Vor der Duma und dem Rathaus in Moskau wurden 31 LGBT-Aktivisten verhaftet, einige Stunden später am Gorki-Park sieben.
In Moskau wurden am Samstag bei drei Protesten fast 40 LGBT-Aktivisten verhaftet – und teilweise verprügelt. In Kiew verlief der Marsch für Gleichberechtigung trotz Verbots und heftiger Gegenproteste weitgehend friedlich.
Die Meldungen aus Moskau und Kiew fasst Norbert Blech zusammen.
Live-Ticker (abgeschlossen, chronologisch)
Die Zusammenfassung des Tages:
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew hielten rund 150 LGBT-Aktivisten, darunter eine Delegation aus München, den ersten CSD ab. Er war im Vorfeld aus Sicherheitsbedenken verboten worden. Die Polizei sicherte trotzdem mit einem Großaufgebot die Veranstaltung und konnte rund 1.000 gewaltbereite, von orthodoxen Priestern aufgehetzte Gegendemonstranten von Angriffen auf den "Marsch für Gleichberechtigung" abhalten. Elf Nationalisten wurden verhaftet.
Bei LGBT-Protesten in der russischen Haupstadt Moskau wurden ebenfalls Gegendemonstranten verhaftet, allerdings hauptsächlich LGBT-Aktivisten. 31 Schwule und Lesben wurden zum CSD der Gruppe Gay Russia an der Staatsduma und am Rathaus festgenommen, acht weitere Homo-Aktivisten später bei einem Protest der "Rainbow Association" am Eingang des Gorki Parks. Die frisch eröffnete "Speaker's Corner", die keine Demonstrationsanmeldung vorsieht, war am Tag vorher wegen "Renovierungen" geschlossen worden. Auch Proteste von Einzelpersonen, zu denen es dann kam, sind grundsätzlich erlaubt, die Polizei nahm trotzdem einen Teil der Aktivisten fest, während sie Personen, die die Aktivisten attackierten, unbehelligt ließ. Ein Mann erlitt dabei Prellungen, eine Frau durch Tränengas Verletzungen im Auge.
Man kann den Tag aber auch anders erzählen:

Pride ist... ein Zeichen zu setzen.

Liebe ist... nicht loszulassen.

Inzwischen sind alle Festgenommenen wieder frei.
Darunter Yaroslav und Pavel.
Aufregung im Äther und Netz: Der Moskauer CSD-Organisator Nikolai Aleksejew hat eben im Interview mit "Echo Moskau" offenbar mehrere Prominente geoutet: Den früheren Handelsminister German Oskarowitsch Gref, den früheren russischen Vizeministerpräsident Wjatscheslaw Wiktorowitsch Wolodin, der heute stellv. Leiter der russischen Präsidialverwaltung ist, und den Direktor des Flughafens Moskau-Scheremetjewo. Allgemein dürfte das von russischen Medien ignoriert werden.
Ein weiteres Video, das alle drei Proteste in Moskau zeigt:
Der junge Mann, der gegen Ende verprügelt und anders als seine Attackierer von der Polizei abgeführt wird, durfte später seine Zelle verlassen und mit Prellungen der Rippe von einem Krankenwagen in ein Hospital gebracht werden. Sein Handy wurde zuvor konfisziert.
Auch eine Aktivistin, der Gegendemonstranten Tränengas in die Augen gesprüht hatten, durfte frühzeitig mit Freundin das Revier verlassen.
Elena Kostyuchenko twittert gerade dieses Foto von der Polizeistation, in der noch Aktivisten festgehalten werden. Es zeigt weiße Solidaritätsschleifen.

Kostyuchenko war am Nachmittag festgenommen und auf eine andere Polizeistation gebracht worden. Wie viele andere hat sie sich nun vor dieser eingefunden. Die in Russland sehr bekannte Journalistin der Novaya Gazeta hatte sich vor zwei Jahren zum CSD in Moskau geoutet und war bei ihrer ersten Teilnahme schwer verletzt worden – ein orthodoxer Aktivist hatte mit einer Kamera auf die eingeschlagen.
Bis zu 25 russische LGBT-Aktivisten, die vor fast sieben Stunden vor der Staatsduma protestiert haben, befinden sich noch immer auf einer Polizeistation und haben mittlerweile anwaltlichen Beistand. Aktivisten vom Protest vor dem Rathaus eine halbe Stunde später, die auf einer anderen Polizeistation landeten, sind schon länger auf freiem Fuß.
Die LGBT-Aktivisten, die vor rund drei Stunden im Gorki-Park festgenommen wurden, sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Ein Aktivist wird wegen der Durchführung einer nicht genehmigten Demonstration angeklagt, ihm droht eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit.
Mehr Infos zum CSD in Kiew in einem deutschsprachigen Augenzeugenbericht von Thomas vom Candy Club. Ein Ausschnitt:
Wir marschieren weiter. Plötzlich knallt es rechts von uns. Anscheinend kommen einzelne aus dem Mob jetzt näher und werfen Knallkörper.

