Eine von der Regierung nicht erhörte Forderung beim Berliner CSD am Samstag (Bild: Norbert Blech)
Im Rechtsausschuss verweigern CDU/CSU und FDP erneut, sich mit dem Thema zu befassen. Am Donnerstag stehen im Bundestag trotzdem gleich mehrere LGBT-Themen auf der Agenda.
Auch in dieser Legislaturperiode wird es zu keiner Rehabilitierung und Entschädigung der Männer kommen, die nach dem Krieg aufgrund des Paragrafen 175 verurteilt wurden. Die Mehrheit aus CDU/CSU und FDP entschied am Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundestages erneut, das Thema zu vertagen.
Damit könne der Gesetzentwurf der Grünen (PDF) in dieser Legislatur nicht mehr verabschiedet werden, kritisierte der Grünenpolitiker Volker Beck in einer Pressemitteilung. "Die schwarz-gelbe Koalition verhöhnt die Opfer des Paragrafen 175. Nach Jahren der Diskussion meldet sie immer weiter 'Debattenbedarf' an, um Oppositionsanträge zu verhindern", so Beck. "Eigene Initiativen gibt es nicht. Dabei läuft die Zeit davon: Es darf nicht wieder geschehen, dass eine Rehabilitation und Entschuldigung erst erfolgt, wenn die letzten betroffenen Menschen gestorben sind."
Auch ein Antrag der Linken zum Thema (PDF) wird so nicht beraten. Beck kündigte für den Donnerstag eine Bundestagsdebatte an, in der sich der Rechtsausschussvorsitzende Sigfried Kauder (CDU) rechtfertigen soll, warum "trotz jahrelanger Debatte, trotz Anhörung im Ausschuss, trotz Bundesratsforderung" keine Befassung mit dem Thema möglich gewesen sein soll.
Debatte zur Gleichstellung am Donnerstagabend
Ohnehin wird am Donnerstag, der vorletzten Sitzung von der Sommerpause, der Bundestag Schauplatz einiger Homo-Debatten, wenngleich teilweise nur auf dem Papier. In Top 13, angesetzt für die frühen Abendstunden, berät die Regierung in zweiter und dritter Lesung ihren Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im Einkommenssteuerrecht (PDF).
Nach der Beratung darüber im heutigen Finanzausschuss kritisierte LSVD-Sprecher Manfred Bruns einen Entwurf "voller Lücken und Halbherzigkeiten": "Im Regierungsentwurf ist nicht einmal die vollständige Gleichstellung bei den steuerrechtlichen Regelungen zum Kindergeld vorgesehen. Das Bundeskindergeldgesetz soll nicht geändert werden. Bei der Riester- und der Rürup-Rente wird das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz ausgespart usw. Dadurch wird das jetzige Durcheinander bei den Finanzämtern noch vergrößert."
Der LSVD forderte die Abgeordneten des Bundestages auf, "diesem peinlichen Spiel ein Ende zu bereiten" und Ergänzungsanträgen der Opposition zuzustimmen. Die SPD hat einen Antrag zu einer weiter gehenden Gleichstellung im Steuerrecht eingebracht (PDF), die Grünen ebenfalls (PDF). Zudem gibt es einen Grünenantrag, der Paare beim Adoptionsrecht gleichstellt, und einen, der all diese Bereiche vorsieht und zusätzlich noch die Punkte aufnimmt, die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im "Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner (LPartBerG)" aufnehmen wollte.
Dieser Entwurf, von dem man nie wieder etwas hörte, enthält etwa eine Gleichstellung im Mietrecht, in der Zivilprozessordnung und der Höfeordnung. Über die letzten beiden Anträgen soll der Bundestag namentlich abstimmen.
Bei der Abstimmung "werden die ausscheidenden Abgeordneten ein letztes Mal Gelegenheit haben, nach ihrem Gewissen abzustimmen", erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Eine völlige Gleichstellung werde "es mit der Union nicht geben", erklärte hingegen der CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach in Berlin. "Ehe und Familie sind für uns besonders schützenswert, hieran halten wir fest."
Im Finanzausschuss hatte nur der Antrag der Regierung eine Mehrheit erhalten. Nach einem Bericht von "Heute im Bundestag" lehnte die FDP eine rükwirkende Gleichstellung im Steuerrecht auf bereits abgeschlossene Fälle "mit Hinweis auf die geringen finanziellen Auswirkungen" ab.
Weitere Anträge in der Nacht
In Top 23, irgendwann mitten in der Nacht zum Freitag, geht es in zweiter und dritter Lesung um einen Antrag von SPD und Grünen (PDF, plus Zusatzanträge), die Ehe für schwule und lesbische Paare zu öffnen – vorausgesetzt, der Rechtsausschuss macht heute den Weg dafür frei. Aktuell ist dafür 30 Minuten Redezeit vorgesehen.
Zu Protokoll geht hingegen die Debatte zu Top 53, einem Antrag der Linken für einen "wirksamen Schutz für Flüchtlinge, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden" (PDF). Die Rehabilitierung der §175-Opfer wäre mit Reden zu Protokoll Tagesordnungspunkt 65 von 68 gewesen (nb).
Update 27.6., 09.10h: Aktueller Stand
Top 23 mit den Anträgen der Opposition zur Ehe-Öffnung wurde von der Tagesordnung genommen. Die Debatte zur Gleichstellung im Einkommenssteuerrecht, Top 13, ist aktuell für 21.10h vorgesehen. Das könnte noch später werden.
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.
Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten Lesben und Schwulen in beiden deutschen Staaten
dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/108/1710841.pdf