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- 22. Juli 2013 3 Min.

Alan Turing schaffte die theoretischen Grundlagen für die moderne Computertechnologie und hat den Alliierten im Zweiten Weltkrieg geholfen, den Krieg zu gewinnen - gedankt hat es ihm sein Land bislang nicht
Im zweiten Weltkrieg noch ein Held, wurde der Codeknacker Alan Turing 1952 wegen Homosexualität angeklagt und anschließend kastriert. Jetzt soll er posthum rehabilitiert werden.
Ein Sprecher der britischen Regierung hat am Freitag angekündigt, die Verurteilung von Alan Turing wegen Homosexualität aufzuheben. Wie die Londoner Tageszeitung "Guardian" berichtet, soll die Begnadigung im Oktober im Unterhaus beschlossen werden.
Die Rehabilitierung geht auf eine Initiative aus dem Oberhaus zurück. Mehrere Mitglieder der Kammer haben kritisiert, dass der Kriegsheld unbarmherzig von staatlichen Stellen verfolgt wurde, sobald der Zweite Weltkrieg gewonnen war. So erklärte Lord John Sharkey: "Die Regierung weiß, dass Turing ein Held und ein großer Mann war. Sie weiß auch, dass er grausam behandelt wurde".
Der Mathematiker entwickelte in den 40er-Jahren für die Briten ein Verfahren zur Entschlüsselung der deutschen Funksprüche. Nach Ansicht vieler Experten war sein Beitrag kriegsentscheidend. Zuvor hatte er schon die moderne Informatik mit seiner "Turing-Maschine" eingeläutet.
Turing verübte nach Kastration Selbstmord
Nach dem Krieg wurde Turing jedoch wegen seiner Homosexualität verfolgt: Ein Gericht klagte ihn 1952 an, nachdem die Polizei einer Beziehung Turings auf die Schliche gekommen war. Der damals 40-Jährige erhielt die Wahl, ins Gefängnis zu gehen oder eine Behandlung mit triebhemmenden Hormonen zu beginnen, darunter Östrogene. Diese Therapie wurde "chemische Kastration" genannt. Er entschied sich für die Hormoneinnahme, litt aber danach unter Depressionen und der Entwicklung von Brüsten. Schließlich starb er zwei Jahre nach dem Verfahren. Offenbar hatte er sich das Leben genommen.
2009 hat sich der damalige Premierminister Gordon Brown bereits für die Verfolgung Turings entschuldigt (queer.de berichtete). Allerdings hat London bislang eine Rehabilitierung abgelehnt. Erst im vergangenen Jahr erklärte ein Regierungssprecher, dass sich Turing in den 50er Jahren nach damaligem Recht strafbar gemacht habe und dies nicht im Nachhinein aufgehoben werden könne (queer.de berichtete).
In Deutschland wird ähnlich argumentiert: Hierzulande wurden bislang nur die Urteile gegen Homosexuelle aus der Nazi-Zeit aufgehoben. Männer, die nach 1945 aufgrund des von den Nazis verschärften Paragrafen 175 verurteilt worden sind, gelten weiterhin als vorbestraft. Die Opposition hat in den letzten Monaten die Aufhebung der Urteile gefordert, was allerdings von Schwarz-Gelb abgelehnt wurde (queer.de berichtete). Die Bundesregierung – sowie vereinzelt Politiker aus der SPD – hatten argumentiert, dass die Verurteilungen durch den Paragrafen 175 rechtsstaatlich zustande gekommen seien und wegen der "Rechtssicherheit" nicht aufgehoben werden dürften.
In England und Wales wurde das Verbot der Homosexualität 1967 aufgehoben (in Schottland 1980, in Nordirland 1982). Die Urteile sind bislang noch rechtsgültig, allerdings können nach einer Entscheidung der britischen Regierung aus dem letzten Jahr Überlebende beantragen, ihre Verurteilung streichen zu lassen (queer.de berichtete). Insgesamt gelten aber noch 50.000 männliche Briten als vorbestraft wegen Unzucht mit Männern, darunter auch Oscar Wilde. (dk)














