In St. Petersburg sah die Polizei am Samstag erst zu, wie CSD-Teilnehmer von einer Meute attackiert wurden, dann verhaftete sie die LGBT-Aktivisten wegen "Homo-Propaganda". Am gleichen Tag unterzeichnete Russlands Präsident Putin das neue landesweite Gesetz. (Bild: Youtube)
Präsident Putin hat das Gesetz unterzeichnet, das "Werbung" für Homosexualität landesweit unter Strafe stellt. Die Auswirkungen sind noch unklar.
Von Norbert Blech
Das landesweite Gesetz gegen "Werbung" für Homosexualität in Russland ist am Sonntag in Kraft getreten. Laut der Veröffentlichung im Gesetzesblatt hatte es Russlands Präsident Wladimir Putin trotz internationaler Proteste am Samstag unterzeichnet.
Am 11. Juni hatte bereits das Unterhaus, die Duma, bei nur einer Enthaltung für den Gesetzentwurf gestimmt (queer.de berichtete), am Mittwoch stimmten 137 Abgeordnete des Föderationsrats bei einer Enthaltung für die Vorlage (queer.de berichtete).
Mit rund 100 bis 120 Euro kann nun bestraft werden, wer "Werbung" für "nicht traditionelle sexuelle Verhältnisse" unter Minderjährigen durchführt. Bei Offiziellen wie etwa Lehrern liegt die Strafe beim zehnfachen Betrag, bei Organisationen bei 12.000 bis 24.000 Euro. Ihnen droht auch eine erzwungene Aussetzung ihrer Aktivitäten von bis zu 90 Tagen.
Für den Punkt "Werbung" reicht ein "Aufdrängen von Informationen über nichttraditionelle sexuelle Beziehungen, die Interesse an solchen Beziehungen wecken können"; der Gummiparagraph kann also auch genutzt werden, um unliebsame Medien bereits bei neutraler Berichterstattung zeitweise zu schließen – zumal sich die Geldstrafen erhöhen, wenn die "Propaganda" unter "Nutzung von Medien" stattfindet.
Haft für internationale Aktivisten möglich
Lauter Protest der Szene (wie hier beim CSD in Berlin) und stille Diplomatie der Politik konnten das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" nicht verhindern (Bild: Norbert Blech)
Ausländer können bei einem Verstoß gegen das neue Gesetz neben einer Geldstrafe mit einer Ausweisung oder einem 15-Tage-Arrest belegt werden. Offiziell wird das Gesetz mit dem Jugendschutz begründet. Eine neue Regelung sieht zudem vor, dass Internetseiten, die "Propaganda" betreiben, auf einem Index der Regierung landen können. Dort – ohne Richtervorbehalt gelistete – Seiten müssen von Providern gelöscht oder blockiert werden.
Noch ist unklar, welche Folgen das Gesetz haben wird – in Regionen, in denen es bereits "Propaganda"-Gesetze gab, wurden sie höchstens mal genutzt, um vor Ort die Verhaftung der Teilnehmer einer Demonstration zu begründen. Meistens wurde den Teilnehmern dann aber ein Verstoß gegen Versammlungsgesetze vorgeworfen, was schon vor Zeiten des "Propaganda"-Gesetzes zum Abbruch von Protesten genutzt wurde.
Erst am Samstag hatte die Polizei in St. Petersburg einen zuvor genehmigten CSD mit dem Vorwurf der "Homo-Propaganda" (nach dem bereits bestehenden regionalen Gesetz) gestoppt und 52 Teilnehmer vorläufig festgenommen (queer.de berichtete). Auf der Polizeiwache war dann von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz die Rede, für die sich CSD-Organisator Yuri Gawrikow, der erst am Sonntag freigelassen wurde, vor Gericht rechtfertigen muss.
Repressionen befürchtet
Wie Olga Lenkowa von der St. Petersburger Organisation "Coming out" zum CSD in Berlin erzählte, fürchtet sie derzeit das Gesetz gegen "Agenten" noch mehr als das gegen "Homo-Propaganda". (Bild: Norbert Blech)
Aktivisten ist noch unklar, wie stark das landesweite Gesetz gegen sie gerichtet sein wird. Einige gehen von einer reinen Symbolpolitik aus, deren gesellschaftliche Folgen freilich spürbar sind: Durch ein homophobes Klima und eine Selbstzensur von Medien, Schulen und Beratungsstellen.
Andere rechnen mit dem Beginn einer Repressionswelle. Dafür spricht, dass ein anderes Gesetz, das gegen "ausländische Agenten", bereits zu Verfahren gegen LGBT-Organisationen in St. Petersburg geführt hat und letztlich deren Ende bedeuten könnte. In erster Instanz waren kürzlich die Organisation "Coming out" und das Filmfestival "Side by side" zu Geldstrafen in Höhe von je 12.000 Euro verurteilt worden, weil sie sich nicht als "Agent" registriert hatten. Verlieren sie auch in den höheren Instanzen, sind sie automatisch "ausländische Agenten" mit strikteren Buchhaltungspflichten und weiteren Möglichkeiten der Gängelung. Letztlich drohen weitere Geld- und sogar Haftstrafen. Beide Organisationen rufen zu Spenden auf.
Der russische Homo-Aktivist Nikolai Aleksejew, der den CSD in Moskau organisiert, hat bereits angekündigt, das neue Gesetz gegen "Propaganda" durch alle Instanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bekämpfen. Entsprechende Gesetze aus mehreren russischen Regionen liegen Straßburg bereits vor. Im letzten Jahr hatte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen geurteilt, dass ein "Propaganda"-Gesetz aus Rjasan gegen die Menschenrechte verstößt (queer.de berichtete).
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Preis der Jury
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