Eine Pressemitteilung vom Münchner CSD, der heute mit einer Delegation in Kiew mit dabei war:
Tausende gehen in der bayerischen Landeshauptstadt Jahr für Jahr auf die Straße, um unter wechselnden Motti für ihre Rechte einzustehen. Die Politparade in München ist gleichzeitig ein Fest der Vielfalt, das Leben ist bunt. In Kiew mussten am Samstag, 25. Mai, 500 Polizisten über 100 Teilnehmer vor etwa 1000 gewaltbereiten Gegendemonstrant*innen schützen. Rechts ein Zaun, links ein Riegel aus Dutzenden Polizeibussen, Zu- und Abgänge von der Polizei gesichert; freier Zugang für die Presse. Gefährlich, und doch ein Grund zur Freude: Denn der KyivPride, so der Name des Kiewer "CSD", ist in diesem Jahr erstmals gelungen. Die Stadt Kiew hat alle Kräfte mobilisiert, die dafür nötig waren.

Die Stadt München hat das ihre dazugetan. Mit einer 17-köpfigen Delegation sind die Vertreter*innen der Partnerstadt Kiews angereist. Bürgermeister Hep Monatzeder, Stadträtin Lydia Dietrich, Stadtrat Dr. Reinhard Bauer, Vertreter*innen der Münchner Lesben-, Schwulen- und Trans-Szene (CSD, GOC, Kontaktgruppe Munich Kiev Queer, Lesbenfrühlingstreffen, MLC, Sub), Journalisten – sie alle sind am Morgen des 25. Mai an der Spitze der Pride-Parade mitgelaufen und haben mit allen anderen – der March of Equality hatte über 100 Teilnehmer*innen – friedlich für gleiche Rechte demonstriert. Die Motti: "LGBT-Rechte sind Menschenrechte", "Homosexualität ist keine Krankheit", "Wir folgen Russlands Fehler nicht". Die Münchnerinnen und Münchner haben ihr eigenes Transparent mitgebracht. Auf dem Banner grüßte das Maskottchen "MucKi" (Munich-Kiev) die Partnerstadt Kiew.

"In München ist der CSD jedes Jahr ein Fest der Vielfalt und Anlass zur Freude", hat Bürgermeister Monatzeder in einem der Interviews gesagt, das er während der Parade etlichen ukrainischen Medien gegeben hat. Die Sicherheitskräfte hatten die Lage jederzeit unter Kontrolle. Vertreter*innen einiger EU-Botschaften, darunter auch der deutschen und des EU-Parlaments, haben an dem "March of Equality" für Menschenrechte teilgenommen. Sicher rührt auch daher der politische Wille der Stadt, die Veranstaltung zu schützen. Die Ukraine will im Herbst ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen und kann negative Schlagzeilen im Moment nicht gebrauchen. Nur zweimal ist es Leuten aus der Reihe der vielen Hundert Gegendemonstrant*innen – Rechtsgerichtete und Kirchen-Anhänger – gelungen, die Polizeisperre zu durchbrechen. Sie haben versucht, den Demonstrierenden die Transparente aus den Händen zu reißen. Die Polizei hat sie sofort festgenommen.

Das große Verdienst dieses Erfolgs gebührt aber allein den Organisator*innen des KyivPride, die gegen viele Widerstände über knapp ein Jahr diese Menschenrechtsaktion geplant und dafür die ideelle und finanzielle Unterstützung etlicher Partner gesucht haben. Erst am Donnerstag hatte ein Gericht auf Antrag der Kiewer Stadtverwaltung den Pride in der Innenstadt verboten – vermeintlich aus Sicherheitsgründen, weil am selben Tag das Stadtfest stattfand. Die Pride-Macher, verschiedene LGBT-Aktivist*innen zusammen mit Amnesty International, haben ihren Demonstrationszug kurzerhand verlegt und mit der Polizei ein neues Sicherheitskonzept erarbeitet. "Das verdient unseren ganzen Respekt", sagt Conrad Breyer, der die Pride-Kooperation mit Kiew auf Seiten der CSD München GmbH verantwortet. "Unsere Freundinnen und Freunde aus München haben uns den Rücken gestärkt", sagt Stanislaw Mischtschenko, International Secretary des KyivPride. "Das hat uns wirklich genützt."

Laut offiziellen Angaben wurden im Gorki-Park sieben Aktivisten festgenommen.
Die ersten Video-Aufnahmen aus dem Gorki-Park (ab der zweiten Hälfte des Videos) zeigen, wie Nationalisten auf einen LGBT-Aktivisten einschlagen und dieser dann verhaftet wird.

Es zeigt auch die Festnahme des jungen Schwulen aus den Bildern weiter unten und weitere Schlägereien.
Die Russen und Ukrainer haben halt nicht nur eine Tradition der Repression. Dazwischen gab es eben immer auch Revolutionen.