Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist die höchste rechtsprechende Instanz in der Europäischen Union (Bild: Cedric Puisney / flickr / by-nd 2.0)
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind Schwule und Lesben eine "soziale Gruppe" und haben Anspruch auf Asyl, wenn sie in ihrem Heimatland aggressiv verfolgt werden.
Der Europäische Gerichtshof hat am Donnerstag entschieden, dass Homosexuelle in der Europäischen Union Asyl erhalten müssen, wenn ihnen in ihrem Heimatland aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Haftstrafen drohen (Aktenzeichen: C-199/12, C-200/12, C201/12). Allerdings ist die bloße Androhung einer Inhaftierung noch kein Asylgrund – erst wenn Gefängnisstrafen "tatsächlich verhängt werden", müssen Schwule und Lesben als Flüchtlinge anerkannt werden.
Das bedeutet, dass die Existenz eines homophoben Gesetzes, das nicht notwendigerweise zu Haftstrafen führe, für die Gewährung von Asyl nicht ausreichen muss. Es müsse vielmehr eine "bestimmte Schwere" vorliegen. "Nicht jede Verletzung der Grundrechte eines homosexuellen Asylbewerbers ist notwendigerweise in einem solchen Maße schwerwiegend", erklärte das Gericht.
Homosexuelle müssen sexuelle Orientierung nicht geheim halten
Generalanwältin Eleanor Sharpston hatte
Nach Ansicht der Luxemburger Richter sind verfolgte Schwule und Lesben eine "soziale Gruppe" im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Weil eine EU-Richtlinie besagt, dass soziale Gruppen bei Verfolgung in den Mitgliedsstaaten Asyl gewährt werden muss, träfe dies auch auf Homosexuelle zu. Die sexuelle Orientierung sei dabei ein so einschneidendes Merkmal, dass man Homosexuellen nicht zumuten könne, diese geheim zu halten, um eine Verfolgung in ihrem Heimatland zu vermeiden, so das Gericht.
Geklagt hatten drei schwule Männern aus Sierra Leone, Uganda und dem Senegal, die in den Niederlanden Asyl beantragt hatten. Der niederländische Staatsrat hatte die Fälle dem Europäischen Gericht vorgelegt, um diese zu prüfen. Das niederländische Einwanderungsministerium argumentierte ursprünglich, dass die Männer ihre sexuelle Orientierung in ihrem Heimatland geheim halten könnten und dann nicht verfolgt würden – diese Auffassung wurde nun vom Europäischen Gerichtshof gekippt.
Es liegt nach der Entscheidung allerdings immer noch in den Händen der nationalen Behörden, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob das Heimatland des Antragstellers tatsächlich Homosexuellen Gefängnis androht. Die Behörden könnten entscheiden, "ob im Herkunftsland des Antragstellers die in solchen Rechtsvorschriften vorgesehene Freiheitsstrafe in der Praxis verhängt wird".
EU-Generalanwältin Eleanor Sharpston hatte bereits im Juli empfohlen, ein EU-weites Asylrecht für Homosexuelle aus Verfolgerstaaten zu schaffen (queer.de berichtete). Gewöhnlich folgt der Europäische Gerichtshof den Empfehlungen der Generalanwälte.
Volker Beck: Urteil "historisch"
In einer ersten Reaktion begrüßte der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck die Entscheidung der EU-Richter. Er bezeichnete das Urteil als "historisch für den Schutz der wegen ihrer Homosexualität verfolgter Flüchtlinge". Er forderte auch die deutschen Behörden auf, ihre Praxis entsprechend anzupassen.
In Deutschland hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits im Februar erklärt, dass Homosexuelle in Deutschland grundsätzlich Asyl erhalten sollen, wenn ihnen in ihrer Heimat Verfolgung droht (queer.de berichtete). Zuvor hatten Abschiebegerichte oft argumentiert, dass man als Homosexueller in einem Verfolgerstaat gut leben könne, wenn man seine sexuelle Ausrichtung geheim hält. So wollte ein bayerisches Gericht eine Lesbe in den Iran zurückschicken, weil sie dort "bei entsprechend zurückhaltenden Lebenswandel" keiner Gefahr ausgesetzt sei (queer.de berichtete).
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sind für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten bindend. (dk)
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