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Xavier Bettel
Schwuler könnte Luxemburger Premierminister werden
- 23. Oktober 2013 3 Min.

Ein liberaler Parteichef als Regierungschef? Was in Deutschland unmöglich klingt, könnte bald in Luxemburg Realität werden: Der schwule Politiker Xavier Bettel ist auf dem Weg, zum "Premierministere vu Lëtzebuerg" gewählt zu werden - ein Posten, der traditionell einflussreiche Europa-Politiker hervorbringt. (Bild: Julien Becker / CC-BY-SA-3.0)
Der liberale Parteichef Xavier Bettel hat Chancen, als erster Schwuler die Regierung des Großherzugtums anzuführen – auch den Vizeposten könnte ein Schwuler übernehmen.
Bei den ersten Gesprächen über Regierungskoalitionen in Luxemburg nach den Wahlen vom Sonntag bahnt sich eine kreative Lösung an: Der schwule Bürgermeister von Luxemburg-Stadt könnte in einem Dreierbündnis zum Nachfolger des seit 1995 regierenden Konservativen Jean-Claude Juncker gewählt werden. Xavier Bettel von der liberalen Demokratischen Partei gilt derzeit als Favorit auf den Posten des Regierungschefs.
Bei den Kammerwahlen hatte seine Partei über 18 Prozent der Stimmen erhalten, 3,3 Prozent mehr als 2009. Er strebt nun eine wegen der Parteifarben rot, blau und grün als "Gambia-Koaliton" bezeichnetes Regierungsbündnis mit der Luxemburger Sozialistischen Arbeiterpartei (20 Prozent) und den Grünen (10 Prozent) an.
Jean-Claude Junckers Christlich-Soziale Volkspartei verlor bei den Wahlen über vier Prozent der Stimmen, stellt aber mit 34 Prozent der Stimmen immer noch die stärkste Fraktion. Er hatte in den letzten vier Jahren in einer Koalition mit den Sozialisten regiert.
"In vielen Punkten einig"

Der ebenfalls offen schwule Etienne Schneider von der Sozialistischen Arbeiterpartei könnte Vize-Regierungschef werden
Am Montagabend kündigte Bettel an, dass die Gespräche über eine Koalition mit Sozialisten und Grünen bereits nach 24 Stunden weit fortgeschritten seien: "Es sieht so aus, als könne die DP in dieser Konstellation den Premierminister stellen." Man sei sich bereits in vielen Punkten einig und demnach auch "zuversichtlich, dass wir die vorhandene Mehrheit in eine Koalition umwandeln können", so Bettel nach Angaben der Zeitung "Luxemburger Wort". Im Dezember könnte bereits die Regierung stehen.
Der 40-jährige Bettel ist Jurist und seit 1999 Abgeordneter im luxemburgischen Parlament. In einer Sendung des Fernsehsenders RTL outete er sich 2008 als schwul. Zwei Jahre später ging er eine eingetragene Partnerschaft ein. Im Jahr 2011 wurde er schließlich Bürgermeister der luxemburgischen Hauptstadt. Seit Anfang des Jahres ist er zudem liberaler Parteichef. Er gilt als pragmatisch.
Bereits 1974 schaffte es mit Gaston Thorn ein Liberaler in einer Koalition mit der Sozialistischen Arbeiterpartei den Posten des Premierministers einzunehmen, obwohl seine Partei bei den Wahlen rund vier Prozent weniger erhielt als die Sozialisten. Später wurde er zum bedeutenden Europapolitiker und zum Präsidenten der Europäischen Kommission.
Als Vize-Regierungschef wird ebenfalls ein offen Schwuler gehandelt: Der Spitzenkandidat der Sozialisten, Etienne Schneider, könnte dieses Amt übernehmen. Er war bislang Wirtschaftsminister in einer Koalition mit Junckers Konservativen.
Luxemburg gilt als äußerst homofreundlich. Homosexualität wurde bereits 1794 legalisiert, seit 2004 gibt es eingetragene Lebenspartnerschaften. Seit mehreren Jahren hat die bisherige Große Koalition im Konsens über die Öffnung der Ehe debattiert. Mitte Juni hatte der Rechtsausschuss des Parlamentes bereits einem Gesetzentwurf zugestimmt, der die Gleichbehandlung in praktisch allen Bereichen, inklusive des Adoptionsrechts, vorsieht. Das Gesetz sollte eigentlich im Herbst in der Abgeordnetenkammer beschlossen werden, allerdings musste diese Abstimmung wegen Neuwahlen verschoben werden. (dk)
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