David Berger ist Theologe, Chefredakteur von "Männer" und gefragter Mediengast (Bild: Privat)
Schwule und Lesben sollten nicht länger aushalten müssen, dass man sie öffentlich diffamiert. Das Beispiel Frankreich zeigt gerade, wohin das führt.
Ein Kommentar von David Berger
Dass Worte mächtig sind und Taten provozieren, erleben derzeit Frankreichs Schwule und Lesben hautnah. Seitdem die Gegner der Eheöffnung sprachlich deutlich aufgerüstet haben, andauernd demonstrieren und ihr Anliegen in Talkshows und Nachrichtensendungen bringen, sind die homophoben Übergriffe dort um mehr als 30 Prozent angestiegen. Homo-Aktivisten konstatieren einen direkten Zusammenhang zwischen der aggressiven Sprache der Gleichstellungsgegner und der Zunahme auch körperlicher Gewalt gegen Homosexuelle. Dass der Erzbischof von Paris jüngst davon sprach, dass die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben zu einer "gewalttätigen Gesellschaft" führe, vervollständigt dieses Bild noch auf ganz delikate Weise.
Auch in Deutschland ist das Thema längst angekommen. Und auch hier läuft kaum eine Talkshow zur Homo-Ehe über den Bildschirm, ohne dass ein(e) Quoten-Homophobe(r) dort ein Podium geboten bekommt. So abstrus die homofeindlichen Protagonisten von Martin Lohmann über Katherina Reiche bis Gabriele Kuby bei vielen Zuschauern auch rüber kommen – bei Lanz, Jauch, Plasberg & Co dürfen sie sich vor einem Millionenpublikum ausbreiten. Da werden homosexuelle Menschen als "widernatürlich Unzüchtige" und "Perverse" bezeichnet. Es wird gesagt, sie seien aufgrund ihres Lebensstils "im Irrtum" und gefährdeten den gesellschaftlichen Frieden und Wohlstand, was nur durch einen unangebrachten gesellschaftlichen Hype um das Schwulsein und eine einflussreiche "Homo-Lobby" verdeckt werde.
Meistens ergötzen sich dann die Berufshomophoben der Nation an ihrer eigenen vermeintlichen Toleranz, die so oder ähnlich in dem Motto zum Ausdruck kommt: "Ich habe ja nichts gegen Homosexuelle an und für sich, also als Menschen. Aber dass sie das selbstbewusst ausleben und auch noch Gleichberechtigung fordern, bekämpfe ich mit allen Mitteln." Eine Devise, die in Frankreich in ähnlicher Weise vom Bündnis gegen die Homo-Ehe monoton vorgebetet wird.
Remmidemmi für die Quote
Gabriele Kuby ist häufig im ZDF zu Gast. Kürzlich nahm sie an einer Demonstration gegen die Ehe-Öffnung in Paris teil und wünschte sich "Widerstand" auch in Deutschland
Nun wird jeder, der sich im Mediengeschäft ein wenig auskennt, die Redakteure der Talkshows durchaus verstehen, dass sie solchen Menschen ein öffentliches Forum vor einem Millionenpublikum bieten. Im öden TV-Einerlei des Alles-schon-mal-Gesehenhabens sorgen pointierte Extremmeinungen für Remmidemmi in der Sendung. Auch die inhaltliche Begründung, die ich im Gespräch mit Verantwortlichen immer wieder zu hören bekomme, erscheint auf den ersten Blick plausibel: Der homophobe Talkgast stehe doch nur stellvertretend für jenes geschätzte Drittel unserer Gesellschaft, das ähnliche homophobe Ansichten vertritt. Oder vertreten würde, wäre das gesellschaftlich inzwischen nicht weithin verpönt.
