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- 23. Juni 2013 4 Min.

Die Staatskapelle Weimar sorgte für die musikalische Umrahmung des Gedenkakts.
Im Deutschen Nationaltheater in Weimar fand der erste Staatsakt für einen ehemaligen Rosa-Winkel-Häftling statt – eine würdevolle und kämpferische Veranstaltung.
Von Micha Schulze
Vor gut 200 Jahren wirkten Goethe und Schiller am Deutschen Nationaltheater in Weimar, 1919 tagte hier die Deutsche Nationalversammlung und verabschiedete die erste demokratische Verfassung. Ganz bewusst hat Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) diesen historischen Ort für ihren historischen Gedenkakt ausgewählt. Rund 500 Gäste sind am Sonntag ihrer Einladung gefolgt, um an den ehemaligen Rosa-Winkel-Häftling Rudolf Brazda zu erinnern, der in diesem Monat 100 Jahre alt geworden wäre.
Ein übergroßes Foto des ehemaligen Häftlings im Konzentrationslager Buchenwald ist auf die Bühne projiziert, rechts die Fahnen von Deutschland, Thüringen und der EU, links das Rednerpult und ein Blumengesteck. Im Publikum eine bunte Mischung aus bundesweiter Szeneprominenz und regionalen Politgrößen. Im Hintergrund die Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Felix Bender, die den Gedenkakt musikalisch umrahmt.
In ihrer Begrüßungsrede erinnert die Ministerpräsidentin an das Schicksal der Menschen im Dritten Reich, die "allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und gequält" wurden. Rudolf Brazda stehe stellvertretend für diese vielen Menschen, die "in ihrer Würde verletzt und entmenschlicht" wurden. Lieberknecht räumt ein: "Es ist ein Versäumnis unserer Gesellschaft, dass die Erinnerung an das Unrecht weitgehend ausgeblendet wurde". Dem Schuldanerkenntnis folgt ein kleines Versprechen: "Wir wollen in Thüringen die Geschichte aufarbeiten."
Die Ministerpräsidentin bleibt an der Oberfläche

Bereits im Wahlkampfmodus: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Konkreter wird die CDU-Politikerin nicht in ihrer Rede und enttäuscht damit die Erwartungen einiger Gäste. Nach ihrem Interview in der "Zeit" im vergangenen Monat haben sich manche Aussagen zur Gleichstellung von Schwulen und Lesben in der Bundesrepublik oder zu Entschädigung der Paragraf-175-Opfer nach 1945 erhofft. Nur "möglicherweise", so Lieberknecht vorsichtig, habe man Lehren aus der Homosexuellenverfolgung im Nationalsozialismus "nicht immer eindeutig gezogen".
Dennoch bleibt ihr Verdienst, den man durchaus mit Richard von Weizsäckers historischer Rede am 8. Mai 1985 vergleichen kann, als er als erster Bundespräsident das Schicksal der homosexuellen NS-Opfer erwähnte. Den Staatsakt hat Lieberknecht gegen Widerstände in der eigenen Partei und selbst beim Koalitionspartner SPD durchgesetzt.
Beim Thema Diskriminierung in der Gegenwart wird Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger deutlicher. "Homophobie und Intoleranz sind mit dem Dritten Reich leider nicht vollständig untergegangen", stellt die FDP-Politikerin nach einem längeren historischen Abriss klar. Auch die Verfolgung schwuler Männer in der DDR und der Bundesrepublik müsse aufgearbeitet werden. Sie erinnert in diesem Zusammenhang an das "Archiv der anderen Erinnerungen" der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, deren Kuratoriumsvorsitzende sie ist. Überraschend schreibt sich Leutheusser-Schnarrenberger die Abschaffung des Paragrafen 175 im Jahr 1994 in ihrer ersten Amtszeit unter Helmut Kohl auf ihre Fahnen – die Streichung war Folge der notwendigen Rechtsangleichung zwischen Bundesrepublik und ehemaliger DDR.
Im restlichen Teil der Rede schaltet Leutheusser-Schnarrenberger auf Wahlkampfmodus, verspricht eine Aufstockung des Vermögens der Hirschfeld-Stiftung in der kommenden Legislaturperiode und fordert – allerdings ohne die Ehe-Öffnung zu erwähnen – das volle Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner. Als sie das Bundesverfassungsgericht lobt, bekommt allerdings nicht die Ministerin, sondern Richterin Susanne Baer, die in der ersten Reihe sitzt, den bislang größten Applaus des Abends.
Peter Altmaier sagt seine Rede ohne Begründung ab

Hält die bewegendste Rede des Gedenkakts: Prof. Dr. Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
Auf eine mit Spannung erwartete Rede muss das Publikum verzichten: Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ist doch nicht nach Weimar gekommen, ohne Angaben von Gründen. Im Eingang des Nationaltheaters werden kommentarlos neugedruckte Programmzettel verteilt. Im Vorfeld des Gedenkakts war darüber spekuliert worden, ob der CDU-Politiker den Event für ein öffentliches Coming-out nutzen würde.
So ist das Highlight des Programms die emotionale und gleichzeitig kämpferische Rede von Prof. Dr. Volkhard Knigge, dem Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Der Historiker findet die deutlichsten Worte an diesem Nachmittag, lässt die Gäste teilhaben an dem Leid der homosexuellen NS-Opfer und schlägt immer wieder die Brücken in die Gegenwart oder auch nach Russland. "Homophobie ist kein Phänomen von gestern", sagt Knigge. "Die großen Verbrechen sind in den kleinen Formen der Diskriminierung und Verächtlichmachung angelegt". Als Beispiel nennt er gleich zu Beginn seiner Rede Franz-Josef Strauß' Zitat "Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder".
Er freue sich sehr über den ersten staatlichen Gedenkakt für die Rosa-Winkel-Häftlinge, sagt Knigge, ebenso über die 2002 erfolgte Aufhebung der Urteile, die im Dritten Reich nach dem Paragraf 175 gefällt wurden. Dabei dürfe man jedoch nicht stehenbleiben: "Es bleibt beschädigte Gerechtigkeit und das sollte uns weiter anstacheln".
Links zum Thema:
» Die Rede von Volkhard Knigge
» Die Rede von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger















ich finde diese "veranstaltung", als solche sehr wichtig und bemerkenswert!!!
leider wurde sie wie zur zeit, offenbar "usus", wieder mal für politische zwecke missbraucht!
viele, viele worthülsen wurden "ergossen", ausser der
kämpferische Rede von Prof. Dr. Volkhard Knigge, dem Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. dieser mann hatte wenigstens etwas zu sagen!
auf den herrn altmaier konnte mann nur zu gerne verzichten, WAS SOLLTE ER UNS ZU SAGEN HABEN???