Der Groninger Lokalpolitiker und Aktivist Kris van der Veen soll sich in Russland wegen "Homo-Propaganda" verantworten
Erstmals droht Ausländern in Russland eine Anklage wegen "Propaganda" für Homosexualität, darunter befindet sich auch ein grüner Lokalpolitiker. Der erste Gerichtstermin endete am Montag allerdings im Chaos.
Zu Update springen: Migrationsbehörde verhängt Einreiseverbot (18:40 Uhr)
Vier Niederländer sollen in Russland wegen Verstoßes gegen das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" angeklagt werden. Die Gruppe wurde am Sonntag in Murmansk vorläufig festgenommen und ist erst nach einer acht Stunden dauernden Vernehmung wieder freigelassen worden. Die Festgenommenen stammen aus dem niederländischen Groningen, der Partnerstadt von Murmansk. Sie wollten dort eine Dokumentation über Menschenrechte drehen, in denen auch LGBT-Rechte erwähnt werden sollten. Einer der Beschuldigten ist Kris van der Veen, ein lokaler Homo-Aktivist, der als Grüner im Stadtrat sitzt.
Die russischen Behörden beschuldigen die Ausländer nach Beschlagnahme und Sichtung des Bildmaterials, mindestens einen Minderjährigen zu Fragen der Homosexualität interviewt zu haben. "Einer der Teilnehmer in dem Video war minderjährig – er war 17 Jahre alt. Allerdings hatte er, als wir ihn zur Aufnahme einluden, erklärt, dass er bereits 18 sei", erklärte der Homo-Aktivist Sergej Alekseenko aus Murmansk nach Angaben der russisch-deutschen Gruppe Quarteera.
Ein erster Gerichtstermin fand bereits am Montagmorgen statt – genau zu dem Zeitpunkt, als die Rückflüge der Niederländer angesetzt waren. Die Verhandlungsbedingungen wurden von den Aktivisten als "chaotisch" beschrieben. So lagen vor Gericht keinerlei Dokumente vor, zudem war kein Dolmetscher anwesend. Das Verfahren soll daher in einigen Tagen stattfinden. Laut schwulen Aktivisten aus Murmansk wurde der Termin nur angesetzt, um die Niederländer von der Rückreise in ihr Heimatland abzuhalten.
Noch ist unklar, ob die Besucher wegen Verletzung der Einreisebestimmungen oder wegen Verstoßes gegen den "Homo-Propaganda"-Paragrafen angeklagt werden. Es wäre auch möglich, dass Russland die Beschuldigten ohne Verfahren ausreisen lässt, um so internationale Verstimmungen zu verhindern.
Youtube | In den Niederlanden sorgt das Verfahren für Schlagzeilen
Niederländischer Außenminister kritisiert Russland
Am Dienstagmorgen sind die Aktivisten im niederländischen Konsulat in St. Petersburg empfangen worden. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans hat den Beschuldigten bereits seine Unterstützung zugesagt und sich "besorgt" über die Verhältnisse in Russland geäußert.
Erst Ende Juni hatte Präsident Wladimir Putin das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" unterzeichnet (queer.de berichtete). Ausländer können bei einem Verstoß gegen das neue Gesetz neben einer Geldstrafe mit einer Ausweisung oder einem 15-Tage-Arrest belegt werden. (dk)
Update 18:40 Uhr: Migrationsbehörde verhängt Einreiseverbot
Am Dienstag erklärte ein Sprecher der russischen Migrationsbehörde gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax, dass die vier niederländischen Aktivisten drei Jahre lang nicht mehr nach Russland einreisen dürfen. Die zwei Frauen und zwei Männer hätten gegen die Visabestimmungen verstoßen, so die Begründung.
Wäre man gläubig, würde man vielleicht sagen: "Herr lass' Hirn vom Himmel regnen!."