Parteichefs Merkel und Gabriel vorm Brandenburger Tor: Beim Politischen Karneval in Berlin wurde die Große Koalition bereits vorweggenommen (Bild: insm / flickr / by-nd 2.0)
Auf dem SPD-Parteikonvent werden die Schwusos beantragen, dass es ohne Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Hetero-Ehen keine Koalition mit der Union geben soll – die Ehe-Öffnung ist aber nur "Fernziel".
Von Dennis Klein
250 SPD-Delegierte sollen am Freitag in einem außerordentlichen Parteikonvent in Berlin entscheiden, ob sich die Partei wie 2005 auf eine Große Koalition einlassen soll. In der Basis brodelt es: Auf Facebook gibt es sogar schon einen Aufruf an das SPD-Fußvolk, während des nicht öffentlichen Konvents vor dem Will-Brandt-Haus zu demonstrieren. Außerdem lehnen mehrere Landesverbände – inklusive des größten in Nordrhein-Westfalen – die "Ehe" mit der Union ab. Sie haben Angst, von der übermächtigen Kanzlerin vollständig überstrahlt zu werden.
Die Arbeitsgemeinschaft der Lesben- und Schwulen in der SPD fordert daher, nicht auf Posten zu schauen, sondern auf Inhalte: Die Sozialdemokraten dürften nur eine Koalition in Erwägung ziehen, wenn "Gerechtigkeitsthemen" in keiner Koalitionsoption aufgegeben werden würden. Dazu zählten etwa die "Beendigung der Zwei-Klassen-Medizin" und die Einführung der Doppelten Staatsbürgerschaft, man müsse aber auch das Motto der Wahl-Kampagne "100% Gleichstellung – nur mit uns" ernst nehmen. Daher bezeichnen die Schwusos in einem bislang noch geheimen Antrag, der queer.de vorliegt, die Umsetzung der vollständigen Gleichstellung in einer Großen Koalition, insbesondere im Adoptionsrecht, als "unverzichtbar". Über den Antrag sollen die Delegierten am Freitagabend abstimmen.
Ehe-Öffnung nur "Fernziel"
Die SPD hat im Wahlkampf bereits eine hundertprozentige Gleichstellung versprochen
Für die Schwusos ist zumindest die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und heterosexuellen Ehen das Minimalziel: "Wir haben uns fünf Jahre den Arsch aufgerissen, um die SPD auf Linie zu trimmen. Wir haben keinen Bock drauf, dass das in Koalitionsverhandlungen kaputt gemacht wird", erklärte ein Schwusos-Mitglied am Donnerstag gegenüber queer.de. "Es ist der Community nicht zuzumuten, noch weitere vier Jahre zu warten".
Nach dem Willen der Arbeitsgemeinschaft soll die SPD daher beschließen, dass in einem Koalitionsvertrag die vollständige Gleichstellung enthalten sein muss. Sollte keine Einigung erzielt werden, müsste die SPD auf einer "Öffnungsklausel" bestehen, dürfte dann also auch mit der Opposition gegen den eigenen Regierungspartner stimmen.
Die Ehe-Öffnung wird in dem Papier bislang nur als "Fernziel" bezeichnet. Nach Ansicht der Schwusos ist sie einerseits mit der Union nicht umzusetzen, andererseits hätten auch manche SPD-Juristen verfassungsrechtliche Bedenken, obgleich ein Parteitag bereits 2011 die Öffnung der Ehe gefordert hatte (queer.de berichtete).
Kahrs widerspricht: Ehe-Öffnung ist unverzichtbar
Joahnnes Kahrs will keine Koalition akzeptieren, in dem es nicht zur Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben kommt
Vorrangiges Ziel sollte nach Ansicht der Schwusos sein, die vollständige Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und heterosexueller Ehe sehr schnell umzusetzen – und die Ehe-Öffnung "gut" zu prüfen. Ideal wäre hier jedoch nach Ansicht vieler Schwusos die Öffnungsklausel, um gemeinsam mit Grünen, Linken und einigen Unionsabgeordneten die Gleichstellung im Eherecht durchzusetzen.
Einige schwule Sozialdemokraten wie der Hamburger Bundestagsabgeordnete Joahnnes Kahrs bezeichnen aber auch die Ehe-Öffnung als Voraussetzung für eine Große Koalition. Im Deutschlandfunk erklärte der Chef des Seeheimer Kreises: "Ich glaube auch, dass die Öffnung der Ehe, die Gleichstellung von Lesben und Schwulen nicht verhandelbar ist, genauso wie die doppelte Staatsbürgerschaft nicht verhandelbar ist."
In dem Antrag der Schwusos wird die Partei eindringlich vor der "FDP-Falle" gewarnt: Sollte nämlich die SPD aus Koalitionsräson beim Thema Homo-Rechte wie die Liberalen zuvor wieder und wieder gegen die Gleichstellung votieren, würde das die eigene Klientel verschrecken – und diese ist ohnehin schon kleiner als in den Schröder-Jahren.
Da sieht man wieder mal, wie verlogen auch die SPD ist: noch vor der Wahl hieß es, man fordere die Eheöffnung und jetzt ist das sogar für die Schwusos plötzlich nur noch "Fernziel".
Da darf sich die SPD nicht wundern, dass sie als ehemalige Volkspartei nur noch um die 25% dümpelt. Und wenn sie dann beim nächsten mal noch weniger Stimmen bekommt. Bei der FDP hat man ja gesehen, dass wir nicht so schnell vergessen, wenn man uns verarscht und die Versprechen zur Gleichstellung nicht hält.
Und mit ca. 15% haben wir durchaus Macht.