Fälschungssichere Wahlscheine:
Als erste deutsche Partei überhaupt lässt die SPD ihre rund 470.000 Parteimitglieder über einen ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen (Bild: SPD)
Anders als die Bundes-Schwusos ruft der bayrische Landesverband die SPD-Mitglieder zur Ablehnung des schwarz-roten Koalitionsvertrags auf.
Die große Enttäuschung über die mageren Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen zur LGBT-Politik eint die Schwusos, doch um die richtigen Konsequenzen gibt es internen Streit. Jetzt hat erstmals ein Landesverband der Schwusos die SPD-Mitglieder aufgefordert, beim Mitgliedervotum mit nein zu stimmen.
So hat der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der BayernSPD am Wochenende mehrheitlich beschlossen, den Entwurf des Koalitionsvertrages abzulehnen und die Mitglieder der BayernSPD zu bitten, dieser Entscheidung ebenfalls zu folgen.
Für die Schwusos Bayern sind "Menschenrechte nicht verhandelbar"
Ulf Schröder, Chef der Schwusos Bayern, widerspricht dem Bundesvorsitzenden Ansgar Dittmar, dessen Stellvertreter er ist (Bild: privat)
"Besonders enttäuscht zeigten wir uns, dass die für uns wichtigen politischen Anliegen wie die Öffnung der Ehe, Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 GG um das Merkmal 'sexuelle Identität', Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten Verurteilen sowie eines kompletten Adoptionsrechts nicht angesprochen werden", kritisierte der Landesvorsitzende Ulf Schröder in einer Pressemitteilung. "Absichtserklärungen und wage Äußerungen überwiegen klaren Formulierungen."
Die SPD sei mit dem Versprechen "100% Gleichstellung nur mit uns" in den Wahlkampf gezogen, so der bayrische Schwusos-Chef. "Wir können daher keiner Koalition zustimmen, die LGBTTI-Rechte als Randnotiz sieht und weiterhin dem Bundesverfassungsgericht die notwendigen Regelungen überlässt. Für die Schwusos Bayern sind Menschenrechte nicht verhandelbar!"
Die Bundes-Schwusos hatten sich zuvor nicht zu diesem Schritt durchringen können. "Wir als Bundesvorstand werden keine Empfehlung abgeben, dem Mitgliederentscheid zuzustimmen oder ihn abzulehnen", erklärte der Bundesvorsitzende Ansgar Dittmar am Mittwoch gegenüber queer.de. Das müsse jedes Mitglied "selbst gewichten – und auch die weiteren Punkte in dem Koalitionsvertrag berücksichtigen" (queer.de berichtete). Damit sprach Dittmar allerdings nicht für den gesamten Vorstand: Ulf Schröder ist nicht nur Vorsitzender der Schwusos Bayern, sondern auch einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden.
Johannes Kahrs wirbt für den Koalitionsvertrag
Der Beauftragte für die Belange von Lesben und Schwulen der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, rief im Interview mit queer.de sogar dazu auf, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen. "Es gibt viele Verbesserungen für viele Menschen in diesem Land, dass man das schwer ablehnen kann, weil es das sonst alles nicht geben würde", sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises (queer.de berichtete). Einen Monat zuvor hatte er noch erklärt, die volle rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben sei für die SPD ein "ganz wesentlicher Punkt in den Koalitionsverhandlungen".
In einem Offenen Brief forderte queer.de-Geschäftsführer Micha Schulze am vergangenen Mittwoch die SPD-Mitglieder auf, den Entwurf des Koalitionsvertrags abzulehnen. Darin hieß es unter anderem: "Die Partei kann nur gewinnen, wenn ihr Menschenrechte und Wahlversprechen wichtiger sind als Machtbeteiligung und Ministerposten!" (queer.de berichtete).
Als erste deutsche Partei überhaupt lässt die SPD ihre rund 470.000 Parteimitglieder über einen ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen. Die Wahlunterlagen sollen ab Montag im Briefkasten sei und müssen so zurückgesendet werden, dass sie bis spätestens zum 12. Dezember um 24 Uhr im Postfach des Parteivorstands liegen. Nur wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder bei dem Votum mitmachen, gilt das Ergebnis. (cw)