Regierungssprecher Steffen Seibert lobt "enorme Fortschritte" für Homosexuelle in Deutschland
Das erste Coming-out eines Nationalspielers wird von allen Seiten begrüßt: Vom LSVD über die Bundesregierung bis zu Spielerkollegen wie Arne Friedrich und Lukas Podolski hagelt es Glückwünsche.
Nur wenige Stunden nach dem Coming-out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger gibt es zahlreiche Reaktionen von LGBT-Aktivisten, Sportlern und Funktionären sowie aus der Politik. Bei einer Pressekonferenz in Berlin hat Regierungssprecher Steffen Seibert Hitzlsperger für seine Offenheit gelobt: "Es ist gut, dass er über etwas spricht, das ihm wichtig ist, das ihn womöglich auch befreit." Der Spieler lebe "in einem Land, in dem niemand Angst haben sollte, sich zu seiner Sexualität zu bekennen", so Seibert. Auf diesem Gebiet habe Deutschland im vergangenen Jahrzehnt "enorme Fortschritte" gemacht.
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßte ebenfalls das Coming-out: "Das ist ein großartiger und sehr ermutigender Schritt", erklärte LSVD-Sprecher Axel Hochrein und lobte den Schritt zielgruppengerecht als "Tor des Monats". "Das öffentliche Coming-out Hitzlspergers zu seiner Homosexualität rüttelt an einem der größten Tabus im Profifußball. Es ist ein sehr wichtiger Schritt, um die Diskussion zu beleben und wird für die nächste Generation von Fußballern von großer Bedeutung sein", so Hochrein. Das Coming-out werde den Kampf gegen Homophobie im Sport beleben.
Andere LGBT-Gruppen äußerten sich ähnlich: Der Völklinger Kreis wünschte dem früheren Spieler "viel Kraft": "Wir als schwule Führungskräfte wissen um die Schwierigkeit eines Coming-out in einer Führungsposition", so VK-Chef Bernd Schachtsiek. Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld lobte, dass Hitzlsperger ein Zeichen setze, "auf das viele Menschen gewartet haben", wie Vorstandsmitglied Jörg Litwinschuh erklärte. "Dies wird die Debatte über 'Fußball und Homosexualität' versachlichen helfen", ist er sich sicher.
Konstanze Gerhard vom Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ) freute sich über "eine derart breite Aufmerksamkeit in den Medien", die auch weniger prominente Themen aus dem Bereich finden sollten. Zugleich verwies sie die Kollegen auf den Unterschied zwischen Outing und "Coming-out". "Außerdem ist es wenig gelungen, von einem 'Bekenntnis' zu sprechen, wenn jemand beginnt dazu zu stehen, dass er schwul ist. Denn zu einem Glauben oder einer Straftat kann man sich bekennen, allerdings nicht zu einer ganz selbstverständlichen und unveränderbaren sexuellen Orientierung."
Der Sprecher des schwul-lesbischen Sportvereins Startschuss SLSV Hamburg sagte, dass mit dem Coming-out auch dem letzten klar werden müsse, dass sexuelle Orientierung "nichts mit Leistungsfähigkeit zu tun hat". "Für junge Fußball-Talente, die zufällig schwul sind, ist das ein ganz starkes Signal, dass auch für sie Platz im Profigeschäft ist", so Alexander von Beyme.
Lukas Podolski nennt die Entscheidung "mutig"
Glückwünsche kommen auch von Lukas Podolski
Als erster Fußballprofi hatte der deutsche Nationalspieler Lukas Podolski das Coming-out Hitzlspergers begrüßt. Via Twitter schrieb der Stürmer von Arsenal London auf Englisch: "Eine mutige und richtige Entscheidung. Respekt, Thomas Hitzlsperger. Sein Coming-out ist ein wichtiges Zeichen in unserer Zeit.".
Ex-Nationalspieler Arne Friedrich lobte seinen Kollegen ebenfalls: "Bin stolz auf dich. Gute Entscheidung und aus meiner Sicht richtiger Zeitpunkt". Torwart Timo Hildebrand schrieb auf Twitter: "Mein tiefsten Respekt vor Dir Hitze. Sehr mutig"
Auch der schwedische Fußballer Anton Hysén, der sich 2011 als schwul geoutet hatte, zeigte sich via Twitter beeindruckt: "Ich will nur einen Augenblick Zeit nehmen, um zu Thomas Hitzlsperger zu sagen: Gut gemacht! Ich bin sehr stolz auf dich. Das ist extrem gut für den Fußballsport".
Für den VfB Stuttgart sagte Fredi Bobic: "Zunächst einmal möchte ich betonen, dass dies ein sehr mutiger Schritt von Thomas war, der größten Respekt verdient. Ich habe Thomas kennen gelernt als intelligenten Menschen und sehr guten Fußballer. Er wird sich sehr viele Gedanken darüber gemacht haben, es ist seine Entscheidung und die gilt es zu respektieren." Der Zweitligist FC St. Pauli twitterte: "Mutiger Schritt und wichtiges Zeichen! Hochachtung vor Thomas".
