Bekennende Berghain-Fans: Neil Tennant und Chris Lowe knüpfen mit "Electric" an ihre vier „Disco“-Compilations an
Neil Tennant und Chris Lowe schütteln mit ihrem neuen Album "Electric" die Melancholie ab und machen druckvolle Tanzmusik.
Ein zuverlässiges Alarmsignal: Wer einen Preis für sein Lebenswerk erhält, ist in der Musikwelt schon weitgehend abgeschrieben. Den Pet Shop Boys widerfuhr diese zweifelhafte Ehre bei den Brit Awards 2009. Neil Tennant und Chris Lowe erfüllten prompt die Erwartungen an nicht mehr zeitgemäße Altstars, zuletzt legten sie eine Ballettmusik ("The Most Incredible Thing") und ein bitterzartes Album vor, dem die Melancholie nur so aus jeder Pore strömte ("Elysium"). Laaangweilig!
Und dann das: Nach satten 28 Jahren (und 22 britischen Top-Ten-Hits) kehrten die Herren ihrer Plattenfirma Parlophone den Rücken, gründeten ihr eigenes Label und heuerten mit Stuart Price (bekannt vor allem von Madonnas "Confessions On A Dancefloor") einen vergleichsweise angesagten Produzenten an. Vorbei die Larmoyanz, das neue Album "Electric" knüpft an die vier "Disco"-Compilations an und darf wieder "nach vorne" gehen, wenn die bekennenden Berghain-Fans die Clubmusik auch bewusst nicht neu erfunden haben.
Soundideen hemmungslos bei sich selbst geklaut
Neun Tanz-Hymnen auf einem Album: "Electric"
Die Richtung gibt der weitgehend instrumentale Opener "Axis" (mit einem psychedelischen Video schon als Vorab-Teaser im Netz) mit seinen fiebrigen Hi-NRG-Flächen à la Giorgio Moroder oder Patrick Cowley die Richtung vor.
Zu den Highlights darf man "Stay for the Weekend" mit seinen poppigen Achtziger-Sounds und Gastauftritt von Example, dazu die treibende House-Hymne (und aktuelle Single) "Vocal" rechnen. Und natürlich dürfen die Herren hemmungslos Soundideen bei sich selbst klauen: "Love Is A Bourgeois Construct" erinnert an die großen Hits der Achtziger und frühen Neunziger, mit einer catchy Synthie-Fläche à la "Always on my mind", einem leicht überkandidelten Männerchor wie aus "Go West" entsprungen. Großen Spaß macht die einzige Cover-Version des Albums, Bruce Springsteens "The Last To Die" strahlt nach dem Facelift durch die Pet Shop Boys ungeahnt frisch. Da sieht man über die wenigen, eher uninspiriert klingenden Füllsel wie "Bolshy" oder "Fluorescent" gerne hinweg.
Zu ihren besten Alben zählt ihr 20. (die "Disco"-Compilations mitgezählt) nicht. Aber "Electric" macht Spaß, vor allem wenn man über den treibenden Beats auch ein Ohr für die altersweisen und (selbst)ironischen Texte des Herrn Tennant behält. So darf es gerne auch die nächsten Jahre noch weitergehen! (to)
Youtube | Offizieller Teaser zum Album
Egal der Rest des Artikels ist toll und passt :o)