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- 29. Oktober 2004 6 Min.
Der Deutsche Bundestag hat am Freitag einer Verbesserung der Homo-Ehe zugestimmt. Mit dabei: die umstrittene Stiefkindadoption.
Von Norbert Blech
Berlin Der Deutsche Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP ein Überarbeitungsgesetz zur Lebenspartnerschaft beschlossen, nach teils energischer, 30-minütiger Debatte vor fast leerem Parlament. Ein FDP-Antrag, der unter anderem ein komplettes Adoptionsrecht vorsieht, wurde von den übrigen Parteien abgelehnt. Der Regierungsentwurf sieht unter anderem eine Übernahme des ehelichen Güterrechts, eine weitgehende Angleichung des Unterhaltsrechts sowie die Zulassung der Stiefkindadoption vor. Weiterhin möchte die Regierungskoalition den Versorgungsausgleich einführen und die Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung einbeziehen. Ein generelles Adoptionsrecht ist jedoch nicht geplant.
Regierung: ein guter Tag für Homos
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sagte zur Eröffnung der Debatte, Homo-Paare seien "Realität in Deutschland". Es bleibe noch manches zu tun, ohne sachlichen Grund würden Homo-Paare gegenüber Hetero-Ehen ungleich behandelt. Zypries appelierte an die Union, das Gesetz nicht zu blockieren. Auch die Stiefkindadoption sei notwendig, man müsse diese Verbindungen rechtlich absichern können, Bedenken dagegen seien "nicht stichhaltig". Einem gemeinschaftlichen Adoptionsrecht für Homo-Paare, wie von der FDP gefordert, könne man "aufgrund internationaler Verpflichtungen" nicht zustimmen. Auch müsse man die Gesetzgebung "gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen". Man arbeite aber im Europarat an einer Überarbeitung des Abkommens zur Adoption. Für das nächste Jahr kündigte Zypries ein Ergänzungsgesetz an, das durch den Bundesrat muss und eine Gleichstellung unter anderem im Steuer- und Beamtenrecht erzielen soll.
Für die CDU/CSU-Fraktion sprach danach Daniela Raab. "Die von ihnen geplanten Änderungen sind so absolut nicht akzeptabel", sagte die CSU-Abgeordnete aus Rosenheim. Diese "größtmögliche Anpassung an die Ehe" , eine "kritiklose" Übernahme der Vorschriften zur Ehe, sei geschehen, "ohne zu fragen, ob das zusammenpasst". Das sei "handwerklich keine Meisterleistung", so Raab. Der "größte Klops" für die Union sei die Einführung der Stiefkindadoption. Es gebe bereits das kleine Sorgerecht. Das Kind verliere nun Ansprüche gegenüber dem biologischen Vater, unter anderem im Erbrecht. Das Kind ziehe daraus nicht nur Vorteile, dabei stünde doch das Wohl des Kindes im Vordergrund, sagte Raab. Zudem könnten die Kinder Diskriminierungen aufgrund ihrer Eltern erleiden. "Das sollen dann die Kinder ausbaden?", so Raab.
Für die Grünen sprach der Parlamentarische Geschäftsführer und Vater der Homo-Ehe, Volker Beck. Das sei ein "guter Tag für die Lesben und Schwulen". Dieses Gesetz sei eine gute "Grundlage" für ein Ergänzungsgesetz, dass die Koalition nach diesem in Angriff nehmen wolle. Die Anhörung im Rechtsausschuss habe gezeigt, dass man mit vernünftigen Argumenten nicht gegen das Gesetz ankommt. Zur CDU-Gutachterin Christl R. Vonholdt sagte Beck, sie wolle das Gesetz verhindern, "durch Heilung, durch Wegbeten oder sonstnochwas". Dabei gebe es bei der Gleichberechtigung "kein Übermaß", es ginge hier um fairen Umgang mit Minderheiten und um die Menschenwürde.
FDP: Entwurf kommt zu spät
Jörg van Essen, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sagte, es gebe für Homo-Paare "unglaublich viele Pflichten, aber einen großen Mangel an Rechten". Der Gesetzentwurf der Regierung komme "viel zu spät, aber er ist ein Schritt in die richtige Richtung." Vieles sei noch zu erledigen. "Ich lade Sie ein, stimmen sie unserem Gesetzentwurf zu", denn er sei konsequenter, sagte van Essen. Das hätte auch ein Gutachter der Grünen bestätigt.
