Der CSU-Parteichef ist gegen eine Gleichstellung, die CDU-Chefin und Kanzlerin lässt noch – größtenteils homophob – diskutieren. (Bild: Michael Panse / flickr / by-nd 2.0)
Mit der halbherzigen und homophoben Debatte über mehr Rechte für Homo-Paare beweisen CDU und CSU vor allem erneut ihre Rückständigkeit.
Von Norbert Blech
Kommt sie nun oder kommt sie nicht? Die Debatte in der Union über eine weitere Besserstellung homosexueller Paare nimmt mittlerweile bizarre Züge an. Und Kanzlerin Angela Merkel vermeidet zu dem ärgerlichen und teils homophoben Hin und Her ein Machtwort – nun soll zunächst im März weiter diskutiert werden. "Lassen Sie uns miteinander reden und dann entscheiden", sagte Merkel am Dienstag vor der Fraktion. Und erwähnte zugleich, dass ihr persönlich eine Gleichstellung im Adoptions- und Steuerrecht schwer falle.
Aus rechtlicher Sicht ist sowohl das gemeinschaftliche Adoptionsrecht als auch ein Ehegattensplitting für Lebenspartnerschaften geboten, sofort und, was die Steuern betrifft, rückwirkend. Eine Debatte über eine Umwandlung des Steuersparmodells in eine Familienförderung, von einigen Politikern erschrocken zur Abwehr ins Spiel gebracht, ist durchaus sinnvoll, aber ein völlig anderes Thema. Aus gesellschaftlicher Sicht, aus der Sicht der Antidiskriminierung ist derweil längst die Ehe-Öffnung geboten.
Mit der Union wird es sie nicht geben, und es darf nicht erwartet werden, dass stattdessen eine komplette Gleichstellung der Lebenspartnerschaft erfolgt. Die von Karlsruhe erzwungene Sukzessivadoption wird man rechtlich ermöglichen. Vielleicht setzt man in den nächsten Monaten auch das Mini-Paket der Bundesjustizministerin um, das unter anderem das Mietrecht verbessert. Vielleicht – und das ist angesichts des Widerstandes von CSU und Teilen der CDU ein großes Vielleicht – kommt sogar das Ehegattensplitting. Union und FDP stünden dann beim nächsten Donnerschlag aus Karlsruhe, mitten im Wahlkampf, nicht ganz so bedröppelt da.
Aber ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht, eine Ehe-Öffnung wird es nicht geben. Man lässt sich gerne positiv überraschen, mit diesen Schritten kann jedoch derzeit niemand ernsthaft rechnen. Klar ist: Mehr als ein Handeln aufgrund gefällter oder bald fallender Urteile ist das alles nicht.
Debatte ohne Pro-Argumente
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach betrieb am Dienstag erneut Richerschelte
Denn da ist allein die bedenkliche Art, wie diese "Debatte" geführt wird: Den durchaus homophoben Äußerungen nicht weniger Abgeordneter, die man so schon vor zehn, zwanzig Jahren hörte, wird nicht öffentlich widersprochen, stattdessen zeigen Teile der Union unverändert ihre Vorurteile und ihre "Diskriminierungslust" (ein wahres Wort der Linken-Politikerin Barbara Höll vom Dienstag).
Fast jedes Statement der Unions-Politiker ignoriert weiter die seit über zehn Jahren konstante Rechtsprechung aus Karlsruhe, wonach der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie eben nicht eine Schlechterstellung der Lebenspartnerschaft bedingt; einige Politiker fühlten sich sogar zu einer Richterschelte berufen. Der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 der Verfassung, von Karlsruhe immer wieder ins Spiel gebracht, spielte in den Äußerungen hingegen keine Rolle.
Vor allem wird auf Seiten der vermeintlichen Gleichstellungsbefürworter gar nicht erst versucht, die eigene Basis, ja die Gesellschaft mitzunehmen. Von der Diskriminierung der gleichgeschlechtlichen Paare, davon, dass sie und ihre Kinder auch Familie sind und Werte leben, ist in dieser vermeintlichen Gleichstellungsoffensive nicht mal ansatzweise die Rede.
Der britische und konservative Premierminister David Cameron hat den Kurswechsel seiner Partei in Homo-Fragen ideologisch unterfüttert und immer wieder umfassend erklärt, warum die Ehe für Schwule und Lesben zu öffnen sei. Das hat seine Partei nur bedingt überzeugt, aber eine klare Botschaft gesetzt.
