Israel gilt als das mit Abstand LGBT-freundlichste Land im Nahen Osten. Nun sollen Schwule und Lesben - ebenso wie heterosexuelle Atheisten und gemischtreligiöse Paare - nicht mehr zum Heiraten ins Ausland fahren müssen (Bild: Andrew Ratto / flickr / by 2.0)
Eine liberale Regierungspartei in Israel will zivile Lebenspartnerschaften für alle Paare einführen, die mit der ausschließlich von Rabbinern, Pfarrern und Imamen geschlossenen Ehe gleichgestellt sein soll.
Die liberale Partei Jesch Atid hat am Dienstag einen Gesetzentwurf in die Knesset in Jerusalem eingebracht, der es verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren erlauben soll, auf Standesämtern ihre Partnerschaften registrieren lassen zu können. Die Paare würden dann die gleichen Rechte wie Eheleute erhalten. Jesch Atid ist Teil der Fünfparteienkoalition unter Führung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die Partei ging bei den Parlamentswahlen im Januar als zweitstärkste politische Kraft nach Netanjahus Likud-Parteienbündnis hervor.
Das Gesetz würde auch für Heterosexuelle eine Revolution bedeuten: Derzeit gibt es in Israel keine Zivil-Ehe, nur Religionsgemeinschaften dürfen Hochzeiten durchführen. Dadurch haben Paare mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit oder Nichtgläubigen praktisch keine Chance, im Land eine Ehe zu schließen. Auch viele Juden dürfen nicht heiraten, wenn sie den strengen Nachweis jüdischer Abstammung nicht erhalten. Mehr als ein Viertel aller Israelis heiratet daher im Ausland – so hat sich die Mittelmeerinsel Zypern auf (heterosexuellen) Hochzeitstourismus aus Israel spezialisiert.
Der neue Gesetzentwurf vermeidet die Nutzung des Wortes "Ehe", gibt Paaren aber die gleichen Rechte und Pflichten. Diese Verbindung ist definiert als zwischen "zwei Menschen", stünde also auch Homo-Paaren offen.
Streitpunkt: Verhältnis zwischen Staat und Religion
"Wir haben kein Interesse daran, die religiösen Autoritäten herauszufordern", erklärte Yair Lapid, der israelische Finanzminister und Vorsitzende der Jesch-Atid-Partei. "Unsere eigenen religiösen Abgeordneten – darunter zwei Rabbis – waren von Anfang an in den Gesetzgebungsprozess involviert. Unser einziges Ziel ist es, jedem israelischen Bürger – ob Jude, Nichtjude, Hetero oder Homo – die Chance zu bieten, dass ihr Land ihre Liebe anerkennt."
Konservative, auch innerhalb der Regierung, lehnten den Vorstoß der Liberalen jedoch kategorisch ab. So erklärte Yoni Chetboun von der Partei "Jüdisches Heim", die ebenfalls Mitglied der Fünferkoalition ist, dass es "weder Zivilehe noch Homosexuellenehe" in Israel geben werde: "Das jüdische Volk hat Exil und Schmerz auf sich genommen und einen Staat gegründet, weil wir immer die Vergangenheit und unser Erbe akzeptiert haben und unser Volk so einzigartig geblieben ist. Initiativen wie diese entzweien das jüdische Volk".
Das "Jüdische Heim" hat innerhalb der Regierung ein Vetorecht gegen Gesetzentwürfe, die den Status quo zwischen Religion und Staat ändern. Jesch Atid beharrt jedoch darauf, dass der Gesetzentwurf dieses Verhältnis nicht verändere, da es sich lediglich um eine weltliche Einrichtung handele, die sich von der religiösen Ehe unterscheide. Die Partei glaubt, in der Knesset eine Mehrheit dafür finden zu können.
Israel erkennt bereits seit 2006 im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen als gleichwertig mit heterosexuellen Ehen an. (dk)
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