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Erste Lesung des Regierungsentwurfes
Ehegattensplitting mit Hochzeitstanz

Johannes Kahrs (SPD), Thomas Strobl und Olav Gutting (CDU/CSU) beim Schlagabtausch im Bundestag (Bild: Screenshot Bundestags-TV)
- 14. Juni 2013 4 Min.
CDU/CSU und FDP legten ihren Gesetzentwurf zur Gleichstellung im Steuerrecht vor. SPD und Grüne brachten eigene Vorlagen ein. Und Volker Beck will mit Barbara Höll tanzen.
Von Christian Scheuß
Sechs Seiten kamen von der Regierungskoalition (Drucksache 17/13870), fünf von der SPD (17/13871) und mit elf Seiten zeigten sich die Grünen besonders fleißig wie detailreich (17/13872). Inhaltlich ging es um ein und dieselbe Sache, die am Freitag in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten worden ist: Ein Gesetz zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regierung am 7. Mai dazu verdonnert, das Ehegattensplitting auch verpartnerten schwulen oder lesbischen Paaren zuzugestehen.
Blockadepolitik oder behutsames politisches Handeln?

Barbara Höll (Die Linke) will auf der nächsten schwulen Hochzeit erst nach Eheöffnung tanzen (Bild: Screenshot Bundestags-TV)
Die Debatte brachte mit dem ersten Redner gleich eine Überraschung: "Wenn zwei Männer oder zwei Frauen eine auf Dauer angelegte und rechtlich verfestigte Partnerschaft eingehen und damit auch den Staat und die Gemeinschaft entlasten, dann sollten sie auch im Steuerrecht genauso behandelt werden wie Heterosexuelle." Das sagte nicht etwa ein Vertreter der Grünen.
Die Worte kamen aus dem Mund des CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Strobl. Wohl wissend um die Debatten und das Zaudern in Sachen Gleichstellung in den Reihen der Union, brachte der Heidelberger Politiker den britischen Premier ins Spiel: "Es mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, aber David Cameron hat Recht. Als Konservativer kann man für die Lebenspartnerschaften eintreten, nicht obwohl, sondern weil man ein Konservativer ist."
Für die jahrelange Blockadehaltung der Union in Sachen Rechtsangleichung brachte Strobl eine interessante Begründung vor. Man wolle keine Verhältnisse wie in Frankreich, wo die Öffnung der Ehe, die nicht von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen würde, zu den bekannten Unruhen geführt habe. Die jeweils auf dem Klageweg vor dem obersten deutschen Gericht erstrittene Angleichung seit Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 wollte er als "Behutsamkeit durch stückweise Gleichstellung" verstanden wissen.
Als "aufgeblasen" bezeichnete Ingrid Arndt-Brauer von der SPD die Argumentation Strobls: "Wir ändern hier heute nicht die Gesellschaft, wir ändern nur ein Gesetz im Einkommenssteuerrecht." Und das auch nur gezwungenermaßen. SPD-Genosse Johannes Kahrs sekundierte in seinem Redebeitrag: "Der ideologische Kern der CDU/CSU ist faktisch gar nicht mehr vorhanden. Jetzt können sie noch ein bisschen gegen den EU-Beitritt der Türkei und gegen Lesben und Schwule sein."
Michael Kauch (FDP) lobt den modernen Konservativen

Volker Beck (Bündnis 90 / Die Grünen) will gemeinsam mit Barbara Höll tanzen (Bild: Screenshot Bundestags-TV)
"Dies ist ein Tag der Freude!", jubelte dagegen Michael Kauch (FDP). Seine Partei habe sich seit langem für die Gleichstellung, unter anderem in dem für die Bürger wichtigsten rechtlichen Punkt eingesetzt. Es sei "gut", dass nun ein gemeinsam mit dem Koalitionspartner verfasster Gesetzentwurf vorgelegt worden sei. "Thomas Strobl will ich für die für die CDU wegweisende Rede danken", ordnete er die Worte seines Koalitionskollegen ein. Er habe erstmals als Debattenredner im Plenum ausgesprochen, was viele in der CDU längst dachten. "Die Neuorientierung, die hier in der Union sichtbar wird, wird es auch in der nächsten Wahlperiode ermöglichen, die letzten Schritte zur vollständigen Gleichstellung zu gehen."
Kauchs Zuversicht bekam allerdings durch den zweiten Redner der CDU einen Dämpfer verpasst. Olav Gutting gehörte zwar zu den sogenannten "Wilden 13", einer Gruppe von 13 Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU, die sich 2012 öffentlich für die steuerrechtliche Gleichstellung stark gemacht hatten (queer.de berichtete). Aber am Prinzip der Geschlechterverschiedenheit bei der Ehe – von Rot-Grün im Gesetzentwurf als überholt bezeichnet – will Gutting festhalten. "Nur Mann und Frau sichern den Fortbestand des Gemeinwesens!"
Barbara Höll für die Fraktion "Die Linke" meinte, sie käme sich vor, wie im Kinderzimmer. Die CDU/CSU und die FDP, das sei die Horde von Kindern," die wissen, dass sie aufräumen müssen, aber es nicht wollen." Das sei total nervig. "Sie zwingen Menschen, Zeit und Geld zu verschwenden, um ihre Rechte durchgesetzt zu bekommen", schimpft Mutti Höll weiter. Vor Jahren sei sie eingeladen gewesen zur Segnung eines schwulen Paares. Ein anderes schwules Paar wolle die Partnerschaft erst institutionalisieren, wenn es heiraten darf. "Ich freue mich schon darauf, wenn ich auf dieser Hochzeit tanzen darf. Denn die Öffnung der Ehe ist das, was als Nächstes auf der Tagesordnung steht!"
Volker Beck (Bündnis 90 / Die Grünen) würde gerne mit Barbara Höll aufs Parkett, allerdings nicht in einer Koalition. "Wenn es Rot-Grün gibt, dann können wir zusammen tanzen, weil dann gibt es die Eheöffnung."
Als kleines Gimmick gab es noch zwei Symbol-Anträge der Grünen: Der eine über das Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (17/13912). Der andere über die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Adoptions- und Einkommensteuerrecht nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar und vom 7. Mai (17/13913). Die Mehrheit entschied hier jeweils die Überweisung an die "federführenden Ausschüsse".
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Wenigstens kommt jetzt endlich die Gleichstellung im Ehegattensplitting ins Rollen!!!