Professor Martin Dannecker hat die "Kompassnadel" im letzten Jahr gewonnen - er versteht nicht, warum jetzt der "Spiegel" ausgezeichnet wird (Bild: Wiki Commons / Richard Lemke / CC-BY-SA-3.0)
Die Kritik an der Verleihung der Kompassnadel des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" reißt nicht ab: Jetzt weigert sich Vorjahressieger Martin Dannecker, den Preis am Samstag zu übergeben.
Der Sexualwissenschaftler Martin Dannecker erklärte am Dienstag, die Auszeichnung des "Spiegel" durch das Schwule Netzwerk NRW sei nicht gerechtfertigt, weil sich das Nachrichtenmagazin nicht um die Akzeptanzförderung der schwulen Minderheit verdient gemacht habe. Daher werde er die Kompassnadel nicht wie sonst üblich als Vorjahressieger übergeben.
Er erklärte in einem offenen Brief an die Veranstalter: "Abgesehen davon, dass ich über die außerordentlich fragwürdigen Berichte des 'Spiegel' zum Thema Aids, die ja eine regelrechte antihomosexuelle Kampagne waren, nicht einfach hinwegsehen kann, halte ich Eure Begründung für die Preisverleihung an den 'Spiegel' gelinde gesagt für merkwürdig, oder besser gesagt für haltlos".
Mit ein paar bedauernden Bemerkungen lasse sich die Aids-Politik des Nachrichtenmagazins nicht entschuldigen, so Dannecker weiter: "Man kann diese, weil sie nun einmal wirkungsvoll war, nicht zuletzt weil sie niedrige Affekte bediente, nicht einfach zum Verschwinden bringen".
Bereits zuvor hatte es Kritik an der Auszeichnung gegeben. So erklärte die Aids-Hilfe NRW, dass der "Spiegel" zum Höhepunkt der Aids-Krise den Grundstein für die Stigmatisierung von Menschen mit HIV gelegt habe. Betroffene würden bis heute unter den Folgen dieser Skandalisierung leiden (queer.de berichtete).
Weitere Absage der Aids-Hilfe NRW
Mit derartigen Storys skandalisierte der "Spiegel" in den 1980er Jahren die HIV-Berichterstattung
Am Dienstag sagte auch Olaf Lonczewski, der stellvertretende Landesvorsitzende der Aids-Hilfe NRW, seine Teilnahme bei der Preisverleihung ab. Er kritisierte, dass mit dem Positiven-Aktivisten Marcel Dams ("TeilzeitVlogger") ein 24-Jähriger die Laudatio halten würde, der zu jung sei, "um die Anfangszeiten des Kampfes gegen Stigmatisierung und Diskriminierung nach Auftreten der ersten Fälle von Aids erlebt zu haben".
Das Schwule Netzwerk NRW hatte im Januar erklärt, es verleihe dem "Spiegel" die Kompassnadel dafür, "dass er ein ausgewogenes und realistisches Bild von schwulem Leben in Deutschland zeichnet und vor allem auch von anderen Ländern, in denen Homosexuelle unterdrückt, verfolgt und ermordet werden". Zudem stelle das Hamburger Magazin "die Lebens- und Leidenssituation von transsexuellen Menschen feinfühlig" dar und trete "aktiv für die Verbesserung der Lebenssituation von homosexuellen Menschen in unserer Gesellschaft" ein.
Die Auszeichnung für das Nachrichtenmagazin entgegen nehmen wird Markus Verbeet, der Ressortleiter Deutschland. Er erklärte im Interview, dass er bei der Auszeichnung auch zu den Vorwürfen Stellung nehmen werde (queer.de berichtete). (dk)
Das was der Spiegel früher angerichtet hat und das bis heute zu Auswirkungen hat, lässt sich nicht mit einer einfachen Entschuldigung wiedergutmachen...