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Queere Afrika-Konferenz
Die Verstrickung von Kirche und Homophobie
- 29. November 2013 6 Min.

Kein einfacher Kontinent für LGBT: In den dunkelroten Staaten gilt die Todesstrafe für einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sex. Einzig in Südafrika (dunkelgrün) ist die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet (Bild: ILGA)
Unter dem Motto "Pride & Prejudice: Homosexualität und Religion in Subsahara-Afrika" diskutierten am Donnerstag internationale LGBT-Aktivisten im Auswärtigen Amt.
Von Kevin Clarke
Man mag ja über Guido Westerwelle denken, was man will. Eines hat der FDP-Politiker auf alle Fälle erreicht, dass nämlich Veranstaltungen wie die von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung des LSVD organisierten Afrika-Kongresse drei Jahre in Folge die volle Unterstützung des Auswärtigen Amts hatten. Das heißt: Teilnehmer aus Afrika wurden für eine ganze Woche nach Berlin eingeflogen, einquartiert und bewirtet, sie wurden hier zusammengebracht mit deutschen Gesprächspartnern aus Politik, Religion und Gesellschaft, die sie von sich aus nie zu Terminen an einen Tisch bekommen hätten, und ihnen wurde das Auswärtige Amt als Bühne bereitgestellt, um bei einer Konferenz ihre Probleme und Nöte einem größeren Publikum vorzutragen.
Das ist ein Luxus, von dem Organisationen wie die kleine Hirschfeld-Eddy-Stiftung nur träumen können. Und man muss fragen, ob dieser Traum einer perfekten Zusammenarbeit mit einer neuen Regierung nicht ein abruptes Ende finden könnte, wenn im Auswärtigen Amt jemand sitzt, für den LGBTI-Rechte kein Herzensanliegen sind, weil er davon nicht selbst betroffen ist. Guido Westerwelle war am Donnerstag nicht anwesend bei der Konferenz, aber beim Blick in die wahrhaft opulenten Staatsräume spürte man dennoch seine schützende Hand, die über der ganzen Veranstaltung ruhte. Statt seiner kam Katharina Lack vom Referat für internationalen Menschenrechtsschutz vom Auswärtigen Amt und sagte klipp und klar, dass grundsätzlich das Thema "Menschenrechte sind auch LGBTI-Rechte" engagiert weiterverfolgt werde.
Hauptthema der Afrika-Konferenz 2013 war die problematische Verstrickung von Kirche und Homophobie in der Südhälfte des Kontinents, was besonders die christlichen Kirchen betrifft (der Norden Afrikas ist bekanntlich eher muslimisch geprägt.) Am eindrucksvollsten fand ich persönlich die Geschichte von Dawn Cavanagh aus Südafrika, die schilderte, dass ihr Land zwar die großartigste Verfassung habe, die man sich in Bezug auf LGBT-Rechte nur vorstellen könne. Dass man als junges schwarzes lesbisches Mädchen auf dem Weg zur Schule davon aber nichts habe, wenn man von Gangs am Straßenrand zusammengeschlagen werde – Gangs, die am Sonntag in der Kirche waren und von ihren Geistlichen gehört hatten, dass Schwule, Lesben und Trans-Menschen "un-South African, inhumane, insane, unholy and criminal" seien, also "nicht südafrikanisch, nicht menschlich, geistesgestört, nicht heilig und kriminell". Cavanagh schilderte auch, dass dieses junge schwarze lesbische Mädchen nach einem Coming-out niemals einen Job bei einer Bank bekommen oder einen respektierten Platz in der Gesellschaft einnehmen könne, Verfassung hin oder her. Das sei die Realität.
Können deutsche Kirchenvertreter Einfluss nehmen?

