Hepatitis finden sich allerdings in der Begründung des Gesetzestextes – geändert hat sich also faktisch nichts. Mit der Änderung soll der (vermeintliche) Schutz von Personen verbessert werden, die "einer besonderen Infektionsgefahr ausgesetzt waren", so der Entwurf.
De facto kein Richtervorbehalt
Weiter heißt es: "Vor allem Polizeivollzugskräfte und Rettungshelfer können betroffen sein, wenn sie sich z.B. an Spritzen verletzen oder eigene offene Wunden mit Körperflüssigkeiten eines Festzunehmenden oder Unfallopfers in Berührung kommen."
Bislang war man auf die "freiwillige Mitwirkung des Verursachers" – gemeint ist eine möglicherweise infizierten Person – angewiesen. Wenn es eine "Wahrscheinlichkeit" gebe, dass eine zu untersuchende Person mit HIV, Hepatitis B oder Hepatitis C infiziert ist und eine "Ansteckung möglich" war, soll die Polizei einen durch einen Arzt durchgeführten Test anordnen können – bei "Gefahr in Verzug" ohne Richtervorbehalt.
Die Daten sind nach dem Test unverzüglich zu löschen, der "Verursacher" selbst ist nur auf ausdrücklichen Wunsch über das Ergebnis zu informieren. Die Beschneidung seiner Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung sei verhältnismäßig, da dem möglicherweise Infizierten "unnötige Gesundheitsbelastungen und -risiken" erspart blieben – durch frühes Wissen über eine mögliche Infektion könne etwa eine Postexpositionsprophylaxen-Behandlung (PEP) begonnen werden.
Bundesregierung hält Zwangstests für verfassungswidrig
"Aus guten Gründen dürfen in Deutschland medizinische Tests nur mit Einwilligung der Betroffenen durchgeführt werden", kritisierte DAH-Vorstand Carsten Schatz den Gesetzentwurf im letzten Jahr (queer.de berichtete). "Ohne Einverständnis ist ein HIV-Test nach geltendem Recht Körperverletzung. Das geplante Gesetz in Sachsen-Anhalt ist zudem fachlich unsinnig. Hier sollen aufgrund irrationaler Einschätzungen Grundrechte außer Kraft gesetzt werden!"
Eine umgehende PEP-Behandlung sei auch ohne Test möglich, so Schatz. "Zudem kann ein HIV-Test in solchen Situationen auch keine sichere Information liefern, weil er erst drei Monaten nach einem Infektionsrisiko zuverlässig anzeigt, ob jemand HIV-positiv oder -negativ ist." Das Gesetz sei "eher großen Ängsten geschuldet als tatsächlichen Erfordernissen."
Auch die regionalen Verbände von LSVD und AIDS-Hilfe hatten die Pläne kritisiert (queer.de berichtete). Auf eine Anfrage der Linkspartei nannte gar die Bundesregierung HIV-Zwangstests verfassungswidrig (queer.de berichtete).
Während der Gesetzentwurf bereits im Juli 2012 in erster Lesung debattiert wurde, fand er zum Welt-Aids-Tag einen breiten Widerhall in den Medien (queer.de berichtete). Dort wurde teilweise falsch berichtet, die Regierung wolle "Untersuchungen bei bestimmten Gruppen zur Pflicht machen". Die Rede war plötzlich wieder von "Risikogruppen". Auch das zeigte die Schädlichkeit des Gesetzentwurfes.
Der Entwurf enthält weitere umstrittene Regelungen, etwa soll der Polizei ermöglicht werden, den Mobilfunk abzuschalten. Auch ein Staatstrojaner und ein Verbot von Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit sind vorgesehen.
"Die geplanten und zum Teil verfassungswidrigen Bestimmungen führen zu einem massiven Abbau von Bürgerrechten", sagt der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion Sebastian Striegel gegenüber der "Leipziger Volkszeitung". Gemeinsam mit den Linken werde man notfalls vor das Landesverfassungsgericht ziehen. (nb)
Man muss sich nur einmal vorstellen, man selbst oder der eigenen Lebenspartner sei Massen von gewalttätigen Personen ausgesetzt, die um sich schlagen, beißen und spucken.
Der Staat muss ein realistische Gefühl für solche Situationen behalten und darf nicht übersensibel vor solchen Sicherheitsmaßnahmen zurückschrecken, nur weil sich Jungpolitiker, die sich profilieren wollen, gegen solche Maßnahmen aussprechen.