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- 11. Mai 2013 5 Min.

Volles Podium im Rathaus Charlottenburg (Bild: Bundesstiftung Magnus Hirschfeld / Sabine Hauf)
Beim Podiumsabend der Hirschfeld-Stiftung steht der CSD alleine mit der Meinung, man müsse die CDU von der Parade des Hauptstadt-Pride ausschließen.
Von Stefan Mey
Freitag, 10. Mai 2013. Um 18 Uhr 30 lädt die Magnus-Hirschfeld-Stiftung ein, um ein Politikum öffentlich zu diskutieren: den Ausschluss der Berliner CDU vom Berliner CSD.
Dieser Ausschluss war nicht basisdemokratisch vom Forum des CSD-Vereins beschlossen worden, sondern vom Vorstands-Team. Fast könnte man meinen, die Zusammensetzung des Podiums wäre eine Antwort auf dieses demokratische Defizit, denn hier sitzen eigentlich alle, die eine Meinung dazu haben könnten.
Insgesamt zwölf Leute haben am langen Tisch auf der Bühne des Festsaals Platz genommen. Jeweils ein Vertreter von SPD, Grüne, Linke, FDP und Piratenpartei ist darunter. Die CDU ist doppelt vertreten, in Form des Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann und des Vorsitzenden der Lesben- und Schwulen-Union LSU. Neben dem Geschäftsführer des Berliner CSD e.V., ist auch der Hamburger und der Kölner Pride auf dem Podium präsent und schließlich noch ein Vertreter des Lesben- und Schwulenverbands LSVD Berlin-Brandenburg. Maximale Diversität könnte man meinen, sieht man von dem Frauenanteil auf dem Podium ab, der mit 25 Prozent mehr als kümmerlich ist.
Die Moderatorin und resolute taz-Chefredakteurin Ines Pohl hat die Aufgabe, das ausladende Podium zum konstruktiven Streiten zu bringen. Zum Warmwerden geht es um das Verhältnis der Podiums-Teilnehmer zum CSD, und dann schließlich um die Kernfrage: Ist es berechtigt, eine Partei vom CSD auszuschließen?
Protest ja, Ausschluss nein

LSU-Chef Alexander Vogt (Bild: Bundesstiftung Magnus Hirschfeld / Sabine Hauf)
Das erstaunliche ist: Obwohl die Mehrheit der Leute auf dem Podium nun wirklich keine Freunde der CDU sind, findet niemand den Ausschluss der Partei so richtig gut. Der Berliner CSD-Mann Robert Kastl, den Pohl am Anfang als "Unruhestifter" vorstellt, genießt seine Rolle als Dissident sichtlich. Bisweilen wirkt es, als ob sich Kastl geradezu diebisch über die Aufregung freut, die die Entscheidung verursacht hat. Und er scheint sich auch über den argumentativen Spagat der anderen zu amüsieren, der ungefähr so lautet: "Rein menschlich kann ich das natürlich verstehen, aber ein Ausschluss einer demokratischen Partei ist natürlich keine Lösung."
So oder so ähnlich sagen das eigentlich alle, mit leichten Nuancen in der Begründung. Der LSU-Mann Alexander Vogt betont, dass er sich selbst immer wieder über die homo-unfreundlichen Entscheidungen der CDU ärgere. Der Ausschluss verschließe der LSU aber innerparteilich Türen und treffe somit die falschen. Anja Kofbinger, Abgeordnete der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, versteht die Motive für den Ausschluss, sei aber trotzdem dagegen. Vor allem kritisiert sie, dass die Entscheidung im Vorstand und nicht im Forum getroffen wurde: "Ansonsten wird jeder Halbsatz und jedes Komma auf dem CSD-Forum entschieden." Der Berliner Linkenchef Klaus Lederer findet es unerträglich, was manche CDU-Politiker öffentlich verlautbaren. Er erinnert sich aber daran, dass auch seine Partei Ausgrenzungserfahrungen kennt, gerade deswegen wolle er nicht selbst ausgrenzen.
Ein unpassender Vergleich, ein Abgang
Später lockert Lederer die Stimmung durch etwas auf, das man normalerweise einen Eklat nennen würde: Er redet sich plötzlich in Rage, weil sich die CDU als Opfer stilisiere – und verlässt unter Protest den Saal. Der pathetische Auftritt verfehlt aber größtenteils seine Wirkung. Ungläubige Blicke auf dem Podium, im Publikum ruft einer: "Ist ja peinlich." Ein anderer erwidert: "Gar nicht."
Auf Facebook wird Lederer später schreiben, dass das "die vielleicht groteskeste Podiumsteilnahme seines bisherigen Lebens" gewesen sei. Besonders habe er sich über eine unpassende Äußerung des FDP-Manns Ralf Fröhlich geärgert. Der hatte sich zu einer gewagten historischen Analogie hinreißen lassen und in Anspielung an die Bücherverbrennung der Nazis vor exakt 80 Jahren sinniert: "Hier soll zwischen guten und schlechten Mitgliedern einer Partei unterschieden werden. Wir haben den Jahrestag der Bücherverbrennung. Da wurde auch zwischen schlechten und guten Büchern unterschieden." Das Publikum beantwortet das mit Buhrufen. Der liberale Jungpolitiker hat an diesem Abend wohl eine entscheidende Lektion gelernt: Wenn man eh schon in einer schwachen Position ist, sollte man Vergleiche mit dem Dritten Reich tunlichst vermeiden.
Bedenken oder PR?

Moderatorin Ines Pohl und CSD-Veranstalter Robert Kastl (Bild: Bundesstiftung Magnus Hirschfeld /Sabine Hauf)
Das eigentliche Enfant terrible des Abends ist und bleibt aber der Berliner CSD-Mann Kastl. Eine geradezu kindliche Freude huscht immer dann über sein Gesicht, wenn er seine steilen Thesen zur Verfassungsfeindlichkeit der CDU vorträgt. "Wenn der Boden des Grundgesetzes verlassen wird, sprechen wir natürlich einen Ausschluss aus." Und genau diesen Boden habe die CDU eindeutig verlassen, was das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zur Gleichstellung von Schwulen und Lesben mehrfach bezeugt habe.
Schwer zu sagen, ob Kastl und der Vorstand des Berliner CSDs den Ausschluss der Berliner CDU tatsächlich durchziehen oder einfach durch einen kalkulierten Tabubruch eine Debatte anstoßen wollten. Jörg Kalitowitsch vom ColognePride meint anerkennend: Wenn es eine PR-Strategie ist, sei sie gut, denn sie habe eine wichtige öffentliche Debatte in Gang gebracht.
Weiter Gespräche mit der CDU
Am Ende bittet die Moderatorin alle Teilnehmer um ein Fazit. Die Aussagen ähneln denen der Eingangsrunde: Klar sei es nicht schön, was die Bundes-CDU macht, aber der Ausschluss einer demokratischen Partei müsse doch nicht sein. Robert Kastl sagt zum Abschluss, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Natürlich befinde man sich mit der Berliner CDU in Verhandlungen.
Diese müsse zeigen, dass sie hinter der LSU steht und öffentlich sichtbar auf die Bundespartei einwirkt. "Wenn das bald kommt, können wir über eine Teilnahme reden. Es muss aber ein deutliches Zeichen geben, nicht nur Sonntagsreden", so Kastl. Bei der Berliner CDU sehe er schon Bewegung. Mit anderen Worten: Vermutlich war das nicht die letzte Diskussionsrunde ihrer Art.














