Gute Laune bei der SPD-Spitze: Am Nachmittag gab die Partei vor jubelnden Anhängern das Ergebnis der Mitgliederbefragung bekannt
Die SPD-Basis hat dem Koalitionsvertrag mit der Union zugestimmt. Die für LGBT-Fragen wichtigen Ressorts Justiz, Familie und Außen gehen an die Sozialdemokraten.
Der Weg ist frei für Angela Merkels dritte Amtszeit als Bundeskanzlerin. Bei der Urabstimmung der SPD-Mitglieder stimmten 76 Prozent dem ausgehandelten Koalitionsvertrag mit CDU und CSU zu. Dies gab die Vorsitzende der Zählkommission, Barbara Hendricks, am Samstagnachmittag im Beisein von Parteichef Sigmar Gabriel in Berlin bekannt. Als erste deutsche Partei überhaupt ließ die SPD ihre rund 475.000 Parteimitglieder über einen ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen, teilgenommen haben rund 78 Prozent.
Zu den stärksten Kritikern des schwarz-roten Koalitionsvertrags gehörten Lesben und Schwule. Obwohl die Sozialdemokraten im Wahlkampf "100 Prozent Gleichstellung nur mit uns" versprochen hatten, ließ sich die Parteispitze gegenüber der Union nur auf schwammige Formelkompromisse ein (queer.de berichtete). CDU und CSU sperrten sich sowohl beim vollen Adoptionsrecht für Eingetragene Lebenspartner als auch bei der Öffnung der Ehe. Keine Aufnahme in den Koalitionsvertrag fanden auch ein Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Identität im Grundgesetz und eine Rehabilitierung der nach 1945 verurteilten Opfer des Paragrafen 175. Die Schwusos Bayern hatten deshalb die SPD-Mitglieder aufgefordert, mit Nein zu stimmen, die Bundes-Schwusos wollten zumindest keine Empfehlung für den Koalitionsvertrag abgeben (queer.de berichtete).
Immerhin haben sich SPD und Union auch auf einige konkrete LGBT-Vorhaben geeinigt. So soll der "Nationale Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz" um das Thema Homo- und Transphobie erweitert werden. Darüber hinaus will die schwarz-rote Bundesregierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption "zügig" umsetzen, auch die Arbeit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld soll weiter gefördert werden.
Heiko Maas wird Justizminister, Manuela Schwesig Familienministerin
Vom Saarland nach Berlin: Der stellvertretende Ministerpräsident Heiko Maas (SPD) soll neuer Bundesjustizminister werden (Bild: spdsaar / flickr / by-nd 2.0)
Unterdessen sickerten auch bereits die ersten Personalentscheidungen durch, die eigentlich erst am Sonntag bekanntgegeben werden sollten. Die für LGBT-Fragen wichtigen Ressorts Justiz, Familie und Außen fallen demnach an Sozialdemokraten. Die Nachfolge von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) tritt der stellvertretende saarländische Ministerpräsident Heiko Maas an, während die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig Kristina Schröder (CDU) als Familienministerin ablösen soll. Frank-Walter Steinmeier wird – wie bereits von 2005 bis 2009 – Außenminister.
Insbesondere Maas und Schwesig gelten in LGBT-Fragen als engagiert und nahmen persönlich an CSD-Demonstrationen teil. Schwesig war erst letzten Monat in der Arbeitsgruppe Familie der Koalitionsverhandlungen wegen der homophoben Haltung der Union der Kragen geplatzt (queer.de berichtete). Maas hatte sich im Saarland für ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität in der Landesverfassung stark gemacht.
Als neuer Justizminister hat Maas die Chance, einen Formelkompromiss des Koalitionvertrags zu nutzen, um die Union mit Gleichstellungs-Initiativen vor sich her zu treiben. Dort heißt es wörtlich: "Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden kann."
Heiko Maas auch Kuratoriumsvorsitzender der Hirschfeld-Stiftung
Homophober Provokateur im neuen Kabinett: CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt soll Verkehrsminister werden (Bild: blu-news.org / flickr / by-sa 2.0)
Von Amts wegen wird Heiko Maas auch den Vorsitz des Kuratoriums der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld übernehmen. "Dass ein Landsmann von mir neuer Bundesjustizminister werden soll – diese Überraschung ist wirklich gelungen", kommentierte Stiftungsvorstand Jörg Litwinschuh die Entscheidung: "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Herrn Heiko Maas als Vorsitzender des Kuratoriums der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld."
Welche Akzente Steinmeier im Außenministerium setzen wird, bleibt abzuwarten. Mit mehreren Einladungen afrikanischer LGBT-Aktivisten nach Berlin hatte Guido Westerwelle (FDP) zumindest einige neue Wege in der deutschen Außenpolitik bestritten (queer.de berichtete). Im schwarz-roten Koalitionsvertrag heißt es zur internationalen Menschenrechtspolitik: "Wir verurteilen homophobe Tendenzen und fördern tolerante lebendige Zivilgesellschaften".
Alte und neue Minister bei der Union
Auf Unions-Seite wird Wolfgang Schäuble (CDU) weiter das Finanzministerium leiten. Er hatte in der vergangenen Legislaturperiode seinen früheren Widerstand gegen eine Gleichstellung von Lesben und Schwulen teilweise aufgegeben, in seinem jüngsten Anwendungserlass jedoch auf die steuerliche Diskriminierung eingetragener Lebenspartner bestanden (queer.de berichtete).
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe soll künftig als Nachfolger von Daniel Bahr (FDP) das Gesundheitsministerium leiten und damit für die Aids-Politik verantwortlich sein. Der u.a. von taz und queer.de geoutete bisherige Umweltminister Peter Altmaier, der selbst über seine sexuelle Orientierung nicht sprechen möchte, soll als Nachfolger von Roland Pofalla Kanzleramtsminister und damit Merkels rechte Hand werden.
Die CSU wiederum versorgt Alexander Dobrint mit einem Ministerposten in Berlin. Der Generalsekretär, der Lesben und Schwule als "schrille Minderheit" bezeichnete (queer.de berichtete), soll Verkehrsminister werden. (cw)
Update 20.20h: Katherina Reiche bleibt Staatssekretärin
Ins Verkehrsministerium als Staatssekretärin wechselt auch die Brandenburger CDU-Abgeordnete Katherina Reiche, die erst kurz vor der Wahl geäußert hatte, dass die Homo-Ehe zu Hedonismus und "unendlichem Leid" führen würde (queer.de berichtete). Sie war vorher Staatssekretärin im Umweltministerium unter Peter Altmaier.
Auch die CSU-Politikerin Dorothee Bär wird Staatssekretärin im von Alexander Dobrindt geführten Ministerium, das neu auch für das Internet bzw. "digitale Infrastruktur" zuständig sein wird. Im Streit um ein Adoptionsrecht für Homo-Paare hatte sie sich dagegen ausgesprochen, "dass die Ehe weiter ausgehöhlt" werde. Die Familie bestehe für die Union aus "Vater, Mutter, Kind", "Kinder mit zwei schwulen Vätern könnten unter anderen Kindern leiden".
Keine einzige Stimme mehr für die SPD!