In der schwarz-roten Bundesregierung sitzen ausgewiesene Gegner und Befürworter von LGBT-Rechten gemeinsam am Kabinettstisch. Eine Schlüsselrolle dürfte SPD-Justizminister Heiko Maas zukommen.
Von Micha Schulze

Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
Die "heute-show" hat Bundeskanzlerin Angela Merkel erst am letzten Freitag den Rosa Vollpfosten verliehen – für "peinlichstes Rumeiern beim Thema Homo-Ehe". Damit erinnerte die ZDF-Satiresendung daran, dass das einzige "Argument" der CDU-Chefin gegen eine Gleichstellung von Lesben und Schwulen beim Adoptionsrecht die Tatsache ist, dass sie sich persönlich damit "schwer tue". Auch wenn sich Merkel in vielen anderen Politikfeldern als äußerst wendig erwies, dürfte sie auch in ihrem dritten Kabinett gleiche Rechte torpedieren. Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen ist das letzte Thema, mit dem sie beim konservativen Parteiflügel noch punkten kann. Während Merkel noch nie im Leben einen CSD besuchte, kennt sie gegenüber evangelikalen Homo-Heilern keine Berührungsängste.
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Sigmar Gabriel (SPD), Vizekanzler, Wirtschaft und Energie
In seinem Ressort hat der neue Superminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel so gut wie nichts mit LGBT-Rechten zu tun – und das ist auch gut so. Dass die SPD bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gegenüber der Union eingeknickt ist und damit ein zentrales Wahlversprechen aufgegeben hat, ist vor allem "Verdienst" des Parteichefs. Die Gleichstellung von Lesben und Schwulen scheint für den Macho aus Niedersachsen nur Gedöns zu sein, bereits in den Sondierungsgesprächen mit CDU und CSU hat er die Forderungen nach Ehe-Öffnung und Adoptionsrecht geopfert. Hätte Gabriel wirklich gewollt, hätte er in den Koalitionsverhandlungen mehr herausholen können.
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Peter Altmaier, Kanzleramt
Im neuen Kabinett ist kein offen homosexueller Minister mehr vertreten. Der bisherige Umweltminister Peter Altmaier wurde zwar u.a. von "taz" und queer.de geoutet, lehnt es aber selbst ab, über seine sexuelle Orientierung zu sprechen. Mit seinem verschwurbelten Spruch "Der liebe Gott hat es so gefügt, dass ich unverheiratet und allein durchs Leben gehe", gefallen im vergangenen Jahr bei einer Homestory für die Bild am Sonntag, hat er eh die Chance zu einem würdevollen Coming-out verpasst. Als neuer Kanzleramtsminister wird Altmaier nun Merkels engster Mitarbeiter. Mehrfach rühmte er sich auf Twitter, viel für Lesben und Schwule getan zu haben – doch mehr als Kaffeekränzchen mit der LSU gibt seine Bilanz in Wirklichkeit nicht her. Erst im April denunzierte Altmaier LGBT-Aktivisten als "schrille Einzelgruppen", denen die Union nicht hinterherlaufen sollte. Damit hat er sich bei "Mutti" vermutlich für den Job qualifiziert…
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Frank-Walter Steinmeier (SPD), Auswärtiges
Möglicherweise werden sich manche noch nach Guido Westerwelle (FDP) im Amt des Außenministers zurücksehnen, der mit der Einladung afrikanischer LGBT-Aktivisten nach Berlin einige neue Akzente im Außenministerium gesetzt und manchmal deutliche Töne gegenüber Diktatoren gefunden hat. Sein Nachfolger und Vorgänger Frank-Walter Steinmeier, der den Posten bereits von 2005 bis 2009 innehatte, gilt als Kritiker einer "wertegebundenen Außenpolitik". Vor allem gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in Russland hat sich Steinmeier bislang mit offener Kritik auffallend zurückgehalten, er setzt stattdessen auf eine "Modernisierungsparterschaft" mit Putin. Immerhin: Als SPD-Fraktionschef hat Steinmeier stets für die Gleichstellung homosexueller Paare geworben.
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Thomas de Maizière (CDU), Inneres
Mit Thomas de Maizière kehrt ein ausgesprochener Gegner von LGBT-Rechten in das Innenministerium zurück, dem zudem der nötige Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht fehlt. "Ich bedauere dieses Urteil", kommentierte der CDU-Politiker im März etwa die Karlsruher Entscheidung zur Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartner. Bereits in der Frage der Gleichstellung im Steuerrecht hatte er sich im Dezember 2012 bockig gezeigt: "Wenn wir vor dem Bundesverfassungsgericht verlieren, was ich vermute, dann werden wir das ordnungsgemäß umsetzen. Aber erst dann" In seiner ersten Amtszeit als Bundesinnenminister von 2009 bis 2011 ist de Maizière zudem in schlechter Erinnerung geblieben, weil er eine Reform des Transsexuellengesetzes verschleppte.
