Viele Evangelikale glauben, dass Homosexualität mit Gebet und Therapie abgeschaltet werden kann - Psychologen halten das für Humbug
Der Vorschlag der Grünen, Umpolungstherapien von homosexuellen Jugendlichen zu verbieten, hat bei evangelikalen Organisationen zu einem Aufschrei geführt – sie erhalten Unterstützung von einem CDU-Politiker.
Die Deutsche Evangelische Allianz, das Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft, die Offensive Junger Christen und Wüstenstrom haben mit Empörung auf einen Vorschlag der Grünen reagiert, die "Heilung" von homosexuellen Jugendlichen zu verbieten. Die Ökopartei hatte vorgeschlagen, Verstöße mit einer Geldstrafe von mindestens 500 Euro zu ahnden (queer.de berichtete). Hintergrund: Psychologenverbände warnen davor, dass die versuchte Umpolung junge Schwule und Lesben in die Depression und sogar in den Selbstmord treiben könnte. Experten sind sich weitgehend einig, dass die sexuelle Orientierung nicht veränderbar ist. Deshalb ist in Kalifornien bereits die Konversionstherapie verboten worden (queer.de berichtete), allerdings laufen dagegen noch Gerichtsverfahren von Homo-Gegnern.
Evangelikale Organisationen aus Deutschland werfen nun den Grünen vor, wegen ihrer Homo-Politik "totalitär" zu sein, wie Markus Hoffmann, der Chef der Homo-Heiler-Organisation Wüstenstrom, gegenüber dem christlichen Magazin "pro" erklärte. Initiator Volker Beck "sollte all den jungen Menschen, die bei uns vorurteilsfrei über ihre Sexualität sprechen konnten und dann echte Hilfe und Veränderung und Stabilisierung in ihrem Leben erfahren haben, ins Gesicht sagen müssen, dass er ihnen zukünftig solche Möglichkeiten verbieten will" . Christl Vonholdt vom Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft warf den Grünen vor, Jugendlichen die Behandlungsfreiheit absprechen zu wollen. Michael Diener, der Chef der Evangelischen Allianz, bezeichnete den Vorschlag der Grünen als Diskriminierung von Menschen, die unter ihrer sexuellen Orientierung litten.
EKD: Aufklärung statt Verbot
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hält Konversionstherapien zwar für "problematisch", befürwortet aber nicht deren Verbot, wie EKD-Vizepräsident Thies Gundlach gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur "idea" erklärte. Er spricht sich für eine "Entängstigung gegenüber homosexuellen Empfindungen bei Minderjährigen" aus. Eine Initiative, "die in jugendtauglicher Form Aufklärung über die vielfältigen Formen von Sexualität bietet, ist sinnvoller als das Instrument des Verbotes", sagte Gundlach.
In dieser Woche geriet Katrin Göring-Eckardt bei der Frage ins Schleudern. Die grüne Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl hatte am Montag bei der Vorstellung eines Buches des EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider umständlich versucht, keine klare Position zu beziehen, berichtete die "Welt": "Also ich würde jetzt sagen, natürlich kann man das so oder anders sehen, und würde auch immer akzeptieren, dass Andere eine andere Position haben", sagte sie – und dementierte, dass es bereits einen grünen Gesetzentwurf zum Thema gebe. Später erklärte sie, sie habe sich in dieser Frage geirrt und unterstütze natürlich das Vorhaben. Göring-Eckardt ist Präses der EKD-Synode, legte dieses Amt aber für die Zeit ihrer Spitzenkandidatur nieder.
Der hessische CDU-Fraktionsvorsitzende Christean Wagner nutzte die Debatte, um den Grünen "antikirchliche Positionen" vorzuwerfen: "Sie wollen den bekenntnisorientierten christlichen Religionsunterricht in Schulen abschaffen, sie wollen es zulassen, dass religiöse Bekenntnisse straffrei verunglimpft werden dürfen, und sie wollen Kruzifixe aus öffentlichen Gebäuden entfernen lassen", empörte sich Wagner. Daher sei Göring-Eckardt "besonders unglaubwürdig und an der Spitze der evangelischen Kirche nicht tragbar". Kirche und Grüne seien Gegensätze. Wagner hat in der unionsinternen Debatte um Homo-Rechte stets die Gleichbehandlung von verpartnerten Schwulen und Lesben mit verheirateten Heterosexuellen abgelehnt. (dk)