Deutschland wird aller Wahrscheinlichkeit nach ab morgen sein Adoptionsrecht der Realität anpassen müssen. Auch für andere europäische Länder wird der Dienstag spannend. (Bild: Wiki Commons / ScienceGenetics / CC-BY-SA-3.0GFDL)
Am Dienstag entscheiden sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über Adoptionsverbote für schwule und lesbische Paare.
Der morgige 19. Februar könnte Rechtsgeschichte schreiben: Sowohl in Karlsruhe als auch in Straßburg stehen lang erwartete Urteile zur Gleichstellung von schwul-lesbischen Paaren im Adoptionsrecht an, die weit reichende Konsequenzen haben könnten.
Zwar geht es zunächst nur um Teilbereiche des Adoptionsrechts, um Sukzessiv- und Stiefkindadoption. Doch fallen die Urteile im Sinne der schwulen und lesbischen Paare aus, so ist zu erwarten, dass sie auch einem allgemeinen Adoptionsrecht den Weg weisen.
10 Uhr: Karlsruhe
Das Bundesverfassungsgericht wird am Dienstag von seinem temporären Sitz aus Geschichte schreiben (Bild: Wiki Commons / Matthias Cantow / CC-BY-SA-3.0)
Das gilt vor allem für das Bundesverfassungsgericht. Um 10 Uhr wird der erste Senat sein Urteil in den Fällen zweier verpartnerter Personen sprechen, die die von den jeweiligen Partnern adoptierten Kinder ebenfalls adoptieren wollen (queer.de berichtete mit Details zu den Klägern).
Anders als bei einer Stiefkindadoption, bei der das leibliche Kind des Lebenspartners adoptiert wird, ist eine solche Sukzessivadoption nach §1742 BGB bislang nur Eheleuten vorbehalten. In der mündlichen Verhandlung deutete sich allerdings bereits an, dass die Richter das als verfassungswidrig einstufen werden (queer.de berichtete).
Im Mittelpunkt wird dabei stehen, dass eine Aufhebung des Verbots dem Kind eine bessere Rechtsstellung ermöglicht. Mit Spannung wird daher vor allem die Begründung des Urteils erwartet: Wie klar lässt sich das Urteil auch auf das allgemeine gemeinschaftliche Adoptionsverbot für Homo-Paare übertragen?
Die Debatte darüber wird ab morgen erneut geführt werden, so stark und mit rechtlichen Argumenten unterfüttert wie nie zuvor. Bereits heute kam Heribert Prantl in der "Süddeutschen" zu dem Schluss, dass die "Adoption von Kindern durch Lebenspartner nicht mehr verboten werden" könne.
11 Uhr: Straßburg
Wird der Europäische Gerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zum Thema revidieren oder zementieren?
Noch größere Wirkung könnte ein Urteil entfachen, dass eine Stunde später im nur rund 85 Kilometer entfernten Straßburg verkündet wird. Dort entscheidet der Europäische Gerichtshof über die Klage eines lesbischen Paares aus Österreich.
Die beiden Frauen ziehen einen Jungen seit dessen neuntem Lebensjahr auf, der heute 17-Jährige stammt aus einer früheren Beziehung der leiblichen Mutter. Der Vater hält Kontakt zum Sohn, zahlt für ihn Unterhalt und lehnt die Adoption durch das Paar ab.
Eine Stiefkindadoption ist schwulen und lesbischen Paaren in Österreich noch verwehrt – während selbst unverheiratete heterosexuelle Paare Kinder adoptieren können. Daher handele es sich bei der Regelung um eine "klare Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung", so Helmut Graupner, der Rechtsbeistand des Paares.
Das Urteil könnte eine europaweite Signalwirkung für mehrere Jahre haben – zumal die Große Kammer aus 17 Richtern entscheidet. Der Tenor wird allerdings mit Spannung und Sorge erwartet: Erst im letzten März hatte eine kleine Kammer des Gerichts entschieden, dass das Verbot der Stiefkindadoption für Homo-Paare in Frankreich in Ordnung geht (queer.de berichtete). Sie sei auch unverheirateten Paaren verboten, daher lege keine Diskriminierung vor. Das Gericht verwies auch darauf, dass es bereits früher festgestellt hatte, dass es kein Menschenrecht auf die Ehe gebe. (nb)