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  • 10. Juni 2013 24 5 Min.

Auch am Dienstag wollen sich Schwule und Lesben vor der Staatsduma in Moskau küssen – als vermutlich letzten Protest vor der Verabschiedung des Gesetzes gegen "Homo-Propaganda"

Voraussichtlich am Dienstag wird die Staatsduma ein Gesetz beschließen, das das Werben für Homosexualität landesweit unter Strafe stellt. Erstmals ist auch eine Haftstrafe vorgesehen – für Ausländer.

Von Norbert Blech

All die Proteste weltweit, all die diplomatischen Bemühungen scheinen nicht geholfen zu haben: Die russische Staatsduma wird wahrscheinlich am Dienstag in zweiter und dritter Lesung für ein Gesetz stimmen, das die Rechte der Bürger wie der Presse einschränkt und zu mehr Homophobie in der Bevölkerung führen wird.

Der im Vergleich zur ersten Lesung umgeschriebene Entwurf, geradezu im Geheimen und ohne Einbeziehung betroffener Gruppen von den Initiatoren im Schnellverfahren in die Duma eingebracht, erwähnt nicht einmal den Begriff Homosexualität. Verboten werden soll Werbung für "nicht traditionelle sexuelle Verhältnisse" unter Minderjährigen wie auch Informationen, die die "verzerrte Darstellung der sozialen Gleichstellung von traditionellen und nicht traditionellen Verhältnisse" prägen oder ein Interesse daran wecken.

Die Strafe für einen Verstoß gegen den weit auslegbaren Gummiparagrafen soll etwa 100 bis 120 Euro (4.000 bis 5.000 Rubel) für Privatpersonen, das zehnfache für Beamte und 12.000 bis 25.000 Euro für Organisationen betragen. Außerdem müssten die bestraften Organisationen 90 Tage lang ihre Arbeit ruhen lassen. Findet die "Propaganda" unter "Nutzung von Medien" oder dem Internet statt, erhöhen sich die Geldstrafen noch einmal deutlich. Auch Medien können mit Geldstrafen und zeitweiser Stilllegung bestraft werden.

Nach der aktuellen Version des Gesetzentwurfes sollen zudem Ausländer und Staatenlose mit einer Strafe belegt werden können. Zusätzlich zu einem Bußgeld können sie aus Russland ausgewiesen oder sogar für 15 Tage inhaftiert werden.

Webseitensperrung droht


Der Gesetzentwurf, der am Dienstag zur Debatte steht und sofort nach Veröffentlichung in Kraft tritt. GayRussia-Aktivist Nikolai Aleksejew hat bereits eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angekündigt.

Diese Strafen werden im neuen "Abschnitt 6.21" des Jugendschutzgesetzes untergebracht. Zudem wird an anderer Stelle des Gesetzes festgelegt, dass "Propaganda über nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen" die Gesundheit und Entwicklung von Kindern beeinträchtigen könnten. Der Punkt "Propaganda" soll dabei in einer längeren Liste direkt auf den Punkt Pornografie folgen und kann dazu führen, dass LGBT-Seiten auf einer "Schwarzen Liste" der Regierung landen. Darin – ohne Gerichtsbeschluss – aufgenommene Seiten müssen von Providern gelöscht oder ggf. blockiert werden.

"Die Propaganda von Homosexualität schränkt das Recht von Kindern auf freie Entwicklung ein", hatte Jelena Misulina, die Vorsitzende des Komitees für Familie und Jugend der russischen Staatsduma und Initiatorin des Gesetzes, zur Begründung für diese Regelungen angeführt. Denn Minderjährige bekämen "sexuelle Präferenzen aufgebürdet", bevor sie reif genug wären, sich damit auseinanderzusetzen. Das Gesetz schütze auch vor einem angeblich zunehmenden Missbrauch von Jungen.

Bereits am 25. Januar hatte eine große Mehrheit der Duma in erster Lesung für den Gesetzentwurf gestimmt (queer.de berichtete). Vor dem Parlament wurden rund 20 LGBT-Aktivisten bei einem Protest verhaftet. Das droht nun auch am Dienstag: LGBT-Aktivisten haben für 12 Uhr Ortszeit zu einem "Tag der Küsse" vor dem Parlament aufgerufen, Befürworter des Gesetzes haben sich ebenfalls angekündigt. Auch in anderen Städten soll es Demonstrationen geben.