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Wolfgang Schäuble (CDU), Finanzen
Auf Unions-Seite wird Wolfgang Schäuble (CDU) weiter das Finanzministerium leiten. Er hatte in der vergangenen Legislaturperiode seinen früheren energischen Widerstand gegen eine Gleichstellung homosexueller Paare weitgehend aufgegeben, in seinem jüngsten Anwendungserlass jedoch noch immer auf eine steuerliche Rest-Diskriminierung eingetragener Lebenspartner bestanden. Für sein Umdenken sorgten u.a. die Gleichstellungsurteile des Bundesverfassungsgerichts und die geänderte öffentliche Meinung: "Ich hatte dafür lange kein Verständnis. Es fällt mir auch jetzt nicht leicht, aber wenn die große Mehrheit dafür ist, muss man das akzeptieren. Wir können anderen nicht vorschreiben, wie sie leben sollen".
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Ursula von der Leyen (CDU), Verteidigung
Merkels Kronprinzessin ist auch eine der wenigen Hoffnungsträger in der Union für Lesben und Schwule. Im Juli sprach sich Ursula von der Leyen entgegen der Parteilinie für das volle Adoptionsrecht für Eingetragene Lebenspartner aus: "Ich kenne keine Studie, die sagt, dass es Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen, anders geht als Kindern, die in gemischtgeschlechtlichen Ehen aufwachsen", sagte die damalige Arbeitsministerin dem Deutschlandfunk. Bleibt zu hoffen, dass sie auch im neuen Amt als Verteidigungsministerin mit Vorurteilen aufräumt und Tabuthemen aufgreift. Ihr Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) hatte erst im März ernsthaft behauptet, dass Homosexualität in der Bundeswehr "kein Problem" und ihm keine Diskriminierung bekannt sei.
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Alexander Dobrindt (CSU), Verkehr und Digitales
Im neuen Ministerium für Verkehr und Digitales versammeln sich, mit Verlaub, die größten Kotzbrocken des Kabinetts. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der Lesben und Schwule als "Schrille Minderheit" bezeichnet hatte und daraufhin zu feige war, eine Einladung zum Berliner CSD anzunehmen, bekommt als Minister mit Katherina Reiche und Dorothee Bär gleich zwei erzkonservative Staatssekretärinnen zur Seite gestellt, die in der Gleichstellung von Lesben und Schwulen eine "Aushöhlung der Ehe" und den Untergang des Abendlandes sehen. Dies mag für die Ausländer-Maut keine Rolle spielen, für die Internetpolitik lässt diese Besetzung jedoch nichts Gutes erahnen.
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Hermann Gröhe (CDU), Gesundheit
Nach Horst Seehofer (1992-1998) wird das Gesundheitsministerium nach 15 Jahren wieder mit einem Konservativen besetzt – sehr zum Schrecken der Deutschen Aids-Hilfe. Mit den Vorgängern Andrea Fischer (Grüne), Ulla Schmidt (SPD), Philipp Rösler (FDP) und Daniel Bahr (FDP) konnte die zielgruppenspezifische Prävention für homo- und bisexuelle Männer kontinuierlich weiter entwickelt werden. Welchen Kurs der designierte Gesundheitsminister Herrmann Gröhe einschlagen wird, ist unklar – Gesundheitspolitik war bislang nicht sein Schwerpunktthema. 2010 erklärte er in einem Interview, dass seine Partei gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zwar respektiere, aber nicht als gleichwertig anerkenne: "Wir sind gegen die vollständige Gleichsetzung mit der Ehe." Insbesondere das Wohl der Kinder bereitet Gröhe Kopfschmerzen: "Ein uneingeschränktes Adoptionsrecht ist mit uns nicht zu machen."
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Heiko Maas (SPD), Justiz und Verbraucher
Gerechnet hatten alle mit einer Rückkehr von Brigitte Zypries auf den Posten der Justizministerin, dort nun wird es überraschend der stellvertretende saarländische Ministerpräsident Heiko Maas. Keine schlechte Wahl! Dem Stammgast beim CSD Saarbrücken kommt eine Schlüsselrolle im neuen Kabinett zu: Gesetzentwürfe zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartner, Vorstöße zur Rehabilitierung von Opfern des Paragrafen 175 oder auch eine Aufstockung des Vermögens der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, dessen Kuratoriumsvorsitzender Maas kraft Amtes wird, laufen in seinem Ministerium zusammen. Um hier zu punkten, braucht er allerdings einen sehr langen Atem gegenüber den Blockierern von der Union und mehr Durchsetzungskraft als seine Vorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Im Saarland hat es zumindest geklappt: Dort stimmte der Landtag 2011 einstimmig für die Aufnahme eines Diskriminierungsverbots in die Landesverfassung – eine Forderung, für die sich auch Heiko Maas als Oppositionsführer stark gemacht hatte.