Allerdings stellen Forscher seit Jahren einen ähnlich gefährlichen gesellschaftlichen Bodensatz in Deutschland fest, wenn es um Antisemitismus und Rassismus geht. Man stelle sich nun einmal vor, eine Talkshow würde auch hier beschließen, den gesellschaftlichen Proporz im Hinblick auf latenten Antisemitismus in ihrer Sendung widerzuspiegeln. Das würde etwa bedeuten, dass zu einem Jauch-Talk zur Zukunft des Euro als Gesprächspartner – und damit als ernst genommener Fachmann zum Thema – ein ultra-rechter Hardliner eingeladen wird, etwa ein Chefredakteur einer antisemtischen Internetseite. Und er würde behaupten, er habe zwar nichts gegen Juden, ja er habe sogar einige jüdische Freunde. Aber dass sie sich in der Finanzwelt betätigten und dort gleiche Rechte wie "arische Menschen" forderten, sei ein Ding der Unmöglichkeit und gefährde unseren Wohlstand in eminenter Weise. Dass diesem im öffentlich rechtlichen Fernsehen zur besten Sendezeit ein Podium geboten wird, um dort seine These auszubreiten – undenkbar.
Diffamierung ist keine Meinung
Martin Lohmann durfte im letzten Jahr bei "Hart aber fair" vor einem "homosexuellen Hype" warnen
Der Aufschrei in Politik und Gesellschaft wäre immens. Und das zu Recht. Wo es um Antisemitismus, Frauenrechte und Rassismus geht, hat sich ein Konsens gebildet, der sehr gut zwischen diffamierenden Äußerungen auf der einen und Debattenbeiträgen bzw. Meinungsäußerungen auf der anderen Seite zu unterscheiden weiß. Und ersteren eben kein Podium bietet. Auch wenn der ausufernde Pluralismus des Internets dazu angelegt ist, dafür die Sinne zu trüben: Das klare Nein zu Hassrede bzw. diffamierenden Äußerungen – gerade gegenüber Randgruppen – hat mit der Beschneidung von Meinungsfreiheit schlicht gar nichts zu tun. Vielmehr schützt es diese. Im Bereich der Homophobie besteht in der deutschen Medienlandschaft noch enormer Lernbedarf.
Nach all dem überzeugt auch der immer wieder von den Homophoben vorgebrachte Vorwurf, ihre Kritiker seien intolerant, weil sie die (diskriminierenden) Äußerungen der Homophoben nicht dulden, in keiner Weise. Sie müssten, wie Martin Lohmann die Zuschauer bei "Hart aber fair" wissen ließ, "aushalten, dass man ihnen sagt, sie seien im Irrtum".
Nein, Herr Lohmann, das müssen wir nicht! Ja ich gehe sogar noch weiter: Das wollen, ja das dürfen wir nicht! Eben weil uns der Respekt vor der Würde jedes Menschen, unabhängig von seinem Geschlecht, seiner Hautfarbe oder eben seiner sexuellen Orientierung, unverzichtbar und die Meinungsfreiheit wertvoll ist. Schauen Sie sich das Gesicht von Wilfried de Bruijn an, der vor einigen Tagen in Paris brutal zusammengeschlagen wurde, als er mit seinem Partner Arm in Arm durch die Straßen lief! Schauen Sie ihm ins zerschlagene Gesicht, Herr Lohmann! Vielleicht werden dann Sie und die Ihren verstehen, dass wir dagegen kämpfen, dass man diffamierenden, homofeindlichen Äußerungen ein großes Podium bietet!
Update Reaktionen
Das "katholische Nachrichtenportal" kath.net ist empört über den Kommentar von David Berger und fordert: "Katholiken-Hasser raus aus den Talkshows!".
Der schwule Blogger Steven Milverton fragt "Redeverbot für Kuby & Co.?" und ist aus mehreren Gründen für ein Nein.
Links zum Thema:
» Homepage von David Berger
» David Bergers Bestseller "Der heilige Schein"
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Das werden sie nicht. Es wird nur die These dieses Erzbischofs stärken, dass Gleichberechtigung zu Gewalt in der Gesellschaft führt. Aber sie werden nie verstehen, dass ganz alleine SIE, durch ihre homophoben Hassreden die Auslöser dieser Gewalt sind. Das SIE diesen Hass und diese Aggression in der Gesellschaft überhaupt erst schüren und durch ihre öffentlichen Diffamierungen überhaupt erst zum Aufbruch bringen.
Wie du schon sagst, @David, solche diffamierenden Hassreden wären im Bezug auf Emigranten, Schwarze, Juden, Behinderte, Frauen einfach undenkbar in der Medienwelt. Warum müssen wir das aushalten und uns gefallen lassen?