Bei den deutschen Konservativen ist nach einigen Tagen der Debatte hingegen noch nicht mal klar, in welchen Bereichen eine Gleichstellung erfolgen soll – dabei müsste jedem längst klar sein, das alles andere als eine vollständige Gleichstellung als Konsequenz weitere bewusste Diskriminierung bedeutet. Und ein Großteil der Argumentation beschränkt sich auf ein hörbares Zähneknirschen, dass das Bundesverfassungsgericht keine andere Wahl lasse. Nebenbei: Mit dem von der FDP anfänglich so gefeierten Koalitionsvertrag, der eine Gleichstellung im Steuerrecht versprach, argumentiert niemand aus der Union.
Halbherziges Reden über halbherziges Handeln
Auch jüngere und liberalere Stimmen in der Union sind nicht für eine Gleichstellung, wie etwa der NRW-Vorsitzende Armin Laschet
Das ist nicht der homo-politische Frühling in der Union, den manches Medium schon zu erkennen glaubte, das ist halbherziges Reden über halbherziges Handeln aus allen möglichen Gründen, nur ganz deutlich nicht aus der Sicht eines Abbaus von Diskriminierung. Die dazu nötige innere Überzeugung fehlt völlig.
Dazu passt, das eine Stimme in der Debatte fehlt: Kristina Schröder. Die CDU-Familienministerin hat sich seit dem Urteil aus Karlsruhe vom letzten Dienstag, das Lebenspartnerschaften mit Kindern erstmals als Familie im Sinne des Grundgesetzes bezeichnete, nicht zum Thema geäußert und ignorierte gar entsprechende Presseanfragen, etwa der FAS. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, das Urteil öffentlich zu begrüßen, weil es das Kindeswohl stärkt, und öffentlich für Regenbogenfamilien einzustehen, um gesellschaftliche Vorurteile zu bekämpfen.
Die schwulen Mitglieder der Regierungskoalition, FDP mit eingeschlossen, sind auch keine Hilfe. Sie empören sich lieber über "Schaufensteranträge" der Opposition, anstatt den Druck auf Parteikollegen zu erhöhen. Und die homophoben Populisten aus den eigenen Reihen lässt man weiter ihren Menschenhass verbreiten.
Die angeblich so hart an den Überzeugungen der Unionspolitiker arbeitenden Lesben und Schwulen in der Union, also die allseits belächelte LSU, hat sich in die aktuelle Debatte bislang nicht eingeschaltet. Ein Schweigen gibt es auch von Bundesumweltminister Peter Altmaier, dessen eigene Staatssekretärin Katherina Reiche derart dämlich gegen die Homo-Ehe poltert, dass sie anderswo wegen Uneignung für ein Amt entlassen werden würde.
So zeigt diese Debatte, wie unter anderem auch die versprochene und nun wohl beerdigte Reform des Transsexuellengesetzes, eine erbärmliche Ignoranz gegenüber Diskriminierung, ein Desinteresse an Menschenrechten. Der Unterschied zur Opposition könnte nicht größer sein: Wenn Landes-Ministerien inzwischen von "LGBTTI" statt nur von Homosexuellen sprechen, breite Akzeptanzkampagnen fahren und manche Staatssekretärin in der "Bild" glücklich von ihrer Regenbogenfamilie mit Kind berichtet, dann merkt man erst, wieviele Jahrzehnte die Union noch aufzuholen hat. Und fragt sich, warum das noch sein muss.
Richtige Gleichstellung sieht anders aus aus, fühlt sich anders an als das aktuelle Berliner Trauerspiel. Unionsfraktionschef Volker Kauder, einer der vermeintlichen Antreiber der vermeintlichen Gleichstellungsinitiative, sprach am Dienstag von der "Fehlentwicklung" einer Homo-Ehe. Konsequenzen hatte das zunächst keine. Sie sollten im Herbst folgen, was auch immer zwischenzeitlich noch geschehen mag.
Bei dieser Einstellung ist sich auf Frankreich und England zu freuen. Was Deutschland anbelangt, gibt es Variante: 1. jetzt Homoehen im Gesetz 2. vielleicht während nächster 1-4-5 Jahren oder aber 3. erst in 5 Jahren oder später. Das wird nicht gefallen. Außerdem dann viel Spaß beim Kämpfen. Was das aber für Kanzler bedeutet, weiss man nicht. Europa ist nicht zufrieden. Nicht CDU und CSU wählen.