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Manuela Schwesig (SPD), Familie
Schwesig gilt als große Hoffnungsträgerin im neuen Kabinett – sowohl für die SPD als auch für die Gay Community. Dass die neue Familienministerin es ernst meint mit ihrem Einsatz für Lesben und Schwule, hat sie in Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren Besuchen bei LGBT-Gruppen unter Beweis gestellt. Während der Koalitionsverhandlungen war Schwesig wegen der homophoben Haltung der Union der Kragen geplatzt, in der Arbeitsgruppe Familie erklärte sie Schwarz-Rot deshalb für gescheitert. Warum sie am Ende dann doch die Große Koalition befürwortete, muss die mehrfache CSD-Schirmfrau und -teilnehmerin den queeren Wählern noch erklären.
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Gerd Müller (CSU), Entwicklung
Der bisherige Verbraucher-Staatssekretär Gerd Müller gilt aus weitgehend unbeschriebenes Blatt, was die LGBT-Politik betrifft. Er fiel bislang weder positiv noch negativ auf. Auf queer.de haben wir in zehn Jahren nur ein einziges Mal über ihn berichtet – da ging es um die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Volker Beck zum Thema Gesundheitsgefahren von Sextoys. Als Entwicklungshilfeminister könnte Müller in der LGBT-Politik durchaus Akzente setzen. Sein Vorgänger Dirk Niebel setzte etwa vorbildlich die Budgethilfezahlungen für die Länder Malawi und Uganda wegen deren homophober Gesetzgebung aus.
[Foto: CSU]

Andreas Nahles (SPD), Arbeit und Soziales
Die Ehe-Öffnung wird nur mit Rot-Grün gelingen, prophezeite SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles schon im Juli, als wir sie mitten auf dem Kölner CSD interviewten – doch dazu hat es bekanntlich nicht gereicht. Nun muss sie sich als Arbeits- und Sozialministerin mit der Union herumschlagen. In Ihren Aufgabenbereich fällt die Diskriminierung u.a. von Lesben und Schwulen im kirchlichen Arbeitsrecht, das die Große Koalition jedoch nicht antasten will. Bleibt zu hoffen, dass sich die lautstarke Politikerin zumindest allgemein zu gleichen Rechten äußern wird – auch ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen hat sich schließlich für ein Adoptionsrecht für Lesben und Schwule stark gemacht.
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Hans-Peter Friedrich (CSU), Landwirtschaft
Hans-Peter Friedrich ist einer der größten Verlierer des Postenpokers der Großen Koalition – vom Innenminister wurde er zum Landwirtschaftsminister degradiert, zudem ohne den wichtigen Bereich des Verbraucherschutzes. Für die LGBT-Politik ist das kein Verlust: Zwar fiel der CSU-Politiker in der Öffentlichkeit – anders als Parteifreunde – nicht mit extrem homophoben Sprüchen auf, in seiner Ablehnung einer Gleichstellung von Lesben und Schwulen blieb er jedoch immer knallhart. Trotz Drucks der früheren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verschleppte er als Innenminister (wie bereits sein Vorgänger Thomas de Maizière) eine Reform des Transsexuellengesetzes.
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Barbara Hendricks (SPD), Umwelt
Die neue Umweltministerin und bisherige SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks stand bislang in der zweiten Reihe der Politik, gilt jedoch als Unterstützerin von LGBT-Rechten. Im Wahlkampf sprach sie sich engagiert für die Ehe-Öffnung und gegen eine "Zwei-Klassen-Gleichstellung" aus. Als bisheriges Mitglied des Kuratoriums der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld war die Politikerin vom Niederrhein auch mit anderen queeren Themen befasst.
[Foto: SPD]

Johanna Wanka (CDU), Bildung
Johanna Wanka, die erst im Februar 2013 die Nachfolge von Annette Schavan antrat, soll auch im dritten Kabinett Merkel für Bildung und Forschung verantwortlich ein. Die eher zurückhaltend agierende Ostdeutsche gehört zu den wenigen CDU-Spitzenpolitikern, die sich in der Öffentlichkeit noch nie negativ gegenüber Lesben und Schwulen und ihren Rechten geäußert haben. Ihr Ministerium förderte auch den 1. LGBTI*-Wissenschaftskongress, der Ende November in Berlin stattfand. In ihrem Grußwort schrieb Wanka: "Ich wünsche allen Teilnehmenden informative Tage mit anregenden Diskussionen und zahlreiche Denkanstöße zur Frage, wie sich mehr gesellschaftliche Akzeptanz und Chancengerechtigkeit für Menschen erreichen lassen, die vorgefertigten Schemata und Rollenbildern nicht entsprechen."
[Foto: wissenschaftsjahr / flickr / cc by 2.0]
Kleine Anmerkung zu Gerd Müller: der "gute" Mann ist im Zusammenhang mit LGBT-Fragen durchaus schon unangenehm aufgefallen, nämlich in folgendem Streitgespräch mit Michel Friedman & Kai Gehring:
www.n24.de/n24/Mediathek/Sendungen/d/198272/gleichstellung-h
omosexueller-lebenspartnerschaften.html
Nicht nur inhaltlich sind seine Auslassungen idiotisch, auch die Art und Weise, wie er sich äußert, ist unerträglich, da unterschwellig homophob - bis hin zur maliziösen Entschuldigung, den schwulen Kai Gehring kurz angefasst zu haben.