Ansgar Dittmar im Wahlkampfmodus: Der Schwusos-Chef glaubt fest an einen Sieg der Sozialdemokraten im Herbst (Bild: Schwusos)
Geradezu euphorisch gehen die Lesben und Schwulen in der SPD in den Wahlkampf: Obwohl die SPD in Umfragen schwächelt, glaubt Schwusos-Chef Ansgar Dittmar im Interview, dass die Programmatik Peer Steinbrück ins Kanzleramt spült.
Seit 2008 ist Ansgar Dittmar bereits Vorsitzender der Schwusos. So begeistert wie diese Woche war er aber selten zuvor: Auf dem SPD-Parteitag wurde vor wenigen Tagen das Regierungsprogramm (PDF) beschlossen. Der 116-seitige Text enthält nicht nur das Bild eines händchenhaltenden schwulen Paares auf der Titelseite, sondern im Kapitel "Gleichberechtigung und Gleichstellung verwirklichen" sprechen sich die Sozialdemokraten deutlich wie nie für Homo-Rechte aus. Dittmar erklärt im Gespräch mit queer.de-Redakteur Dennis Klein, wie sich die Partei verändert habe, warum Peer Steinbrück der richtige Kandidat sei und was er von den Lesben und Schwulen in der Union hält.
queer.de: Fühlen Sie sich gut aufgestellt für die Bundestagswahl?
Ansgar Dittmar: Mir macht das gute Laune. Das ist aus LGBTI-Sicht das beste Programm, das die SPD jemals hatte. Da ist die Öffnung der Ehe drin, die Änderung des Grundgesetz-Artikels 3 und der Kampf gegen Homo- und Transphobie. Das Beste war, dass es keinen Streit darüber gab, sondern jetzt ist diese Haltung Parteilinie. Unser Kanzlerkandidat fremdelt auch nicht mit dem Thema, wie er auch beim Grußwort zum ersten Regenbogenfamilienzentrum des Lesben- und Schwulenverbandes gezeigt hat. Auf der Titelseite unseres Regierungsprogramms ist auch ein schwules Paar abgebildet. Das sind ganz klare deutliche Zeichen, die zeigen, was wir wollen. Das freut uns sehr, weil es das Ergebnis eines hervorragenden Entwicklungsprozesses ist, den die SPD durchgemacht hat.
Allerdings werden im Programm manche Themen ausgelassen, etwa die Rehabilitierung der Opfer des Paragrafen 175.
Wir haben dazu Parteitagsbeschlüsse und wollen die Rehabilitierung. Das Problem mit dem Wahlprogramm ist, dass man nicht alles hineinschreiben kann. Ich hätte auch gerne noch etwas zum Thema Bildungspolitik und Aufklärungsprojekte in Schulen im Programm gesehen. Das ist ein Themenbereich, bei dem wir etwas machen wollen und Peer Steinbrück hat hierzu auch klar Stellung bezogen. Eines ist klar: Das ist kein Streitthema in der SPD – das hat Sigmar Gabriel auch bei einer Veranstaltung des LSVD im letzten Jahr deutlich gemacht.
Riesig ist der Rückstand von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf Amtsinhaberin Angela Merkel. Aber der 66-Jährige hat noch ein knappes halbes Jahr Zeit (Bild: nrwspd / flickr / by-nd 2.0)
Aber beim Paragraf 175 hat erst vergangenes Jahr der damalige SPD-Ministerpräsident Kurz Beck eine Rehabilitierung aus juristischen Gründen abgelehnt.
Hier haben wir Schwusos seither viel nachgearbeitet. Von der Parteiführung gibt es hier eine klare Linie: Wir sind für die Rehabilitierung. Das war nicht immer so, aber wir haben die Partei auf Linie gebracht. (lacht)
Wenn man die Umfragen ansieht, wird es für Rot-Grün schwierig und es könnte zur Großen Koalition kommen. Zwischen 2005 und 2009 hat diese Konstellation ja bei weitem nicht so viele Fortschritte erzielt wie Rot-Grün. Ist die SPD für Schwule und Lesben daher wirklich die beste Wahl?
Wir haben auf dem Parteitag – auch durch den Auftritt von Claudia Roth – klar gemacht, dass wir Rot-Grün möchten. Aber auch rückwirkend darf man bei der Großen Koalition nicht vergessen werden, dass wir im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz die Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" gegen die Union durchgesetzt haben. Unsere Justizministerin Brigitte Zypries hat sich sehr dafür eingesetzt. Sie hat auch die Studie zu Regenbogenfamilien in Auftrag gegeben, die uns gegenwärtig enorm in der Argumentation hilft. Aber es ist klar: Die SPD hatte ein ähnliches Problem wie die FDP heute: Die Blockade der Union. Offensichtlich bedarf es regelmäßig des Bundesverfassungsgerichts, das die Bundesregierung zu Fortschritten zwingt. Aber es ist natürlich ein Armutszeugnis, wenn die Politik die Verantwortung in der Gesellschaftspolitik nach Karlsruhe überträgt. Ich weiß nicht, ob die Union sich bewegt.
