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  • 18. Juli 2013 25 5 Min.

Höhepunkt des Tages ist die feierliche Enthüllung eines großen Blatts Papiers (Bild: Sabine Hauf/Bundesstiftung Magnus Hirschfeld)

Die Vorstellung der "Berliner Erklärung" am Mittwoch wurde als staattragende Feierlichkeit inszeniert. Aktive Fußballer suchte man vergeblich, Faninitiativen saßen nur im Publikum.

Von Stefan Mey

Mittwochmittag in der Mitte von Berlin. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat mal wieder zu einer Mammut-Veranstaltung eingeladen. Der deutsche Fußball will sich öffentlich zum Kampf gegen Homophobie bekennen. Eine ziemlich große Nummer wurde angekündigt.

Die ersten beiden Reihen tragen Namensschilder, hier sitzen die VIPs der Veranstaltung: allen voran die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in ihrer Funktion als Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung. Mindestens sechs Kamera-Teams sind da und berichten. Durch die Veranstaltung führt die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein.

Im Kern geht es um die Enthüllung eines großen Blatt Papiers: In der "Berliner Erklärung" erkennen Politiker und Sport-Funktionäre an, dass Fußball ein Homophobie-Problem hat. Im Laufe der Veranstaltung betonen einige der Unterzeichner, wie viel noch getan werden muss. In ihrem charakteristischen, sympathischen Nuschelton erzählt die Bundesjustizministerin, wie sehr sie ein anonymes Interview mit einem schwulen Fußballspieler berührt hatte, dass Ende letzten Jahres durch die Öffentlichkeit ging. Der meinte, er wäre nicht mehr sicher, wenn seine sexuelle Orientierung bekannt wäre (queer.de berichtete). So etwas dürfe in Deutschland einfach nicht sein.

Leutheusser-Schnarrenberger: was tun gegen Homophobie im Sport?


Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bei ihrer Eröffnungsrede: "Kommt der Sport aus diesem Problem heraus?" (Bild: Sabine Hauf/Bundesstiftung Magnus Hirschfeld)

Die Ministerin verwies auf eine Studie mit neuseeländischen Sport-Studenten, die zeigte, dass gerade im Sport-Kontext Homophobie eine besonders große Rolle spiele. Dieser Herausforderung müsse man sich annehmen: "Die alles entscheidende Frage lautet: Wie kommt der Sport aus diesem Problem heraus?" Die Bekämpfung von Homophobie im Fußball sei besonders wichtig: "Gerade vom Fußball als unangefochtenem Volkssport Nummer eins, der jede Woche Millionen vor den Fernseh-Bildschirm und in die Stadien lockt, kann eine ganz wichtige Funktion in diesem Bereich ausgehen."

Nach Leutheusser-Schnarrenberger spricht die Leiterin der Anti­diskriminierungs­stelle des Bundes, Christine Lüders. Dass Schiedsrichter im Stadion als schwul bezeichnet werden, um sie zu beleidigen, sei noch gang und gäbe. In einer traurigen Konkurrenz hätten homophobe Sprüche sogar rassistische Beleidigungen überholt. Bis zum ersten prominenten Coming-out eines Fußballers würde es deswegen wohl noch eine Weile dauern: "Das Coming-out fehlt noch, aber es wird kommen. Wir alle arbeiten daran."

Kommt das große Coming-out?

Am Ende erzählt Lüders eine kleine Anekdote: Am vorherigen Tag hätte sie ein ZDF-Journalist ganz aufgeregt angesprochen. Er hätte gehört, dass heute irgendetwas ganz, ganz Großes zum Thema Sport und Homosexualität stattfinden wird. Mehr konnte er nicht in Erfahrung bringen. Würden sich vielleicht einige Spieler outen?

Als die Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein an die Anekdote anknüpft, sieht es kurz so aus, als ob tatsächlich noch die ganz große Nummer kommt. Sie erzählt, wie geheim die Vorbereitungen zur Veranstaltung gewesen sei. Sie habe eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben und auch im eigenen Haus nichts verraten dürfen. Ihrem Chef habe sie nur sagen können, dass sie nach Berlin müsse und das ganze sehr, sehr wichtig sei. Und sie sei von den Socken gewesen, wie groß alles wäre und wen die Hirschfeld-Stiftung hatte mobilisieren konnte.

Einen Moment lang halten einige im Raum die Luft an: Hat sie damit das große Coming-out angekündigt, kommen zwei oder drei prominente Fußballer aus der Deckung und sorgen wochenlang für Schlagzeilen? Das passiert nicht. Der Höhepunkt des Tages bleibt die feierliche Enthüllung des großen Blatts Papiers mit der "Berliner Erklärung". Die Justizministerin und andere Unterzeichner kommen nach vorne und enthüllen. Eine Meute aus Kameramännern und Fotografen sammelt sich um sie, und einige Minuten lang muss die Ministerin ein Dauergrinsen aufsetzen.

Eine Uni-reife Powerpoint-Präsentation


Fordert die Einbeziehung der Fans: Thorsten Siebert vom Verein Fußballfans gegen Homophobie (Bild: privat)

Dann wird die drückende, staatstragende Feierlichkeit der Veranstaltung für etwa 20 Minuten lang unterbrochen. Jörg Litwinschuh, Vorstand der Hirschfeld-Stiftung, stellt die Initiative "Fußball für Vielfalt" vor, in entspannter Dozenten-Manier und mit einer Uni-reifen Powerpoint-Präsentation. Die Initiative soll in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern zuerst empirische Daten zu Homophobie und Fußball erheben. Auf dieser Grundlage werden dann Bildungsmodule erstellt, mit denen in Vereinen, Fan-Organisationen und Schulen gegen Homophobie gearbeitet werden kann.

