Der Rechtspopulist Petras Gražulis ist die treibende Kraft hinter den LGBT-feindlichen Gesetzen - er schafft es immer wieder, bei Homo-Themen die Mehrheit der Parlamentarier hinter sich zu versammeln
Schon jetzt beklagen in keinem anderen EU-Land mehr Homosexuelle Diskriminierung, doch das litauische Parlament will die Rechte von sexuellen Minderheiten weiter einschränken.
LGBT-Aktivisten warnen vor einer dramatischen Verschlechterung der gesetzlichen Situation in Litauen: Erst letzte Woche hat das Parlament mehrheitlich beschlossen, eine Gesetzesnovelle zu prüfen, die die Versammlungs- und Redefreiheit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender einschränken würde. Jetzt befürchten die Aktivisten, dass der Entwurf im nächsten Jahr, wenn das Land die EU-Präsidentschaft abgibt, beschlossen werden könnte.
Der Gesetzentwurf sieht nach Angaben der Homo-Gruppe ILGA Europe vor, dass Organisationen für die "öffentliche Verunglimpfung von verfassungsrechtlichen moralischen Werten und den verfassungsrechtlichen Grundwerten des Familienlebens" sowie für "die Abhaltung von öffentlichen Veranstaltungen wider der öffentlichen Moral" bestraft werden können. In der litauischen Verfassung ist etwa die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert – damit könnte ein CSD mit der Forderung nach der Ehe-Öffnung als Verstoß gegen die Werte der Verfassung angesehen werden.
Diese und weitere ähnliche Gesetzesinitiativen sind vor wenigen Monaten vom rechtspopulistischen Abgeordneten Petras Gražulis eingebracht worden, der sich als erbitterter Homo-Gegner einen Namen gemacht hat. Seine Partei ist an der Regierungskoalition beteiligt. Beim diesjährigen CSD ist er verhaftet worden, weil er einen Teilnehmer geohrfeigt hatte. 2010 hatte er bereits jegliche "Werbung" für Homosexualität verbieten lassen wollen (queer.de berichtete). Nach Druck aus Brüssel wurde die Formulierung geändert und verbietet in einem Gummiparagrafen nun tagsüber, Minderjährige zu sexuellen Beziehungen zu ermutigen oder die Familienwerte zu verunglimpfen. Homo-Gegner wollten damit CSDs verbieten lassen, bislang aber erfolglos.
Trotz seines zweifelhaftes Rufes soll Gražulis ab kommenden Monat sein Land im Europarat vertreten (queer.de berichtete).
Weitere Gesetzentwürfe in der Schublade
Es gibt eine Reihe weiterer homo- oder transphober Gesetzentwürfe, die im litauischen Parlament auf eine Debatte warten. Dazu zählen etwa ein geplantes Verbot von Geschlechtsanpassungen oder ein Adoptionsverbot für Homo-Paare. Gražulis hat auch einen Entwurf eingebracht, der eine Ausnahmeregelung des Volksverhetzungsparagrafen bei "Kritik von Homosexualität" vorsieht.
"Die Situation von LGBT in Litauen ist sehr besorgniserregend", erklärte am Montag Paulo Côrte-Real von ILGA Europe. Das Land habe bereits jetzt auf dem Papier ähnliche Gesetze wie in Russland und bereite eine "Unzahl von Novellen" vor, mit denen Homo-Rechte weiter eingeschränkt werden sollen. "Wir appellieren an Europa, die litauische Menschenrechtsproblematik zu beobachten und zu reagieren. Es ist nicht akzeptabel, dass europäische Institutionen bei systematischen homophoben und transphoben Menschenrechtsverletzungen schweigen."
Nach einer aktuellen Umfrage der EU-Grundrechteagentur klagen bereits jetzt in Litauen mehr Homo-, Bi- und Transsexuelle über Ungleichbehandlung als in jedem anderen EU-Land. Insgesamt geben 61 Prozent der befragten LGBT-Litauer an, in den letzten zwölf Monaten wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden zu sein (PDF). (dk)