Das ließ Volker Beck nicht auf sich sitzen und erbat eine Zwischenfrage. Der FDP-Entwurf sei eine "positive Anregung", aber beziehe sich doch zum Teil auf Gesetze, die es in dieser Form mittlerweile nicht mehr gebe. Van Essen griff den Ball auf: Das zeige doch, wie früh man den Entwurf vorgelegt habe. "Es gibt eine Fraktion im Bundestag, die sich viel intensiver um diese Frage gekümmert hat als die Grünen", so van Essen. Er halte die Stiefkindadoption für "nicht ausreichend". Zum von seiner Partei vorgeschlagenen gemeinsamen Adoptionsrecht sagte er: "Herr Beck, warum haben Sie es nicht durchgesetzt? Sie sind dafür in der Verantwortung." Im übrigen Europa gebe es das teilweise schon, daher überzeuge ihn das Argument von Zypries nicht.
Die SPD-Abgeordnete Christine Lambrecht konterte, man könnte heute schon viel mehr Gerechtigkeit für Homo-Paare haben, wenn die FDP im Jahre 2000 schon so weit gewesen wäre und damals nicht gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz gestimmt hätte. Auf den Hinweis der CDU-Abgeordneten Michaele Noll, eine solche Adoption führe zu einer Stigmatisierung der Kinder, da sie Diskriminierung ausgesetzt seien, die im "krassen Widerspruch zum Kindeswohl" stünde, sagte Lambrecht, die Kinder wüssten damit umzugehen. Schließlich gebe es die Diskriminierung bereits jetzt und habe nichts mit der Adoptionsfrage zu tun.
CDU: Ein trauriger Tag für die Kinder
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Auf die Anmerkung von Christine Lambrecht, eine Adoption sei ausgeschlossen, wenn der leibliche Vater nicht zustimmt, sagte Granold, dass dies kaum vorkomme. Und die Kinder müssten Diskriminierung erleiden, das habe die Regierung selbst bestätigt. "Warum muten Sie den Kindern diesen Stress zu?", fragte sie das Parlament. Es gebe keine zuverlässigen Studien, wonach die Kinder dadurch "keinerlei Schäden" erführen. Vielmehr gebe es in der Tat "Hinweise auf psychische Schäden". Granold rief die Regierung auf, dieses "unsägliche Verfahren" auszusetzen und erstmal eine Langzeitstudie zur Entwicklung der Kinder in Auftrag zu geben.
Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) wandte sich in einer
persönlichen Erklärung gegen die Stiefkindadoption, weil sie
"Türöffner" zu einem vollen Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche
Paare sein könne. Die biologischen Eltern dürften nicht vollständig
aus dem Blickfeld des Kindes verschwinden, begründete sie ihre
Haltung. Sie stimmte dennoch der Reform im Ganzen zu, berichtet dpa. Auch Volker Beck gab - trotz Rede im Bundestag - eine persönliche Erklärung zum FDP-Entwurf zu Protokoll.
Stichtag 1. Januar 2005
Dem Bundesrat liegt der Gesetzentwurf vermutlich am 26. November zur Debatte vor. Er kann das Gesetz nicht verhindern, durch Anrufen des Vermittlungsausschusses jedoch verzögern. Kommt es nicht dazu, könnte das Gesetz zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht wird nicht gerechnet. Nach der Verabschiedung des Überarbeitungsgesetzes will die Regierung ein weiteres Mal ein Ergänzungsgesetz vorlegen, das unter anderem Lebenspartnerschaften im Steuerrecht besser stellen soll. Dieses ist allerdings im Bundesrat zustimmungspflichtig. Ein konkreter Termin für die Vorlegung des Gesetzes ist noch nicht angekündigt.
Der Lesben- und Schwulenverabd (LSVD) in Deutschland bejubelte die Entscheidung. "Das neue Gesetz erfüllt zwar noch nicht alle Wünsche, bringt für eingetragene Lebenspartner aber deutliche Verbesserungen", so LSVD-Sprecher Manfred Bruns am Freitag. Insbesondere die FDP sei aufgefordert, "sich dafür einzusetzen, dass die unionsgeführten Landesregierungen ihre Blockadepolitik aufgeben und das Gesetz zumindest durch Stimmenthaltung passieren lassen". "Danach geht es darum, Mehrheiten für das zustimmungspflichtige Ergänzungsgesetz zu gewinnen, das die Bundesregierung demnächst in den Bundesrat einbringen wird", so Bruns, der das fehlende gemeinsame Adoptionsrecht nicht direkt erwähnte.
29. Oktober 2004, 12.45h











Selbst konnte ich die Debatte im Bundestag leider nicht mitverfolgen, da genau kurz zuvor der Sender Phoenix im Fernsehen das sonst Palamentsfernsehen überträgt, zur Unterzeichnung der europäischen Verfassung nach Rom im Programm wechselte...
Ein historischer Tag also für Europa in Rom und homosexuelle Paare in Berlin...