Protest gegen Homophobie der Kanzlerin und ihrer Partei am Rande des diesjährigen Berliner CSDs (Bild: Norbert Blech)
LSVD und Opposition kritisieren die Bundeskanzlerin für ihre Aussagen in der ARD-"Wahlarena".
Einen Tag nach der Äußerung von Bundeskanlerin Angela Merkels in der ARD-"Wahlarena", sie werde von sich aus keinen Gesetzentwurf für eine Gleichstellung homosexueller Paare im Adoptionsrecht in den Bundestag einbringen, hagelt es Kritik vom LSVD und der Opposition an der CDU-Politikerin.
"Eine Bundeskanzlerin darf ihre Politik nicht an persönlichen Ressentiments ausrichten", kritisierte Axel Hochrein vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD). Die Kanzlerin habe "für ihre Ablehnung des Adoptionsrechtes für gleichgeschlechtliche Paare kein einziges Argument nennen" können, "außer dass sie sich bei dem Thema persönlich schwer tue." Merkel hatte das Kindeswohl ins Gespräch gebracht. Das sei eine "unverantwortliche Politik mit dem Vorurteil", so Hochrein.
Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu diesen Fragen seien "wohl begründet. Bundeskanzlerin Merkel dagegen stützt sich allein auf ihre persönlichen Vorurteile. Oder schielt sie darauf, ein paar rechtspopulistische und reaktionäre Wähler von sich zu überzeugen? Beide Motive sind keine guten Grundlagen für eine verantwortliche Politik."
Der LSVD setze darauf, "dass die künftige Bundesregierung den Diskriminierungskurs gegen Lesben und Schwule beendet" und "endlich die Verfassung zum Maßstab nimmt und nicht ein persönliches 'Bauchgefühl'".
Beck sieht verfassungswidrige Diskriminierung
Volker Beck griff zugleich Merkels Koalitionspartner FDP an
"Merkel will Lesben und Schwule weiter in verfassungswidriger Weise diskriminieren", kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck. "Recht und Gesetz jucken Merkel nicht, wenn es um die Diskriminierung von Homosexuellen geht. Sie bedient damit den rechten Rand und scheut damit nicht den offenen Verfassungsbruch."
Eine Gleichstellung sei "keine Geschmacksfrage oder eine Frage von Moden, sie ist ein verfassungsrechtliches Gebot!", so Beck. Nach Merkels Ankündigung, "die schwarz-gelbe Diskriminierungspolitik fortzusetzen", müsse die FDP ihr Wahlprogramm zurücknehmen: "Lesben und Schwule werden nicht auf das FDP-Lügenprogramm hereinfallen. Mit Schwarz-Gelb wird die homophobe Ideologie der heterosexuellen Menschen erster Klasse und homosexuellen Menschen zweiter Klasse rechtspolitisch fortgesetzt."
Die schwarz-gelbe Gesellschaftspolitik gegenüber Homosexuellen und Frauen sei "näher an Pius-Brüdern und Putin als an einem modernen Europa des 21. Jahrhunderts orientiert". Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender fühlten sich in Deutschland "vielleicht aus Karlsruhe gut regiert, besser wäre es aber endlich die volle Gleichstellung durch die Öffnung der Ehe zu erreichen, bevor Karlsruhe wieder urteilen muss und wir wieder nur einen kleinen Schritt weiterkommen."
Steinbrück für Gleichstellung
Steinbrück stellte seine Haltung am Dienstag auch auf Facebook klar
Bei einem Besuch des Film- und Medienzentrums in Ludwigsburg hat sich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erneut für die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft und eine Öffnung der Ehe ausgesprochen. "Die Lebensentwürfe im 21. Jahrhundert sind bunter als früher". Steinbrück betonte, er habe in seinem eigenen Bekanntenkreis zwei lesbische Paare, deren Kinder die gleiche Liebe und Zuwendung erführen wie die heterosexueller Paare.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Merkel am Dienstag in Berlin eine Diskriminierung von Lesben und Schwulen vor. Die Kanzlerin habe in der ARD-Sendung "völlig argumentationsfrei ihre persönlichen Vorurteile offenbart".
"Angela Merkel hat ein Problem mit Lesben und Schwulen", kritisierte auch Ansgar Dittmar von der Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD (Schwusos). "Bislang ist sie immer im Unkonkreten geblieben oder hat ihre konservativen Wadenbeißer losgelassen. Bei der ARD-Wahlarena musste sie jedoch Farbe bekennen und hat gleichzeitig allen Lesben und Schwulen deutlich gemacht, dass sie keine volle Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften will."
Merkel, so Dittmar, wolle bei "ihrer offenen Diskriminierung bleiben" und sich "vom Bundesverfassungsgericht dazu zwingen lassen", den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes umzusetzen. "Das ist aber keine Politik – das ist verantwortungslos!"
FDP diskutiert bei Twitter
Aus CDU/CSU und FDP liegen bislang keine Stellungnahmen vor. Auf Twitter schrieb jedoch FDP-Parteisekretär Patrick Döring, die Partei stehe "für die volle Gleichstellung homosexueller Paare. Dazu zählt selbstverständlich auch das Adoptionsrecht!" Nach Kritik von Volker Beck, die Liberalen hätten immer an der Seite der Union gestimmt, schrieb der schwule FDP-Politiker Michael Kauch in dem Netzwerk, auch die Grünen hätten mit der SPD einst gegen ein Adoptionsrecht gestimmt. "Wie die #Grünen wird auch die #FDP einen neuen Anlauf unternehmen." Kritik an Merkels Äußerung an sich gab es bislang nicht. (nb)
Update 16.45h: Ergänzung zu Döring
FDP-Parteisekretär Patrick Döring sagte der DPA am Nachmittag: "Die Union muss endlich die Scheuklappen ablegen und in der Lebenswirklichkeit ankommen."
Dem muss Politik auch gerecht werden!
www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm