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Podiumsdiskussion "Ehe für alle jetzt!"
SPD verspricht Ehe-Öffnung innerhalb eines Jahres
- 13. Juni 2013 5 Min.

Auf dem Podium (v.l.n.r.): Bernd Schlömer (Piraten), Michael Kauch (FDP), Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Moderator Axel Hochrein (LSVD), Thomas Oppermann (SPD), Gerhard Schlick (Grüne) und Caren Lay (Linke) (Bild: LSVD/Caro Kadatz)
Am Mittwochabend lud das Bündnis "Keine halben Sachen" zu einer Podiumsdiskussion mit hochrangigen Parteienvertretern nach Berlin. Schwarz-Gelb präsentierte sich entwaffnend freundlich.
Von Stefan Mey
Das vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) initierte Bündnis "Keine halben Sachen" und die Gewerkschaft Ver.di haben Politiker aller Parteien zu einer öffentlichen Diskussion zum Thema "Ehe für alle jetzt!" eingeladen. Öffentliche Diskussionen mit Politikern haben ein Problem: dort sitzen routinierte Podiumsgäste. Sie können reden, auch wenn sie nichts sagen wollen. Und sie sind es sind es gewohnt, Theater zu spielen. Dem konfrontativen Schlagabtausch vor dem Publikum folgt oft ein harmonischer Umgang hinter der Bühne. Die Aussagekraft ist deswegen in der Regel bescheiden.
Das Podium
Diskussionen zu Homo-Themen haben noch ein weiteres Problem. Dort sitzen meistens eigentlich die falschen Leute, nicht die konservativen Hardliner wie die ruppige Erika Steinbach oder der spröde Volker Kauder. Stattdessen sind für die schwarz-gelbe Koalition auf dem Podium: der offen schwule Michael Kauch von der FDP, der von seiner eigenen Regenbogenfamilie erzählt, und Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU. Sie gehört zu den "Wilden 13" und ist geradezu entwaffnend freundlich. Beide taugen nicht so richtig als Sparring-Partner und noch weniger als klares Feindbild.
Die Opposition ist mit Thomas Oppermann vertreten, als Parlamentarischer Geschäftsführer ein Schwergewicht der SPD. Caren Lay ist eine der acht Spitzenkandidaten der Linken. Für die Grünen war Parteichefin Claudia Roth angekündigt, die politische Schwulenmutti der Nation. Sie sei "durch Umstellung der Tagesordnung im Bundestag leider unabkömmlich", wie der Moderator erklärt. Ihre Vertretung ist Gerhard Schick, schwul, katholisch und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion. Für die noch außerparlamentarischen Piraten sitzt mit dem Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer der ranghöchste Vertreter auf dem Podium. Der Moderator und LSVD-Bundesvorstand Axel Hochrein hat eine natürliche Autorität und wirkt zutiefst seriös, ein bisschen wie ein Versicherungsvertreter. Hochrein hat ein ambitioniertes Programm, das er straff durchzieht.
Was folgt aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts?

