
Erinnert sich noch jemand an die Diskussion um den Christina Street Day in München, der zu mehr lesbischer Sichtbarkeit führen sollte? Nun, Mädels: Vergesst es. Die "Bild" schafft es sogar, einen Protest, an dem nur Frauen beteiligt waren, als Kampf gegen "Schwulenhass" zu verkaufen.
In der heutigen "Bild"-Druckausgabe berichtet das Boulevardblatt in einem natürlich rosa Kasten, am Samstag hätten in Rio de Janeiro drei Femen-Demonstrantinnen vor der Candelaria-Kirche "mit nackten Brüsten" gegen "Schwulenhass in der brasilianischen Gesellschaft" demonstriert – mit "Charme und Frauenpower".
Grund dafür gibt es: Die Grupo Gay da Bahia hatte am Wochenende bekannt gegeben, dass allein im letzten Jahr 338 Schwule, Lesben (!) und Transsexuelle (!!) in dem Land aufgrund von Homophobie ermordet wurden – das ist ein Mord alle 26 Stunden. Davon und von anderen Formen des "Schwulen"-Hasses liest man in "Bild" freilich nichts, stattdessen erfährt man, wo der letzte Femen-Protest stattgefunden hat (an der Copacabana gegen Sextourismus).
Die "Bild"-Redaktion schaffte es zudem, ein Foto auszuwählen, auf dem von den Slogans nach all dem Planschen im Brunnen nichts mehr zu lesen und dafür die Brüste besser zu erkennen waren. Zum Vergleich ein Ausschnitt aus der Galerie der "Berliner Zeitung":

Und vom Facebook-Profil von "Femen Brazil":

"Frau, schwarz, lesbisch und stolz", "No more fake human rights"? Schnell erfährt man, dass es nur am Rande um "Schwulenhass" ging. Vielmehr protestierten die Frauen konkret gegen die Ernennung des evangelikalen Pastors Marco Feliciano zum Chef der Menschenrechtskomission des Landes. Der habe sich durch "Sexismus, Homophobie, Rassismus, und Intoleranz" hervorgetan und sei daher für den Posten völlig ungeeignet, kritisieren die Frauen.
Das alles erfährt man nach ein wenig Googlen und könnte Anlass für einige Berichte sein. Doch "Bild" geht es, von wegen Kampf gegen Sexismus, letztlich nur um die nackten Brüste – sogar ein Protest im Vatikan wie vor einigen Wochen wird da plötzlich für das vermeintlich überfromme "Wir-sind-Papst"-Blatt interessant.
Das ist nicht ganz neu: Auch CSDs müssen in der Regel ja nur als Grund für eine "schrille" Bebilderung herhalten. Never mind the politics, die es bei den CSDs tatsächlich auch gibt. Die Blattlinie, im Zweifel gegen die Gleichstellung zu kämpfen, hebt das nicht aus.
Trotzdem: Wenn drei nackte Frauen in Brasilien mehr redaktionelles Gewicht erhalten als so manche Demo für LGBT-Rechte hier in Deutschland, muss man schon fragen, ob man von Femen nicht lernen kann. Ob man damit den Kampf gegen Homophobie – und Sexismus – wirklich gewinnen kann, sei allerdings dahingestellt. (nb)
Ich bezweifel das durch so etwas "gelernt" wird.
Im Endeffekt achten die meisten leser der Bild und co gar nicht mehr darauf wofür oder gegen was demonstriert wird, Hauptsache die Kamera hat die halbnackten Frauen im Fokus.
Daher dient es auch nicht unserem Anliegen gegen Homophobie.
Mit nackten Brüsten für Schwulenrechte ohne die Lesben zu erwähnen.,.welch schlechte Ironie...
Die Lesben werden nicht erwähnt und Männerkörper werden medial unsichtbar gemacht.
Man merkt, Heterosexismus und Homophobie sind zwei Seiten einer Medaille