Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht nach fünf verlorenen Entscheidungen vor dem Bundesverfassungsgericht zum Thema Homo-Ehe keine Veranlassung, den Kurs der Union zu ändern. (Bild: PMG / flickr / by-sa 2.0)
Die CDU-Führung hat sich bei einer Präsidiumssitzung am Montag gegen die Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern mit Eheleuten ausgesprochen – die Opposition kündigte dagegen an, für Homo-Paare zu kämpfen.
Das Präsidium der Christdemokraten habe beschlossen, dass man keine weiteren Schritte zur rechtlichen Gleichstellung von verpartnerten Homo-Paaren gegenüber verheirateten Heterosexuellen anstrebe, weder zum Adoptions- noch zum Steuerrecht. Das teilte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Montagmittag in Berlin mit.
Damit will die Partei die Diskussion um die Diskriminierung von Homo-Paaren beenden. Sie war durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst worden, das die Ungleichbehandlung bei der Sukzessivadoption als grundgesetzwidrige Diskriminierung beendet hat (queer.de berichtete). Das Urteil war bereits die fünfte Niederlage für Schwarz-Gelb innerhalb von knapp vier Jahren beim Thema Homo-Rechte. Gröhe verwies auf den CDU-Parteitagsbeschluss vom Dezember, der die Fortschreibung der Schlechterstellung von Homo-Paaren vorsieht (queer.de berichtete).
Bereits zuvor hatten mehrere Medien berichtet, dass Angela Merkel beim Thema Ehegattensplitting auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten wolle. Karlsruhe will bis zum Sommer darüber entscheiden, ob das Ehegattensplitting auch auf die Lebenspartnerschaft ausgeweitet werden soll. Die Union ist die einzige im Bundestag vertretene Fraktion, die die Gleichbehandlung von schwulen und lesbischen Paaren ablehnt.
Opposition will Gleichstellung vor Bundestagswahl erzwingen
CDU-Wahlplakat (2000)
Vor der Entscheidung des CDU-Präsidiums hat die Opposition aber bereits angekündigt, den Druck auf die Bundesregierung in der Frage der Homo-Rechte zu erhöhen. Die Oppositionsparteien wollen sechs Monate vor der Bundestagwahl über den Bundesrat die Öffnung der Ehe durchsetzen.
In dem Zusammenhang appellierten die Grünen am Montag an die FDP, sich für die Aufhebung des Fraktionszwangs innerhalb der Regierungskoalition einzusetzen. "Wir bieten die Zusammenarbeit bei der Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe an", erklärte der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Immerhin gebe es sowohl in der Bevölkerung als auch im Parlament eine Mehrheit für die Gleichbehandlung.
Über die Länderkammer will die Opposition zudem unter Führung des rot-grün regierten Rheinland-Pfalz eine Gesetzesinitiative zur Öffnung der Ehe auf den Weg bringen. Im Bundesrat verfügen SPD, Grüne und Linke über eine Mehrheit und können den Bundestag zwingen, über die Initiative zu beraten. Die Grünen kündigten an, dass sie noch vor der Bundestagswahl eine namentliche Abstimmung zu diesem Entwurf durchsetzen würden. Die FDP hat sich in der Vergangenheit jedoch immer gegen Homo-Rechte und für die Koalitionstreue ausgesprochen (queer.de berichtete).
Dabei hatten FDP-Politiker in den letzten Monaten wiederholt erklärt, dass sie sich für eine Gleichbehandlung von Homopaaren einsetzen würden. So erklärte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Montag in der "Bild"-Zeitung: "Wir brauchen Tempo bei der vollen Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft mit der Ehe – vom Steuerrecht bis zur Adoption". Die Politik müsse den Anspruch haben "zu gestalten" und dürfe sich nicht vom Bundesverfassungsgericht treiben lassen, so die liberale Politikerin. (dk)
Update 14:30 Uhr: Scharfe Kritik an Angela Merkel von LSVD und der Opposition
Für die Blockadehaltung der CDU hat der Lesben- und Schwulenverband kein Verständnis: "Statt aus der bisherigen Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zu lernen, wartet die CDU lieber auf eine weitere Ohrfeige aus Karlsruhe",kritisierte LSVD-Sprecher Manfred Bruns in einer ersten Reaktion. "Merkels Versuch, die konservativen Hardliner in der Union zu besänftigen, geht wieder einmal zu Lasten von Lesben und Schwulen. Das dies gegen unser Grundgesetz verstößt ist ihr egal."
Auch SPD und Grüne kritisierten die CDU und die Kanzlerin scharf: "Es ist empörend, was sich in den vergangenen Tagen in Sachen Gleichstellung von homosexuellen Paaren innerhalb der Union abspielt", erklärte Johannes Kahrs, der Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Lesben und Schwulen. "Angela Merkel tut so, als habe sie damit nichts zu tun. Dabei hatte Merkel selbst noch vor vier Monaten auf dem Parteitag und in den Bierzelten des niedersächsischen Wahlkampfes ungefragt und laut die Richtung ihrer Partei in dieser Sache vorgegeben: keinen Fußbreit der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften, keine Verbesserung der rechtlichen Situation von Kindern in Regenbogenfamilien".
Der Grüne Volker Beck sagte, Merkel stehe "für Stillstand und verfassungswidrige Diskriminierung".
Update 14:50 Uhr: CDU keine Volkspartei mehr?
Auch die schwulen Führungskräfte vom Völklinger Kreis zeigten sich tief enttäuscht über die Entscheidung der Union: "Ist die CDU wirklich noch eine Volkspartei?", fragte Bernd Schachtsiek, der Vorsitzender des Völklinger Kreises. "Aus Rücksicht auf eine Minderheit ihrer Wähler hat sie ihre vielleicht letzte Chance vertan, die Bundespolitik hinsichtlich der Homo-Rechte aktiv zu gestalten. Weder der Mehrheitswille der eigenen Wähler noch die wachsende Einsicht innerhalb der Parteispitze konnten sich gegen rückwärtsgewandte Überzeugungen durchsetzen."
Update 17:05 Uhr: LSU beklagt "übles Foulspiel gegenüber Minderheiten"
Die Lesben und Schwulen in der Union kritisierten überraschend deutlich die Entscheidung der CDU gegen Homo-Rechte: "Wir fühlen uns hier behandelt wie Bürger zweiter Klasse", erklärte LSU-Chef Alexander Vogt. Er sei "maßlos enttäuscht", fügte er an. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Thomas Steins kritisierte, dass Lebenspartnerschaften und Ehe gegeneinander ausgespielt werden würden: "Das ist ein übles Foulspiel gegenüber Minderheiten", so Steins.
Da hat die CDU wohl die letzte Chance verpasst, wenigstens ein paar Schwule Stimmen zu kriegen.