Strafe für LGBT-Filmfestival


Ein Massen-Coming-out im Magazin "Afisha" sorgte für eine Entlassung – demnächst könnte es auch für das Magazin Probleme bringen

Auch ansonsten reißen die schlechten Nachrichten aus Russland nicht ab: So wurde in der letzten Woche das St. Petersburger LGBT-Filmfestival "Side by side" in zweiter Gerichtsverhandlung als "ausländischer Agent" eingestuft und zu einer Geldbuße in Höhe von 12.000 Euro verurteilt – man will nun in die nächste Instanz gehen.

Alle "politisch aktiven" Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, müssen sich seit einem umstrittenen Gesetzentwurf aus dem letzten Jahr als "ausländische Agenten" registrieren lassen. Mitte März wurden zur Gängelung Razzien bei zahlreichen NGOs im Land durchgeführt, darunter auch bei der LGBT-Gruppe "Coming Out" und dem Anti­diskriminierungsprojekt "Memorial". Die zweite Verhandlung für "Coming Out" ist für den Dienstag angesetzt.

In der letzten Woche hatte ferner der russische Präsident Wladimir Putin angekündigt, ein geplantes Gesetz zu unterschreiben, das die Adoption russischer Kinder durch gleich­geschlechtliche Paare im Ausland verbietet. Auf einer Pressekonferenz sagte Putin zudem, es gäbe in Russland keine Diskriminierung von Schwulen und Lesben: "Ich denke, dass unsere Gesetzgebung in dieser Hinsicht durchaus liberal ist, es gibt keine Diskriminierung. Menschen mit allen möglichen Vorlieben arbeiten bei uns, machen Karriere."

Passend dazu wurde in der letzten Woche bekannt, dass ein Mitarbeiter der Moskauer Stadtverwaltung entlassen wurde, nachdem er sich im Print-Magazin "Afisha" geoutet hatte (queer.de berichtete). In der gleichen Woche hat die Stadt Kostroma, in der es bereits ein Gesetz gegen "Homo-Propaganda" gibt, erneut eine CSD-Demonstration verboten – der GayRussia-Aktivist Nikolai Aleksejew wurde eigenen Angaben zufolge nach einem Besuch im Rathaus am Bahnhof von vier maskierten Männern überfallen und mit Eiern beworfen.

Begonnen hatte die letzte Woche mit der Meldung über einen erneuten offenbar homophob motivierten Mord an einem schwulen Mann auf der Halbinsel Kamtschatka (queer.de berichtete). Allgemein sorgen sich Aktivisten, dass die Debatte über "Homo-Propaganda" zu mehr Vorurteilen und Gewalt gegenüber Schwulen und Lesben führt.

 Update  14.50h: Reaktion von Volker Beck
"Mit dem Gesetz bekommt die staatliche Homo­sexuellenverfolgung in Russland eine neue Qualität", kommentierte Volker Beck das Gesetzesvorhaben am Montag. "Mit dem Schweigen Merkels zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Unterdrückung von Lesben, Schwulen und Trans­sexuellen in Russland muss jetzt Schluss sein. Westerwelle muss den russischen Botschafter einbestellen." Auch müsse vor Russlandreisen offiziell gewarnt werden. Beck kritisierte das Gesetz als "massive Verletzung von Meinungs-, Presse-, Kunst- und Versammlungsfreiheit": "Damit nimmt die Verfolgung von Minderheiten in Russland eine neue Dimension an. Russland begibt sich damit auf dem Weg ins finsterste Mittelalter. Sollte dieses Gesetz Wirklichkeit werden, kann das nicht ohne Konsequenzen für die europäisch-russischen Beziehungen bleiben."

#1 FoXXXynessEhemaliges Profil
#2 DerChristophAnonym
#3 TimonAnonym
  • 10.06.2013, 13:22h

  • Und unser Außenminister Guido Westerwelle schweigt weiterhin.
  • Direktlink »

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