Politisch korrekte Ausschilderung im Auswärtigen Amt: In ihren Heimatländern können viele LGBT-Aktivisten von einem offiziellen Besuch im Ministerium nur träumen (Bild: Kevin Clarke)
Eine immer wiederkehrende Forderung aller Sprecher war, dass man in Afrika ein Menschenrechts-System einrichten müsse, das zuerst den Schutz des Individuums garantiere, ein System, das auf allen Ebenen durchsetze, dass der Slogan "Do us no harm" gilt. Um das zu erreichen, hatten die Aktivisten aus Ghana, Kamerun, Malawi, Nigeria, Ruanda, Simbabwe, Sambia, Südafrika und Uganda in Berlin am Dienstag Vertreter der deutschen Kirchengemeinschaften getroffen. Ihre Hoffnung: Diese Kirchenvertreter könnten Einfluss auf ihre Partner in Afrika nehmen, mit denen sie durchaus in engem Kontakt stehen, um ein Umdenken im überwiegend extrem homophoben Verhalten der afrikanischen Landeskirchen zu erwirken. Wie stark die deutschen Kirchen an solch einem Umdenken wirklich interessiert sind, wurde in Frage gestellt von einem Diskussionsteilnehmer, der erzählte, dass er für eine deutsche christliche Aids-Hilfeorganisation arbeite und nach Afrika geschickt wurde mit dem expliziten Hinweis, das Wort "homosexuell" nicht zu benutzen und das Thema vollständig zu vermeiden.
Im Rahmen der Konferenz wurde wiederholt gefragt – u.a. von Boris Dittrich, der sich und seine Organisation Human Rights Watch damit wunderbar in Szene setzte – was wir, als Deutsche oder in Deutschland ansässige Organisationen tun können, um zu helfen. Wiederum kam eines der prägnantesten Beispiele von Dawn Cavanagh. Sie schilderte, wie schwer es oft für LGBT-Organisationen in Afrika sei, mit Politikern und Religionsführern ins Gespräch zu kommen. Meist sei es unmöglich, überhaupt nur einen Termin zu erhalten. Cavanagh berichtete von der schwedischen Botschaft in Südafrika, die zu allgemeinen Empfängen und Cocktailpartys immer wieder auch LGBT-Gruppen eingeladen habe. Bei diesen Empfängen war es dann – ganz informell – möglich, die Menschen erstmals anzusprechen, die sonst jeden Kontakt verweigert hatten. Katharina Lack sagte denn auch am Ende der Veranstaltung, dass einer der Kernpunkte, den sie mitnimmt aus der Diskussionsrunde, die Aufgabe sei, "Raum für Dialog stärker zur Verfügung zu stellen".
Für die Afrikaner war es wiederum, nach eigener Aussage, wichtig zu sehen, was für LGBT-Organisationen es in Deutschland gibt, wie sie arbeiten und wie sie Dinge erreicht haben – damit man von Vorbildern lernen und Netzwerke aufbauen könne. Teil des Wochenprogramms der Besucher war denn auch ein Besuch bei der Polizei und ein Treffen mit dem Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt. Neben den diversen Kirchenvertretern gab es auch ein Interview mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck im Reichstaggebäude und einen Besuch des Mahnmals der verfolgten Juden in Europa, inklusive Führung und Diskussion mit den Vizedirektoren.
Amerikanische Mega-Kirchen und die deutsche Wirtschaft

Der Luxus von Catering und Simultanübersetzung: Der "Weltsaal" des Auswärtigen Amts in Berlin bot eine Tagungsatmosphäre, die die Hirschfeld-Eddy-Stiftung allein niemals hätte ermöglichen können (Bild: Kevin Clarke)
Erwähnt wurde fast nebenbei in der Diskussionsrunde, dass in weiten Teilen Afrikas gerade die Mega-Kirchen aus den USA das größte Problem sind, nicht die katholische oder anglikanische Kirche. Diese Mega-Kirchen exportieren mit Millionenspenden von US-Gläubigen ihre radikalen und fundamentalen Ansichten in Gesellschaften, die vorher jahrzehntelang tolerant und offen waren. Frank Mugisha aus Uganda berichtete davon, dass LGBT-Gruppen in seinem Land jetzt erstmals einen amerikanischen Pastor verklagt hätten, wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte. Denn das wurde grundsätzlich immer wieder betont: Ein Menschenrecht kann nicht gegen ein anderes ausgespielt werden, das Recht auf Religionsfreiheit kann also nicht über das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gestellt werden, zu dem auch die sexuelle Identität gehört.
Ein Teilnehmer fragte, warum man in Deutschland nicht auch Chefs von großen Firmen getroffen habe, die Einfluss auf Geschäftspartner in Afrika haben, um ihnen berichten zu können, wie Diversity zu höherer Produktivität führen kann. Die Frage blieb unbeantwortet, wurde aber von den Vertretern des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) registriert.
Jane Austen als LGBT-Aktivistin?
Als Fazit betonten die Besucher aus Afrika, dass es in Bezug auf LGBT-Themen enorme Fortschritte auf ihrem Kontinent gegeben habe in den letzten 15 Jahren – und dass sie selbstverständlich den Kampf um Gleichstellung selbst führen müssen. Helfen würde ihnen dabei, wenn internationale Organisationen ihnen mit technischem Know-how beiseite stehen, ihnen zeigen, welche legalen Mittel es gibt, um Dinge durchzusetzen und Druck auf Regierungen und Kirchen auszuüben, zum Beispiel um die Gesetze in Malawi zu ändern, wo auf gleichgeschlechtlichen Sex zwischen Männern nach wie vor 14 Jahre Gefängnis steht. "We look for issues, and we look for trouble", sagte die selbsterklärte radikale Feministin Dawn Cavanagh. Denn nur wenn man Ärger macht und auf seine Belange besteht, kann man etwas verändern. Auch wenn Dr. Katharina Spieß vom BMZ für die Politik der kleinen Schritte warb.
Übrigens: Jane Austen ist keine frühe LGBT-Aktivistin gewesen, wie man angesichts des Konferenztitels "Pride & Prejudice" vielleicht vermuten würde. Helmut Metzner von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung betonte aber, dass der berühmte Austen-Roman genau vor 200 Jahren herauskam und die Autorin darin auch gegen die Gesellschaftskonventionen ihrer Zeit anschrieb, indem die das Recht auf freie Wahl der Liebe betonte. Das hätte, laut Metzner, dazu geführt, dass Austens Romane im prüden viktorianischen England verpönt waren und erst nach dem Zweiten Weltkrieg (und dank Hollywood) ein wirkliches Comeback erlebt hätten.

die Rüstungsindustrie und die Kirchen sind die größten Gefahren für die Menschheit.