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  • 15. Mai 2013 19 4 Min.

Wird der Bundestag 50.000 Urteile gegen Männer aufheben, die sich außer einvernehmlichem Sex nichts zuschulden kommen ließen? (Bild: Herman / flickr / by-sa 2.0)

In einem Ausschuss des Bundestags wird über die 50.000 Männer debattiert, die nach 1945 in Deutschland wegen Homosexualität verurteilt worden sind. Können rechtsstaatlich zustande gekommene Urteile aufgehoben werden?

Von Dennis Klein

Am Mittwochnachmittag debattieren Experten in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses Meinungen zur Rehabilitierung von nach 1945 verurteilten Homosexuellen. Es geht insbesondere um Verurteilungen bis 1969, als in Westdeutschland noch der von den Nazis verschärfte Paragraf 175 galt. Dieser war 1957 sogar vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzkonform geadelt worden und wurde erst 1994 restlos abgeschafft. Heute gelten noch 50.000 Männer in Deutschland als zurecht wegen einer homosexuellen Handlung verurteilt.

Die Grünen und die Linke haben beantragt, diese Urteile generell aufzuheben. Bei der letzten Abstimmung im Bundestag lehnte die schwarz-gelbe Regierung allerdings diesen Schritt aus verfassungsrechtlichen Bedenken ab (queer.de berichtete). Inzwischen machen Aktivisten und der Bundesrat Druck: Die Länderkammer hat im Oktober letzten Jahres einen Antrag angenommen, in dem die Rehabilitierung gefordert wird (queer.de berichtete). Außerdem fordert die Regierungspartei FDP in ihrem Wahlprogramm die Rehabilitierung von "Opfern staatlicher Diskriminierung" (queer.de berichtete). Auch die CDU der Stadt Berlin kämpft inzwischen für die Aufhebung der Urteile.

Der Deutsche Bundestag hatte bereits im Jahr 2000 in einer einstimmig angenommen Resolution deutlich gemacht, dass die Verfolgung gleichgeschlechtlicher Beziehungen gegen die Europäische Menschenrechtscharta und nach heutigem Verständnis auch gegen das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes verstoßen hat. Allerdings haben Juristen rechtliche Bedenken, in einer Demokratie gefällte Urteile ohne Einzelfallprüfung generell für ungültig zu erklären. Bei der Anhörung werden acht Experten gehört, die bereits vorher Stellungnahmen zum Thema abgegeben haben.

Homo-Verfolgung war "Zeitgeist"

Die Gegner der Rehablitierung argumentieren, dass die Gesetze gegen Homosexuelle in der Bundesrepublik rechtsstaatlich zustande gekommen seien und nicht willkürlich im Nachhinein geändert werden dürften. So behauptet Professor Kyrill-Alexander Schwarz von der Uni Würzburg, dass die Strafgesetze "auch den gesellschaftlichen Konsens der jeweiligen Zeit widerspiegeln" und "Ausdruck eines bestimmten Zeitgeistes" seien.

Aufgrund der Gewaltenteilung und Rechtssicherheit dürften rechtmäßig zustande gekommene Urteile nicht generell aufgehoben werden, sondern allenfalls in Einzelfallentscheidungen – anders als etwa Urteile aus "Unrechtsinstitutionen" in Nazi-Deutschland und der DDR. Der Jurist Klaus F. Gärditz von der Uni Bonn ergänzte, die Anträge der Linken und Grünen würden "Organe der Rechtsprechung unangemessen diskreditieren".

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Demokratisch zerstörter Lebensplan

Dem widerspricht Rechtssoziologe Rüdiger Lautmann von der Uni Bremen vehement. Eine Rehabilitierung durch den Bundestag würde die Unabhängigkeit der Justiz nicht einschränken: "Kein Richter, der eines der Urteile nach § 175 StGB zwischen 1949 und 1969/1973 unterzeichnet hat, amtiert heute noch. Die geplante Urteilsrevision attackiert keinen Richter, weder einzeln noch als Stand".

Zudem unterscheide sich das Homo-Verbot erheblich von anderen Gesetzen, die aus heutiger Sicht unverständlich erscheinen und würde daher nicht zu einer Fülle von Eingriffen in die Justiz führen: "Für Täter/innen der Kuppelei, Pornographie, Prostitution und Abtreibung bedeutete die Strafe ein Gelegenheitsvorkommnis, äußerlich zu ihrer Person und marginal in ihrer Biographie. Für die Täter der Homosexualität bedeutete die Strafe die Negation eines zentralen Persönlichkeitsmerkmals ('sexuelle Identität') und zugleich meistens die Zerstörung ihres Lebensplans ('bürgerlicher Tod')".

Manfred Bruns, früherer Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof und LSVD-Aktivist, weist auch darauf hin, dass die wichtigsten Gerichte in den letzten Jahrzehnten entschieden hätten, dass Homosexuellenverfolgung immer gegen das Diskriminierungsverbot und die Grundrechte verstoßen habe. So habe das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung von 1957 inzwischen "stillschweigend kassiert". Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe seit Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wiederholt entschieden, "dass Strafgesetze, die einverständliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen für strafbar erklären, das in Art. 8 EMRK [Europäische Menschenrechtskonvention] garantierte Recht auf Achtung des Privatlebens verletzen". Damit stehe fest, "dass sämtliche Verurteilungen aufgrund der verschiedenen Fassungen des § 175 StGB gegen die EMRK verstoßen".

Der Lesben- und Schwulenverband fordert daher die Bundesregierung auf, rasch einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Zudem kritisiert sie einige der Experten, die nach wie vor die Verurteilung für rechtens halten: "Die Bagatellisierung der Verfolgung durch einzelne Sachverständige ist zynisch", so LSVD-Sprecher Axel Hochrein. Es gehe hier lediglich um "Wiederherstellung des Rechtes" nach "kollektivem Versagen".

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#1 Stretchingmaster
  • 15.05.2013, 15:53hEssen / Holsterhausen
  • Der Staat hat damals Fehler gemacht indem er Homosexuelle zu Unrecht verurteilt hat. Jetzt muss er auch dafür gerade stehen und eingestehen das er Fehler gemacht hat.

    Aber wir kennen das ja. Es wird garantiert noch so lange rausgezögert bis niemand mehr aus der Zeit lebt.
    Dann können die das ja einfach weiter laufen lassen.

    Die Verurteilungen nach dem § 175 waren niemals, zu keiner Zeit, rechtens.
    Also müssen diese Urteile ungesehen revidiert werden.
    Und wer sich dadurch auf den Schlips getreten fühlt, dem ist eh nicht mehr zu Helfen.

    Schönen Tag noch
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#2 FoXXXynessEhemaliges Profil
  • 15.05.2013, 17:44h
  • Das Thema könnte schon durch sein, aber es sind wieder mal viele wertvolle Jahre verpennt worden!
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#3 antifaschistAnonym
  • 15.05.2013, 18:07h
  • Rechtsstaatlich, wenn ich das schon höre wird mir schlecht. Denn Leider wird in dem so genannten Rechtsstaat BRD allzuoft auf Promibonus gebaut und unterschieden ob Täter Reich oder Arm, Homo- oder Hetero sind. Und viel öfters werden Linke, antifaschistische Menschen verurteilt bzw kriminalisiert und rechtsextremistische schwerstkriminelle laufen gelassen.

    Sorry, Leutz, die urteile werden solange bestand haben bis auch der letzte Gestorben ist, denn so lange rechte Parteien wie CDU/CSU und FDP regieren (Was sie ja auch nicht wirklich tun) wird sich in diesem Land nie etwas ändern!
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