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Schreiben ans Sub
Russischer Generalkonsul in München verteidigt "Propaganda"-Gesetz
- 13. September 2013 4 Min.
Kritiker entstellten Wesen und Inhalt des Gesetzes, kritisiert Andrej Grozow. Und präsentiert seine Sicht der Dinge.
Von Norbert Blech
Am vergangenen Sonntag trafen sich Menschen weltweit, um mit Küssen vor russischen Botschaften und Konsulaten gegen die homophobe Politik des Landes zu protestieren (queer.de berichtete). Auch in München gab es einen Protest. Das Schwulenzentrum Sub hatte dazu den örtlichen russischen Generalkonsul eingeladen, der zwar absagte, aber am gleichen Tag einen Brief verfasste, um mal den ganzen Schlamassel mit dem Gesetz gegen Homo-"Propaganda" offiziell zu erklären.

In dem Brief bedankt sich Andrej Grozow zunächst höflich für die Einladung und bedauert, nicht kommen zu können, da er einen "offiziellen Status" habe. Er will aber mit dem Brief einen "Beitrag zur Diskussion" leisten und startet die folgende dreiseitige Kraftanstrengung mit einem schönen, Luft holenden "Also."
Die Diskriminierung der sexuellen Minderheiten, wie auch alle anderen Formen der Diskriminierung, ist in Russland von der Verfassung verboten. Die Kritiker und Gegner des russischen Gesetzes, das die Propaganda von nicht traditionellen Beziehungen verhindert, entstellen vorsätzlich dessen Wesen und Inhalt.
Dann fangen wir mal mit der "Entstellung" an: Homosexualität wird im Antidiskriminierungsparagrafen der Verfassung nicht erwähnt, wie auch in Deutschland nicht. Auch hier hört man, wie Grozow später ausführt, dass unter sonstigen Gründen auch "sexuelle Identität gemeint" sei, an der Umsetzung mangelt es freilich hierzulande wie in Russland. Grozow weist dann auch selbst darauf hin, dass das Verfassungsgericht bereits entschieden habe, dass regionale Gesetze zur "Propaganda" nicht der Verfassung widersprechen. Weiter im Text:
Das Verfassungsgericht hat festgelegt, dass die Familie, Mutterschaft und Kindheit in ihrer traditionellen Auslegung die Werte sind, die die Grundbedingungen von Erhalten und Bestehen des multinationalen Russlands prägen.
Ja, die Argumentation ist leider hinlänglich bekannt, auch hierzulande, Katherina Reiche lässt grüßen. Das Gesetz gebe eine "eindeutige Definition des Begriffes 'Propaganda der nicht traditionellen sexuellen Beziehungen'", so der Generalkonsul weiter – in Wirklichkeit ist es freilich ein Gummiparagraf. Und die Entscheidung, "ob der Mensch schuldig ist oder nicht", treffe nur "das Gericht unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verbote von der Diskriminierung jeder Art". Danke für die Belehrung, aber es weiß doch jeder, dass Russland eine unabhängige Justiz hat.
Der Botschafter weiter: "In Russland sind gesellschaftliche Vereine, die Interessen von LHBT vertreten, registriert und unbeschränkt funktionieren." Nebem dem Deutsch verstört zunächst die Abkürzung: Meint er Lesben und Homosexuelle? In der Tat dürfen jedenfalls in Russland LGBT-Organisationen existieren, anders als in Weißrussland. Allerdings schmeißt man ihnen als vermeintliche "ausländische Agenten" derzeit Knüppel zwischen die Beine.
Korrekt weist der Generalkonsul darauf hin, dass bei einem Verstoß gegen das Gesetz nur eine Geldstrafe vorgesehen ist – und vielleicht noch kleine Unannehmlichkeiten:
Die Rechtsschutzorgane können die an der absichtlichen Verletzung solchen Verbotes schuldigen Personen nur festnehmen. In der Praxis handeln Gay-Aktivisten sehr oft provokativ, indem sie ihre Sammlungen vor Kinderbetreuungsstätten veranstalten.
Immerhin: Wer Pech hatte, weil er so trotzig war, den vermeintlichen Kinderschutz des Gesetzes mit einem Protest aufs Korn zu nehmen, darf sich vor Gericht verteidigen: "Anbei untersagt die russische Gesetzgebung den Vertretern von LHBT nicht, ihre Interessen rechtmäßig zu schützen." Wie gnädig aber auch.
Der Konsul geht ansonsten in keinster Weise auf Diskrinierung und Gewalt gegenüber "LHBT" ein, weist aber noch darauf hin, dass Russland, anders als die USA, das internationale Übereinkommen über die Rechte des Kindes unterzeichnet habe und diese Rechte wahren wolle:
Die russische Gesetzgebung verpflichtet staatliche Behörden, die Kinder von einer Information zu bewahren, die ihrer Gesundheit, ihrer ethischen und geistigen Entwicklung schaden kann.
Völkerrechtsnormen verpflichteten Russland nicht, die "Propaganda von Homosexualität unter Kindern zu erlauben", im Gegenteil sei unter anderem durch die Europäische Menschenrechtskonvention "die Ausübung des Rechtes auf Meinungsfreiheit mit besonderen Pflichten verbunden"…

In Deutschland geht das allerdings nicht, wie auch die Münchner Szene bei diesem Protest am letzten Sonntag vor Grozows Amtssitz eindrucksvoll zeigte:

Foto: Sub















Wenn Politiker und IOC schon tatenlos wegsehen, müssen wir es in die Hand nehmen: Russland und die Olympischen Spiele boykottieren...