Sprachverwirrung: Die Regierung liest das Grundgesetz anders als die Opposition (Bild: PPD / flickr / by 2.0)
Nach Ansicht der Bundesregierung muss das Grundgesetz geändert werden, damit auch Schwule und Lesben heiraten dürfen.
Die Bundesregierung hat am Donnerstag erklärt, dass sie den Bundesratsantrag zur Ehe-Öffnung ablehen werde, weil dieser aktuell gegen das Grundgesetz verstoßen würde. In der Stellungnahme schreibt Schwarz-Gelb schlicht: "Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts einer Änderung des Grundgesetzes."
Nach Ansicht von Union und FDP verstößt die Gleichstellung von Schwulen und Lesben im Eherecht gegen Artikel 6, Absatz 1 der Verfassung. Dieser stellt Ehe und Familie "unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung". Viele Konservative argumentieren, dass das Bundesverfassungsgericht 2002 lediglich erlaubt hat, dass die Rechte von eingetragenen Lebenspartnern so ausgebaut werde dürften, dass sie "denen der Ehe gleich oder nahe kommen". Der Gesetzgeber dürfe aber nicht die Ehe verändern, so die Argumentation.
Grüne: Es gibt ein geändertes Ehe-Verständnis
Volker Beck (Grüne) kämpft seit Jahrzehnten für die staatliche Gleichstellung von Homo-Paaren
Dem widersprach der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck am Mittwochnachmittag vehement. Demnach habe sich das Bundesverfassungsgericht nur ein einziges Mal zur Ehe-Öffnung geäußert. Das war 1993, als Karlsruhe keinen "grundlegenden Wandel des Eheverständnisses" in dem Sinne festgestellt habe, "dass der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme".
Allerdings hatte das Gericht die Ehe immer wieder als "Verbindung von Mann und Frau" definiert, gerade auch, um in frühen Urteilen zu erklären, warum eine Lebenspartnerschaft der Ehe nicht schade. Es wird aber allgemein erwartet, dass die Richter eine einfachgesetzliche Ehe-Öffnung akzeptieren würden – da sich das Eheverständnis tatsächlich gewandelt hat und der Wille von Bevölkerung und Gesetzgeber mehr zählen sollte als eine nicht aus der Verfassung selbst hergeleitete Rechtsprechung.
Beck argumentiert: "Heute spricht sowohl die Akzeptanz der Bevölkerung, die internationale Rechtsentwicklung als auch die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe bei Transsexuellen durch das Gericht selbst für ein solches geändertes Eheverständnis". Was in neun westeuropäischen Staaten möglich sei, könne "selbstverständlich" auch in Deutschland gelten.
Beck greift insbesondere die FDP scharf an, die formal die Ehe-Öffnung befürwortet: "Die FDP unterwirft sich der Diskriminierungslogik der Unionsparteien. Damit wird auch deutlich: das Versprechen der FDP zur Öffnung der Ehe ist wertlos, solange die Partei an der Union wie eine Klette kleben bleibt". Mit dieser Aussage habe die FDP ihr eigenes Wahlprogramm "zum Altpapier erklärt".
Für Beobachter der Debatte ist die Argumentation ein Déjà-vu-Erlebnis: Bereits zur Einführung der eingetragenen Partnerschaften haben CDU/CSU und FDP davor gewarnt, dass die Anerkennung von Homo-Paaren verfassungswidrig sei. Auch bei der Frage des Adoptionsrechts hat die Union über Jahre argumentiert, dass eine Gleichstellung gegen das Grundgesetz verstoße. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Monaten ganz anders entschieden: Karlsruhe erklärte im Dezember das Verbot der Sukzessiv-Adoption für verfassungswidrig, weil es sowohl Kinder als auch Eltern diskriminiere (queer.de berichtete). Auch bei anderen Ungleichbehandlungen hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt stets zugunsten von Homo-Paaren entschieden. (dk)
1) Ist die Verfassung keine heilige Kuh und ist für die Menschen da und nicht umgekehrt
2) dient Juristerei oft nur als Mittel der Unterdrückung.
3) geht der Kampf weiter.