Sind die Grünen beim Thema Homo-Rechte nicht das Original und die SPD die Kopie?
Es ist schön, wenn auch kleinere Parteien die Gleichstellung fordern. Wichtig ist, dass es eine Volkspartei gibt, mit der es eine gemeinsame Mehrheit gibt. Mit Rot-Grün haben wir eine Chance darauf. Natürlich geht es bei einem Tanker manchmal langsamer zu, aber jetzt sind wir angekommen.
Wenn sich die Umfragen bestätigen sollten und es nur für eine Große Koalition reicht, warum sollte die SPD mehr Erfolg mit der Union haben als die FDP, die sich formal auch für die Gleichstellung einsetzt?
Erst mal: Umfragen sind Umfragen und Wahlergebnisse sind Wahlergebnisse. Wir haben noch rund 150 Tage Zeit, dass unsere Themen und unsere Ansätze zur Verbesserung der Lebenssituation bei den Leuten ankommen. Die SPD ist programmatisch exzellent aufgestellt. Das von uns angestrebte Mehr an "Wir" wird bei den Leuten ankommen.
Die Titelseite des SPD-Wahlprogramms: Schwule, Babys, Geldautomaten... (Bild: SPD)
Wird das Thema Homo-Rechte auch im Wahlkampf eine Rolle spielen?
Wir werden das in geeignetem Maße öffentlich machen und besonders in die Community gehen. Wir haben unseren CSD-Auftritt mit Beteiligung unserer Promis, inklusive unseres Kanzlerkandidaten geplant. Er wird auch die Regenbogenflagge vor dem Willy-Brandt-Haus hissen.
Sie sind ja schon seit fünf Jahren Schwusos-Chef. Hat sich die SPD beim Thema Homo-Rechte in dieser Zeit tatsächlich so viel verändert?
Ja, ganz deutlich. Zu Beginn meiner Amtszeit war das noch ein Randthema, während Regenbogenfamilien heute als Teil des modernen Familienbildes angesehen werden. Die Schwusos sind nun viel sichtbarer, auch weil wir 2011 eine offizielle SPD-Arbeitsgemeinschaft geworden sind. Das hilft uns, Einfluss nehmen zu können. Als wir davor nur ein Arbeitskreis waren, waren alles noch etwas unkoordinierter. Das Thema Homosexualität wird jetzt innerhalb der SPD unverkrampfter gesehen. Wir haben ja jetzt schwule Regierungschefs, Oberbürgermeister in Großstädten wie zuletzt in Mainz und Wiesbaden und die Sexualität war dabei kein großes Thema.
Warum hat die SPD sich so schnell verändert?
Die Partei hat uns besser kennen- und verstehen gelernt. Ein Beispiel: Denken wir nur an die Aussage von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der uns generell als "schrille Minderheit" bezeichnet hat. Sein Bild ist offenbar vom CSD geprägt, wie er in den Medien gern gezeigt wird. Das führt zu einem anderen Blick auf die Gruppe – bei der Union zu einem vorurteilsbehafteten Blick, weil viele denken, wir alle würden immer in bunten Feder-Boas herumlaufen. Wenn Dobrindt rausgehen würde in die Community, würde er feststellen, dass wir gar nicht so eine schrille, bunte Truppe sind, sondern dass es um klassische politische Themen wie die soziale Gerechtigkeit geht. Es geht auch um Nächstenliebe, also um Werte, die in der Union hochgehalten werden. Wir haben in den letzten fünf Jahren gut daran gearbeitet, Vorbehalte abzubauen und das Thema in der SPD zu implementieren.
Tun Ihnen die Kollegen von der LSU leid, die auf Teufel komm raus bürgerlich sein wollen, aber von vielen in der Partei als RTL2-Paradiesvögel angesehen werden?
Ja, ich würde mit dem LSU-Vorsitzenden nicht gerne tauschen wollen, aber ich glaube, dass sich auch dort einiges zum Guten bewegt. Die LSU hat viel Aufbauarbeit geleistet, die ich sehr anerkenne. Dass sich die "Wilden 13" im letzten Jahr für unsere Rechte eingesetzt haben, liegt auch an der LSU. Bei der SPD ist es aber einfacher, die Türen einzurennen, weil die meisten schon offen stehen. Bei der Union sind die Türen noch doppelt verriegelt. Insofern ist die SPD die einzige Volkspartei für Lesben und Schwule.
Youtube | Peer Steinbrück übt sich in Nähe mit der Community: Hier bei einem Grußwort zur Eröffnung von Deutschlands erstem Regenbogenfamilienzentrum in Berlin
Wenn also die AfD den Schwarzgelben ein paar Prozent abnehmen kann, könnte dies das Zünglein an der Waage zu Gunsten der bisherigen Oppositionsparteien sein!