Präsident Wladimir Putin versteht nicht, warum LGBT-Aktivisten wegen des Maulkorb-Gesetzes sauer sind
Der russische Staatschef hat in einem Interview versichert, dass Russland Homosexuelle nicht schlechter behandelt würden als Heterosexuelle – die Russen liebten sogar einen schwulen Musiker über alles.
Präsident Wladimir Putin versucht, die Sorgen über Russlands homophobe Politik zu zerstreuen. Er sagte am Dienstag im Gespräch mit einem russischen Staatssender und der Nachrichtenagentur AP, dass es trotz des im Juni in Kraft getretenen Gesetzes gegen Homo-"Propaganda" keine Diskriminierung gegen Schwule und Lesben in seinem Land gebe: "ich versichere Ihnen: Ich arbeite mit diesen Leuten, ich zeichne sie manchmal mit staatlichen Orden oder Preisen für ihre Verdienste in vielen verschiedenen Bereichen aus." Er sehe "nichts Außergewöhnliches" in der Art, wie Schwule und Lesben behandelt werden würden.
Im Interview fügte Putin an, dass sogar der hoch verehrte russische Komponist Pjotr Tschaikowski schwul gewesen sein soll. "Um die Wahrheit zu sagen, lieben wir ihn nicht deshalb, aber er war ein großer Musiker und wir lieben seine Musik", sagte Putin.
Der russische Präsident bot in dem Interview LGBT-Aktivisten an, sich mit ihnen zu treffen. Er erhielt kurz nach der Veröffentlichung des Gesprächs bereits eine Anfrage vom Moskauer CSD-Organisator Nikolai Aleksejew, der allerdings wegen aggressiver Ausfälle auf Facebook und Twitter in der internationalen Szene zunehmend umstritten ist.
Berichte von zunehmender homophober Gewalt
In den letzten Wochen haben russische LGBT-Organisationen wiederholt berichtet, dass es wegen homophoben politischen Klimas einen Anstieg der homofeindlichen Übergriffe gegeben habe. Neo-Nazis würden das "Propaganda"-Gesetz, das jegliche öffentliche Debatte über Homosexualität untersagt, als Freibrief empfinden, um Gewalt gegen sexuelle Minderheiten anzuwenden, beklagt etwa das LGBT-Netzwerk.
In mehreren europäischen, australischen sowie nord- und südamerikanischen Städten kam es am Dienstag wieder zu Protesten gegen die russische Homo-Politik. So demonstrierten 200 Menschen vor der Downing Street, dem Sitz des britischen Premierministers in London. Dort erklärte der schwule Parlamentsabgeordnete Chris Bryant bei einer Rede: "Jedes Mal, wenn Präsident Putin wieder einmal ohne Hemd in die Öffentlichkeit tritt, könnte man denken, dass er Werbung für Homosexualität machen will."
Obama und Cameron bei G20-Gipfel für Homo-Rechte
Premierminister David Cameron will sich bei Putin für Homo-Rechte einsetzen (Bild: World Economic Forum / flickr / by-sa 2.0)
Westliche Politiker unterstützen die Proteste: US-Präsident Barack Obama will sich am Donnerstag beim G20-Treffen in St. Petersburg auch mit örtlichen LGBT-Aktivisten treffen (queer.de berichtete). Am Mittwoch hat außerdem eine Sprecherin der britischen Konservativen angekündigt, dass Premierminister David Cameron bei dem Gipfel Putin auf die Lage von Schwulen und Lesben ansprechen werde. Das "Propangada"-Gesetz sei "inakzeptabel", sagte sie weiter.
Am Sonntag sind bei einem weltweiten Aktionstag noch weitere Protestaktionen geplant. So soll es in mehreren deutschen Städten vor russischen Konsulaten und der Botschaft in Berlin zu einem Kiss-in kommen (mehr Infos hier). (dk)