Guido Westerwelle und David Cameron begeistert
Die Nachricht über das Coming-out verbreitete sich in Windeseile (hier die Meldung auf bild.de). Zeit.de war wegen der großen Nachfrage sogar zeitweise nicht erreichbar
Ex-Außenminister Guido Westerwelle (FDP) zollte Hitzlsperger für seinen Mut "größten Respekt": "Der Schritt in die breite Öffentlichkeit liest sich viel leichter, als er tatsächlich ist", so der schwule Politiker gegenüber "Zeit Online". Westerwelle hatte 2004 ein äußerst vorsichtiges Coming-out durchgeführt (queer.de berichtete). Der frühere FDP-Chef wollte aber über Jahre nicht öffentlich über seine sexuelle Orientierung sprechen.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck forderte als Reaktion auf das Hitzlspergers Aussagen vom Deutschen Fußballbund (DFB), fortan öffentlich Coming-outs zu unterstützen: "Es ist jetzt Aufgabe des DFB, aktiven Spielern Mut zu machen!", so Beck in einer ersten Reaktion. Er kritisierte den Profifußball der Männer als eine der "letzten Heterobastionen in diesem Land".
Der queerpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Harald Petzold, sprach von einem "wichtigen Golden Goal des deutschen Fußballs". Hitzlsperger sollte weitere, vor allem aktive Sportlerinnen und Sportler ermutigen, seinem Beispiel zu folgen. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach "sollte das unter seiner Präsidentschaft eingeschlafene Antidiskriminierungsengagement seines Vorgängers Theo Zwanziger endlich mit dem gleichen Engagement wieder aufgreifen."
Reaktionen gibt es auch aus der britischen Politik: Der britische Premierminister David Cameron schrieb auf Facebook, als Fan von Aston Villa habe er den Spieler immer bewundert. "Aber heute bewundere ich ihn sogar noch mehr. Ein mutiger und wichtiger Schritt", so der Konservative. Sein Stellvertreter, Nick Clegg von den Liberalen, zollte auf Twitter dem früheren Premierleague-Spieler "höchsten Respekt": "Seine Tapferkeit wird dabei helfen, Grenzen im Sport für die nächste Generation niederzureißen", schrieb der liberale Politiker.
DFB zollt Anerkennung
Sportfunktionäre lobten die Entscheidung Hitzlspergers einmütig: DFB-Präsident Wolfgang Niersbach erklärte, dass Hitzlsperger vom Verband wie versprochen "jede erdenkliche Unterstützung" erhalten werde. "Thomas Hitzlsperger war zur seiner Zeit als Nationalspieler immer ein Vorbild, vor dem ich den höchsten Respekt hatte – und dieser Respekt ist jetzt noch weiter gewachsen", sagte Niersbach.
Liga-Chef Reinhard Rauball fügte an, dass das Coming-out "im Kampf gegen Homophobie sicherlich wegweisend" sei. Auch Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger hofft auf eine Verbesserung der Lage von Homosexuellen: Die Offenheit habe "hoffentlich eine positive Wirkung auf die Gesellschaft und den Profifußball der Männer", sagte er.
Bundestrainer Joachim Löw, unter dessen Verantwortung Hitzlsperger 36 seiner 52 Länderspiele bestritt, forderte Respekt für das Coming-out: "Thomas hat für sich persönlich entschieden, diesen Schritt zu gehen, und er sollte in einer toleranten Gesellschaft von allen respektiert werden." Für ihn als Trainer seien alleine die sportlichen Leistungen und das soziale Verhalten eines Spielers entscheidend, ergänzte er. Er wünsche sich, "dass sein Bekenntnis bei uns allen zu einem entspannteren Umgang mit dieser Thematik beiträgt."
Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, äußerte ebenfalls seine Anerkennung: "Als Thomas noch aktiver Nationalspieler war, hatten wir von seiner Homosexualität keine Kenntnis. Er hat sich erst nach seinem Karriereende an uns gewandt und uns darüber informiert. Dass er sich nun auch öffentlich bekennt, verdient Anerkennung und Respekt." Während sich Bierhoff in der Vergangenheit zu dem Thema unentspannt geäußert hatte (queer.de berichtete), sagte er nun: "Ich begrüße diesen Schritt, wir werden ihm alle Unterstützung zukommen lassen, damit er seinen mutigen Weg weitergehen kann."
Hitzlsperger will sich am Abend weiter äußern
Das Managment von Thomas Hitzlsperger lehnt derweil Anfragen der Medien ab und verweist darauf, dass der Fußballer um Mitternacht seine neue Homepage thomas-hitzlsperger.de eröffnen will. Dort soll es nach der Freischaltung eine Stellungnahme sowie ein Youtube-Video geben, in denen der Star mehr zu seiner Homosexualität erzählen will. (dk/nb)
Youtube | Bericht beim Sportdienst spox.com
Erzkatholisches Statement eines ehemaligen ZDF-Textaufsagers mit Papstbild im Büro.