Von seinem Vater Mhorag, dem sagenumwobenen Seeungeheuer des Loch Morar, hat Samuel eine Schlangenhaut bekommen
In S. B. Sasoris Roman "Schlangenfluch" verliebt sich Samuel, halbmenschlicher Sohn eines sagenumwobenen Seeungeheuers, in den verklemmten Laurens. Wird er ihn bekommen?
Von Frank Hebenstreit
Mit "Schlangenfluch – Samuels Versuchung" von S. B. Sasori hat es wieder einmal ein Buch aus dem Dead Soft Verlag auf meinen Tisch geschafft. Sollte ich an dieser Stelle bestreiten, dass ich nach dem letzten "Lesevergnügen" durchaus mit kleinen Vorurteilen belastet an den Roman heranging? Nein, das zu bestreiten, hieße ja nur sich selbst zu belügen. Also lassen wir das und frisch ans Werk!
Hochwertig gestaltet legt sich auch dieses broschierte Buch in meine Hand. Gut, die Titelgestaltung sieht auch hier ein bisschen nach Computer-Gespiele aus, liefert aber ein stimmiges Gesamtkonzept ab. Dunkel und in Grün- sowie einigen Blautönen gehalten bietet sich das Cover dar. Die Hand eines Mannes streicht über eine mit Schuppen (tätowierte?) belegte Körperseite und bietet eine nicht nur unterschwellige Erotik, der man sich gern hingeben könnte. Bekennende Schlangenphobiker seien jedoch gewarnt, das Tattoo könnte sich als echt erweisen. Zumindest ist es im Buch keines…
Wir lernen zügig die Brüder Raven und Samuel Mac Laman kennen. Zwei Schotten mit Stammsitz am Loch Morar. Eigentlich leben dort nur ihre Mutter Mia und der Stiefvater David. Deren gemeinsamer Sohn Ian, Halbbruder von Raven und Samuel, studiert inzwischen in London. Raven und Samuel, eineiige Zwillinge und doch extrem unterschiedlich, stammen vermutlich aus einer innigen Liebesbeziehung ihrer Mutter mit Mhorag, dem sagenumwobenen Seeungeheuer des Loch Morar. Ein Mensch war der Vater sicher nicht. Beide Kinder haben von ihm einige Merkmale in das menschliche Genmaterial mitbekommen. Raven verfügt über Giftzähne und Schlangenaugen, Samuel über Schlangenhaut. Seine komplette linke Seite ist damit überzogen. Und noch einige exquisite Besonderheiten… Aber lassen wir das Entdecken den Lesern.
Samuel und Laurens sind füreinander bestimmt
Hinter S.B. Sasori steckt die Autorin Swantje Berndt. Das Pseudonym nutzt sie nur für die Romane, "in denen sich der Held nicht in die Prinzessin, sondern in den Prinzen verliebt" (Bild: privat)
In der Londoner Umgebung des jungen Ian findet sich neben einigen typischen Studentinnen und Studenten auch Tom, ein abgeblitzter Verehrer von Samuel, noch wichtiger jedoch Laurens. Den lernt man am Morgen nach einer durchaus so gerade eben geklappten Nummer mit einer Frau kennen. Die recht anschauliche – oder sollte ich sagen: geruchsklare – Beschreibung dessen, was für ein süßlich-klebriger Geruch am Morgen danach unter der Bettdecke entströmt, hat mir dann auch einen kurzen Moment den Atem genommen.
Von Anbeginn des Buches weiß es der Leser, Raven ebenfalls, da steuern zwei klar aufeinander zu, sind für einander bestimmt. Nur Laurens will es nicht wahrhaben (juhu, endlich mal wieder ein Coming-out!) und auch Samuel verweigert sich dem. Den Hintergrund seiner Verweigerung hat sein Stiefvater David ebenfalls ziemlich am Anfang des Buches durchaus körperbetont und nachvollziehbar an Samuel bewiesen.
Mit weiteren Charakteren nimmt das Ganze dann richtig Fahrt auf. Es entspannt die Angelegenheiten zwischen den beiden Männern nicht gerade, dass Laurens Vater Henrik, ein Krypto-Zoologe, genau am Loch Morar nach Mhorag forscht und mit dem nächtlich beobachteten Samuel meint, ihn gefunden zu haben. Noch weniger entspannt bringt sich Toms Onkel James ein, der als Jäger verbotener Trophäen Samuel bereits präpariert an seiner Wand hängen sieht. Dass Raven auch noch einen Geliebten (?) mit seinem Gift in einen Rausch und dann schließlich in den Tod führt, vereinfacht es auch nicht. Immer wieder scheint das Paar zueinander zu finden, um dann doch den entscheidenden Schritt nicht zu tun.
Unnötiges Coming-out und ein jungfräulicher Arsch
Der Roman "Schlangenfluch" ist der Beginn einer Trilogie, Band zwei ist bereits in Arbeit
Frau Sasori hat hier viele Charaktere geschaffen und einen großen Strauß an Verwicklungen. Diese hätten durchaus für mehr als nur 220 Seiten gereicht. Wie man der Autorenseite des Verlages entnehmen kann, hat sie ihren Figuren weitere Abenteuer zugedacht, da es eine Trilogie werden soll. Inwieweit die Ausgangsgeschichte in den kommenden Büchern trägt, bleibt abzuwarten. Das zentrale Merkmal des Suchens und Findens von Laurens und Samuel scheint fürderhin abgegrast.
Kritik verdient das nicht wirklich notwendige Coming-out von Laurens, das auch nicht nachvollziehbar war. Mit diesem Aspekt wird hier eine in sich schon tragende Geschichte eher überfrachtet als mit einem weiteren tragenden Fundament versehen. Zumindest bleibt hier der Ruch, dass mit diesem Coming-out einfach nur ein weiterer Leserbereich auf Biegen oder Brechen erschlossen werden sollte. Auch für die Neckereien gegen Ende der Geschichte, ob Laurens' Arsch denn nun Jungfrau bleibt oder nicht, hätte es dieser Wendung nicht bedurft. Schließlich sollen in der schwulen Welt mehr als nur einige Tops existieren, deren Arsch noch nie einer inneren Erkundung unterzogen wurde.
Trotz dieser einzelnen Kritikpunkte bleibt am Ende ein wirklich positiver Eindruck. Der Dead Soft Verlag hat mit "Schlangenfluch – Samuels Versuchung" seinem Verlagsmotto "Gay-Storys mit Stil" durchaus entsprochen, aber es gibt auch noch Luft nach oben. Ich habe mich beim Lesen nie gelangweilt und mich schlussendlich selbst dabei ertappt, dass ich Samuel oder auch Laurens an der einen oder anderen Stelle gern selbst einen Schubs gegeben hätte.
Durch Sasoris unverschlüsselte Schreibe kommt man schnell in die Geschichte rein, egal wann und an welcher Stelle man sie weg gelegt hat. Mit 13,95 Euro ist dieses Buch seinen Preis durchaus wert. Es hält das unkomplizierte Lesevergnügen, das es verspricht, und macht auch am Ende noch Lust auf mehr. Wie es mit Laurens und Samuel weitergeht? Auch ich würde es gern erfahren.
Infos zum Buch
S. B. Sasori: Schlangenfluch – Samuels Versuchung. Roman. 220 Seiten. Broschiert. Dead Soft Verlag. Mettingen 2012. 13,95 €. ISBN 978-3943678376