Zieht sein ambitioniertes Programm straff durch: Moderator und LSVD-Bundesvorstand Axel Hochrein (Mitte) (Bild: LSVD/Caro Kadatz)
Los geht's mit dem ersten Thema: den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Am 6. Juni hat das mächtigste politische Gremium der unwilligen Bundesregierung mal wieder Hausaufgaben in puncto Gleichstellung gegeben. Diesmal ging es um das Ehegattensplitting.
Hochrein fragt, was jetzt konkret passieren wird. Winkelmeier-Becker meint, nachdem die Grundsatz-Entscheidung stehe, gehe es an das Handwerkliche. "Ich werde mich dafür einsetzen, dass die wesentlichen Punkte umgesetzt werden. Die Angleichung der vielen damit verbundenen Gesetze verschieben wir aber lieber auf die nächste Wahlperiode." Der Grüne Gerhard Schick glaubt nicht, dass das alles so langwierig sein muss. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht System hat. Im verantwortlichen Finanzministerium arbeiten nicht nur drei Leute." Oppermann stellt in Aussicht, dass seine Partei noch vor Ablauf eines Jahres die gleich- und die gegengeschlechtliche Ehe als gleichberechtigt im Bürgerlichen Gesetzbuch verankern würde. Das war wohl die konkreteste Aussage des Abends.
Die Linke Caren Lay erinnert an eigene Forderungen zur kompletten Öffnung der Ehe. Das wäre der erste Schritt. Im zweiten Schritt solle man aber über die Ehe hinaus denken, die nicht für alle Schwulen und Lesben die Lebensform ihrer Wahl sei. Der Pirat Schlömer stimmt ihr zu. Eine steuerliche Begünstigung sollte für alle Lebensmodelle dann gelten, wenn sie zwei Kriterien erfüllten: wenn es dort um das Aufziehen von Kindern geht und wenn Menschen generell füreinander da sind. Und auch Kauch plädiert als mittelfristiges Ziel für eine Öffnung der Ehe: "Ich will nicht immer gleich meine sexuelle Orientierung mitteilen, wenn ich meine Familienstand angebe. Das geht die Dame von der Sparkasse ganz einfach nichts an."
Es folgt ein amüsanter Schlagabtausch zwischen Oppermann und Kauch. "Das alles wird nicht passieren, wenn Schwarz-Gelb weiter regiert." Kauch erwidert, dass die meisten Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht noch aus Zeiten der Großen Koalition stammen. "Ihr habt es auch nicht besser hinbekommen." Oppermann verweist darauf, dass Rot-Grün mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz im Jahr 2001 die Grundlage für alle weiteren Entwicklungen gelegt habe. "Wir haben dann nur leider unsere Mehrheit im Bundesrat verloren. Und in der Großen Koalition haben wir uns oft wie die FDP heute gefühlt." Mit anderen Worten: wie es oft ist, verbindet die Streithähne mehr, als sie trennt. Ihre beiden Parteien haben als kleiner Partner in einer Koalition mit der CDU keine sonderlich gute Figur gemacht.
Wie Druck auf Russland ausüben?

Das Bündnis "Keine halben Sachen!" gründete sich 2007 auf Initiative vom LSVD und wird inzwischen unterstützt u.a. von: Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, SPD, Lesben und Schwule in der Union (LSU) und Liberale Schwule und Lesben (LiSL)
Dann geht es um die internationale Situation. Gerade hat die russische Duma endgültig ein Gesetz gegen so genannte Homosexuellen-Propaganda verabschiedet. Der Moderator fragt, was der liberale Außenminister zu tun gedenkt. Kauch meint, dass man über den Europarat vielleicht Druck auf Russland ausüben könne, ansonsten seien die direkten Einflussmöglichkeiten aber sehr begrenzt.
Rehabilitieren ja, aber auch entschädigen?
Das nächste Thema bringt Oppermann kurzzeitig in die Bredouille. Es geht um die Rehabilitierung schwuler Männer, die nach 1945 auf Grundlage des Paragrafen 175 verurteilt wurden. Oppermann: "Die Urteilen gehören ganz klar aufgehoben. Aber wie wir sie finanziell entschädigen werden, dazu kann ich im Einzelnen nichts sagen." Also keine klare Zusage für eine Entschädigung. Bevor Nachfragen kommen, lenkt Oppermann geschickt ab und überrascht mit einer Charme-Offensive in Richtung von Winkelmeier-Becker. Er lobt sie für ihren Mut und ihr Engagement. Die Angesprochene strahlt. Doch das ist schnell vorbei, und Oppermann schimpft wieder auf die CDU. Auch die anderen Podiumsteilnehmer antworten mit einer verbalen Umarmung der CDU-Frau mit Vorbehalten.
Kaum Zeit für Publikumsfragen
Beim Thema Tendenzschutz in kirchlichen Einrichtungen kommt es dann beinahe zu einer Zweier-Diskussion zwischen Winkelmeier-Becker und einer aufgebrachten Frau aus dem Publikum. Hochrein dämpft das ab, da ja die letzten 15 Minuten für Publikumsfragen reserviert seien.
Doch dazu kommt es nicht wirklich. Nach einer Frage zur Situation von Transsexuellen und Transidenten verweist Hochrein darauf, dass das Ende jetzt erreicht sei. Zwei weitere Politiker vom Podium müssten ganz dringend weg. Kauch war schon vorher gegangen, da ihn eine Fernseh-Diskussion bei Anne Will erwartete. Sechs Leute stehen jetzt in einer Schlange hinter dem Mikrofon und müssen sich wieder setzen. Es gibt ein paar Zwischenrufe und Murren, doch insgesamt bleibt es diszipliniert. Der Moderator hat sein Publikum im Griff.
Links zum Thema:
» Weitere Fotos von der Veranstaltung im LSVD-Blog