Als auf der folgenden Podiumsdiskussion etwa die Hälfte der 15 Erstunterzeichner zusammensitzt, wirkt die Runde irgendwie komplett, fast wie eine große Familie: Ein Wissenschaftler ist vertreten, die Politik sowie auch Vertreter von Fußballvereinen, etwa Thorsten Manske von Hertha BSC oder Tjark Woydt vom FC St. Pauli. Es geht wieder um die Relevanz des Problems. Die Vertreter des sehr homofreundlichen Hamburger bzw. Berliner Fußballvereins erzählen aber, dass sie durchaus gute Erfahrungen gemacht haben. Die Anerkennung des schwulen Fanclubs beispielsweise oder die Thematisierung von Homophobie in ihrer Stadionordnung sei positiv aufgenommen worden.

DFL, Fans und Fußballer: einige fehlen

Auf dem Foto, das im Anschluss geschossen wird, fehlen aber einige wichtige Vertreter. Die Fußball-Familie ist lange nicht komplett. So etwa sucht man Wolfgang Niersbach vergeblich, den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bunds. Er hat die Erklärung unterschrieben, ist aber nicht gekommen. Wieso nicht? Jörg Litwinschuh will dazu öffentlich nichts sagen. Mit Stefanie Schulte, die beim DFB für Nachhaltigkeit zuständig ist, habe aber zumindest eine Abteilungsleiterin des DFB im Publikum gesessen. Gar nicht erst unterzeichnet haben Vertreter der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die für die Vermarktung von Fußballspielen zuständig ist. Man habe dort angeklopft und sei anfänglich auch auf offene Ohren gestoßen, die DFL wolle aber lieber erst die weitere Entwicklung des Projekts beobachten.

Noch eine andere Gruppe fehlt in der Liste der Unterzeichner und auf dem Podium, zumindest vermisst sie Thorsten Siebert vom Verein Fußballfans gegen Homophobie. Auch er findet die "Berliner Erklärung" großartig, ihn stört aber, dass kein Fan-Verein mit im Boot ist, und das sei ein Problem: "Die Fans sind extrem wichtig. Deswegen wird die Initiative auf Vereins- und Verbandsebene eventuell viel bewirken. Die Fans wird sie so aber nicht erreichen, wenn nur über sie, aber nicht direkt mit ihnen gesprochen wird."

Auch aktive Fußballer sind übrigens nicht vertreten. Man habe viele Spieler angefragt, auch solche aus der zweiten Reihe des deutschen Fußballs, doch keiner wollte kommen, erzählt Litwinschuh. "Da sieht man, wie viel noch zu tun ist."

#1 FoXXXynessEhemaliges Profil
  • 18.07.2013, 08:53h
  • Daß keine Fußballer, die sich gegen Homophobie in den Stadien und der Mannschaft einsetzen, bei der Präsentation nicht anwesend waren, dürfte daran gelegen haben, daß ihre jeweiligen Vereine sich gerade in den Vorbereitungen auf die neue Saison befinden.

    Die "Berlnenr Erklärung" hätte es schon weitaus früher geben können! Schade um die wertvolle Zeit, die dafür verplempert wurde! Schon die von 1998 bis 2005 regierende Rot-Grüne-Koalition hätte das schon in die Wege leiten können!
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#2 sanscapote2Anonym
  • 18.07.2013, 08:55h
  • Sich outen? Wozu soll das gut sein?

    Outen sich denn die Heterosexuellen?

    Wenn die Politik das Zeichen der Antidiskrimination mit allen Mitteln setzt, sich nicht mehr vom BVG vorfuehren laesst, homophobe Auesserungen in Talkshows sein laesst, ein Vorbild ist fuer die Menschen im Lande, dass sie - je nach Lebensart - sicher sind, dann kann ein Fussballer sich mit seinem Freund/Lebenspartner/Mann in der Oeffentlichkeit zeigen.

    Veranstaltungen wie die beschriebene sind heisser Wind und Verschwendung von Steuergeldern
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#3 JoonasAnonym
  • 18.07.2013, 09:03h
  • Solche Alibiveranstaltungen wo jeder mal ein paar nette Worte für die Presse sagen darf, bringen gar nichts.

    Das erinnert mich an die Charity-Galas irgendwelcher gelangweilter Society-Ladies, wo Multi-Millionäre ein paar Cent spenden und dann meinen, sie hätten jetzt toll was bewegt. Aber in Wirklichkeit kommt es darauf an, die neusten Juwelen und Designer-Kleider vorzuführen, Business-Kontakte zu knüpfen und sich am Kaviar vollzufressen.

    Es gab da mal einen schönen Artikel der Zeit, wo Zeit-Journalisten als Obdachlose verkleidet bei so einem Charity-Dinner gekommen sind und gefragt haben, ob sie ein paar Reste haben könnten, weil sie Hunger haben. Wirklich wohltätig wäre es gewesen, sie reinzubitten. Oder ihnen wenigstens was abzugeben. Stattdessen wurden sie fortgejagt.

    Und genauso kommen mir diese Veranstaltungen vor:
    da wird schön rumgelabert und wenn die Leute dann aus der Tür raus sind, denkt jeder, jetzt hätte er was gutes getan, tut aber nicht wirklich was, um Dinge zu ändern...
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