Unter bestimmten Bedingungen können HIV-Positive auf ein Kondom verzichten. (Bild: Tomizak / flickr / by-nd 2.0)
Das Beratungsgremium der Bundesregierung zum Thema HIV und Aids warnt vor einer strafrechtlichen Verfolgung von Menschen, die verdächtigt werden, eine Person bei einvernehmlichem Sex angesteckt zu haben.
Der Nationale Aids-Beirat der Bundesregierung hat in einem Votum
erklärt, dass Strafverfahren bei HIV-Übertragungen nach einvernehmlichem Sex "keinen Beitrag zur HIV-Prävention" leisten würden. "Jedenfalls in einer flüchtigen, einvernehmlichen sexuellen Begegnung ist jeder und jede verantwortlich für die Anwendung von Schutzmaßnahmen, unabhängig von der Kenntnis oder der Annahme des eigenen Status und des Status der anderen Person. Eine Zuschreibung als Täter oder Opfer ist dabei nicht angemessen", heißt es in dem Schreiben.
Eine Strafverfolgung könne sich "kontraproduktiv" auf die HIV-Testbereitschaft und die offene Kommunikation der Sexualpartner auswirken. Zudem sei die "Zuschreibung als Täter oder Opfer" nicht angemessen, so der Nationale Aids-Beirat.
Das Thema wurde 2010 heftig debattiert, als "No Angels"-Sängerin Nadja Benaissa zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, weil sie einen Mann beim ungeschützten Sex mit HIV angesteckt haben soll (queer.de berichtete). Die Deutsche Aids-Hilfe kritisierte damals die "Stigmatisierung der Künstlerin und die pauschale Kriminalisierung HIV-Positiver".
"Schwer übertragbare Infektion"
Der Nationale Aids-Beirat bezeichnet jetzt HIV als eine "schwer übertragbare Infektion". Bei niedriger Viruslast sei die Ansteckungsgefahr gering. Bei einer antiretroviralen Therapie werde die Viruslast zudem unter die Nachweisgrenze gedrückt und könne "nach derzeitigem medizinischen Erkenntnisstand nicht mehr sexuell übertragen" werden: "Die Risikoreduktion einer erfolgreichen antiretroviralen Therapie entspricht mindestens der sachgerechten Anwendung eines Kondoms", so der Beirat.
Die Debatte über Übertragungsrisiko und Kondomnutzung hatte die "Eidgenössische Kommission für Aidsfragen" (EKAF) 2008 angeregt. Die Experten argumentierten, dass bei geringer Viruslast die Gefahr einer HIV-Ansteckung verschwindend gering sei – und dass Positive daher auf das Kondom verzichten könnten, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt seien (queer.de berichtete). 2009 folgte die Deutsche Aidshilfe der Empfehlung der Schweizer in einem Positionspapier (queer.de berichtete). Die Empfehlungen haben nicht zu einem Anstieg der HIV-Infektionen geführt.
Der Nationale Aids-Beirat wurde im Frühjahr 1987 vom Deutschen Bundestag geschaffen. Als Beratungsgremium des Bundesgesundheitsministeriums begleitet er seitdem die Politik der Bundesregierung zur Bekämpfung von HIV und Aids. Mit seinen Stellungnahmen insbesondere zu neuen oder kontrovers diskutierten Fragestellungen gibt er eine wichtige Unterstützung bei der Gestaltung und Umsetzung einer fachlich fundierten und wirksamen Strategie. (dk)
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