Im Land der ersten rot-grünen Regierungskoalition kuscheln sich nun Vertreter der Christdemokraten und der Ökopartei auf den Regierungssesseln
Ein Aktionsplan gegen Homophobie, Schulaufklärungsprojekte und eine Antidiskriminierungsstelle: Die schwarz-grüne Koalition nimmt überraschend viele Forderungen aus der Community auf.
LGBT-Aktivisten haben den schwarz-grünen Koalitionsvertrag in Hessen begrüßt, den Vertreter von CDU und Grünen am Dienstagmorgen per Handschlag zugestimmt haben. Wie Teilnehmer an den Koalitionsverhandlungen bestätigten, wollen die neuen Partner auch einige LGBT-Themen aufnehmen, die noch im Wahlkampf von den Christdemokraten abgelehnt worden waren. "Ich freue mich sehr, dass unsere Kernforderungen von beiden Koalitionspartnern ernst genommen werden und nun Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben", erklärte Constance Ohms, die Sprecherin des LGBTIQ-Netzwerks QueerNet Hessen.
Der Vertrag beinhaltet unter anderem die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle des Landes. Weiter wird Hessen als zehntes Bundesland der Koalition gegen Diskriminierung beitreten, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ins Leben gerufen worden war. Bislang ist mit Thüringen nur ein CDU-regiertes Land der Absichtserklärung für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft beigetreten (queer.de berichtete). Zuletzt unterzeichnete im Oktober Niedersachsen die Erklärung, nachdem dort die CDU-geführte Regierung von Rot-Grün abgelöst wurde (queer.de berichtete).
Hessen erhält Aktionsplan gegen Homophobie
Ministerpräsident Volker Bouffier gilt als konservativer, der etwa wiederholt die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern und heterosexuellen Eheleuten abgelehnt hat. Im Koalitonsvertrag mit den Grünen gibt sich die Union aber weit liberaler als zu den Zeiten, als sie noch mit der FDP regiert hat (Bild: Wiki Commons / Emha / CC-BY-SA-3.0-DE)
Außerdem hat Hessen angekündigt, nach dem Vorbild der Länder Berlin, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein einen "Aktionsplan gegen Homophobie" ins Leben zu rufen, mit dem ressortübergreifend Homosexuellenfeindlichkeit bekämpft werden soll. Dafür sollen 120.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Zudem will das Land einen Posten für einen Staatssekretär schaffen, der für Antidiskriminierung und Integration zuständig ist. Die im CDU-geführten Sozialministerium angesiedelte Position soll von den Grünen besetzt werden.
Schwarz-Grün hat zudem beschlossen, die Aufklärung über sexuelle Minderheiten an Schulen aus dem Bildungsetat zu fördern. "Mit der Förderung von Schulaufklärungsprojekten wie SchLAu Hessen haben die Koalitionspartner ein weiteres, wichtiges Anliegen von QueerNet Hessen aufgenommen", lobt Constance Ohms. Die künftige Landesregierung habe "die Zeichen der Zeit offenbar erkannt". Jetzt müsse der Koalitionsvertrag auch zügig umgesetzt werden.
Die Beschlüsse kommen überraschend, weil die CDU noch im Vorfeld der Landtagswahlen bei den LSVD-Wahlprüfsteinen viele der LGBT-Projekte abgelehnt hatte (queer.de berichtete). Damals erachteten die Christdemokraten einen Aktionsplan gegen Homophobie etwa als "nicht notwendig". Weitereführende Forderungen der Community, wie etwa die Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" in der hessischen Landesverfassung, finden sich allerdings nicht im Koalitionsvertrag.
"Deutliches Zeichen gegen Diskriminierung"
Insgesamt setze Hessen mit dem Koalitionsvertrag "ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und Homophobie!", so QueerNet Hessen. Die Aktivisten dankten den Verhandlungsführern, dem Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) und Kai Klose (Grüne), und lobten eine "konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit".
Die schwarz-grüne Koalition in Hessen ist historisch: Es handelt sich um die erste gemeinsame Regierung der Christdemokraten mit der Ökopartei in einem deutschen Flächenland. Bisher gab es nur eine schwarz-grüne Koalition im Stadtstaat Hamburg sowie eine "Jamaika"-Regierung von CDU, FDP und Grünen im Saarland.
Der CDU-Politiker Volker Bouffier soll auch bei Schwarz-Grün Ministerpräsident bleiben. Er hatte das Amt 2010 von seinem Parteifreund Roland Koch übernommen. Die Grünen erhalten demnach zwei Ministerien: Wirtschaftsminister wird voraussichtlich Parteichef Tarek Al-Wazir, Priska Hinz soll das Umweltresort übernehmen. (dk)