CDU-Fraktionschef Peter Hauk wollte sich auch auf Nachfrage nicht von der Petition gegen den Bildungsplan distanzieren
In einer aktuellen Debatte distanzieren sich Union und FDP nicht von der homophoben Petition gegen Schulaufklärung, sondern nutzen ihren Populismus für sich.
Von Norbert Blech
"Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen." Was wie ein CDU-Gesellschaftsprogramm aus den 50ern klingt, ist die aktuelle Landesverfassung in Baden-Württemberg, die der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Hauk zum Beginn seiner Rede zitierte.
Die Partei hatte die aktuelle Debatte im Landtag beantragt, unter dem Titel "Spaltet ein ideologisierter Bildungsplan unser Land?" Damit war die Stoßrichtung klar: Die Pläne von Grün-Rot, in Schulen endlich vernünftig über Homo- und Transsexualität aufzuklären, sollten im Zuge einer homophoben Online-Petition, die sehr viele Unterzeichner erhielt, für populistische Stimmungsmache genutzt werden, egal, wie extrem und menschenfeindlich etwa Kommentare zu der Petition ausfielen.
Hauk sagte folgerichtig, man werde nicht über Petitionen reden, sondern über den Bildungsplan. Er kritisierte, früher seien Bildungspläne im "gesamtgesellschaftlichen Konsens" erstellt worden, nun wolle die Landesregierung einen Plan in eine "einseitigen Richtung" bringen, ohne unter anderem mit den Kirchen darüber gesprochen zu haben, denen ein "entscheidendes Maß an Deutungshoheit" zuzustehen sei.
Der Regierung gehe es nicht um Aufklärung, sondern um Bevormundung, was Schüler zu denken hätten, so Hauk weiter. Dabei würden diese schon heute über das christliche Menschenbild zu Toleranz erzogen, das Thema durch Lehrer ausreichend berücksichtigt. Die Landesregierung schaffe "Einfluss für einzelne Lobbygruppen" und behandle das Thema "sexuelle Vielfalt" überhöht und einseitig. Unter Mobbing hätten etwa auch Migranten oder Behinderte zu leiden. "Respekt unterstützen wir zu 100 Prozent", sagte Hauk zum Abschluss, der dazu aber auch Stirnrunzeln und Schweigen aus der eigenen Fraktion erntete.
Brigitte Lösch kritisierte das Schüren von Ängsten, wo Aufklärung stattfinden sollte
Die Grünenabgeordnete Brigitte Lösch kritisierte, dass die CDU bereits mit dem Titel der Debatte eine "Anleihe" bei der Petition nehme. Es gehe nicht um eine undemokratische Ideologisierung – an der Beschlussfassung zum Bildungsplan seien "Hunderte Arbeitsgruppen" beteiligt. "Sexuelle Vielfalt" sei ein Teilaspekt von fünf Leitsätzen. Es gehe lediglich um Aufklärung und Akzeptanz. Die Petition, die "wissentlich Ängste" schüre, habe "in einer aufgeklärten Gesellschaft nichts verloren". Auf Unions-Bänken wurde dazu geschmunzelt.
Die Petition, nicht die Landesregierung, verzerre den Aspekt des Bildungsplans. Dabei dürfe die Aufklärung über sexuelle Vielfalt auch nicht auf Sexualkunde und das Fach Biologie beschränkt werden, sondern sei fächerübergreifend wichtig. Die Schule sei "in der Verantwortung, das Thema aufzugreifen", vor allem, da Schimpfwörter wie "schwule Sau" noch immer auf Pausenhöfen weit verbreitet seien.
Lösch kritisierte die FDP, deren Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke Lebensformen wie Homo-Paare als "nicht gleichwertig" bezeichnet hatte und damit das Bundesverfassungsgericht ignoriere. Und sie lobte die parteiübergreifende Initiative dreier Stuttgarter Bundestagsabgeordneten für den Bildungsplan. Leider sehe Hauk die Haltung seines schwulen Parteikollegen Stefan Kaufmann als "Einzelmeinung" an.
In einer sehr nüchternen und dadurch wirkungsvollen Rede sagte der SPD-Abgeordnete Dr. Stefan Fulst-Blei, in den Bildungsausschüssen habe es intensive und sachliche Debatten gegeben. Das Thema werde nicht zu einem Leitprinzip erklärt, es handele sich aber um einen wichtigen, bislang vernachlässigten Aspekt. Schließlich gehe es um Toleranz und vor allem um die Menschenwürde, das "Ziel der Nicht-Diskriminierung", wie es Grundgesetz und EU-Charta forderten (wobei "sexuelle Identität" freilich weiterhin kein Merkmal im Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes ist, auch dank der aktuellen Bundesregierung mit SPD-Beteiligung).
Es sei "doch parteiübergreifend klar", dass eine "klare Frontstellung gegen Homophobie" die "Demokraten in diesem Haus" verbindet, sagte Fülst-Blei, wozu nur die Regierungsfraktionen klatschten und ansonsten nicht zum ersten und letzten Mal in dieser Debatte ein unangenehmes Schweigen herrschte, wenn es um einen gemeinsamen Kampf gegen Vorurteile und Diskriminierung ging. CDU-Fraktionschef Hauk ignorierte größtenteils die Debatte, indem er stur auf sein Laptop starrte. So auch, als Fulst-Blei von seiner Erschütterung über die Petition sprach, über die "schlimmen" Kommentare und "üblen", "stigmatisierenden" Forderungen.
Timm Kern (FDP) sagte zu Beginn seiner Rede, es gebe auf Schulhöfen inakzeptable Schimpfwörter, die eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe" wären. Dann kritisierte er allerdings nur die Landesregierung. Die Aufklärung über Homosexualität sei "richtig und wichtig, aber auch selbstverständlich". Grün-Rot übertreibe, wenn es die Aufklärung zu einem Leitprinzip mache und mit dem Bildungsplan Politik machen wolle.
Zudem gebe man keine Definition von "sexueller Vielfalt" und müsse sich nicht wundern, wenn das "zum Aufreger" werde. Grün-Rot sei daher für den "unnötigen Grabenkampf verantwortlich". Der "grüne Dirigismus" und "SPD-Dilettantismus" führe zu einer Spaltung der Gesellschaft, der Bildungsplan gehe weit über das Ziel hinaus.
Kern zitierte dabei ausgiebig aus einer dpa-Meldung, wonach der Sprecher des CSD in Stuttgart, Christoph Michl, zum Streit um den Bildungsplan gesagt habe, dass man Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen müsse. Michl ließ später mitteilen, es sei sehr bedauerlich, dass seine Äußerungen gegen die Aufklärungspläne genutzt würden. Der von Kern zitierte Satz, "Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht", habe sich nur auf das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Neuen Schloss bezogen, nicht auf den Bildungsplan (siehe dazu: Message von Micha).
Kultusminister Andreas Stoch wird die Entwürfe für einen Bildungsplan am Freitag auch in der SWR-Talkshow "Nachtcafé" verteidigen
Bildungsminister Andreas Stoch (SPD) wurde zu Beginn seiner Rede von einer CDU-Abgeordneten gefragt, ob er beim Bildungsplan zurückrudere. "Haben Sie verstanden?", fragte Sabine Kurtz, die kürzlich zusammen mit dem Ersteller der Petition und der evangelikalen Homo-Heilungsbefürworterin Christl Ruth Vonholdt zusammen auf einer dann abgesagten Tagung auftreten wollte.
Stoch konterte in einer ebenfalls sachlich-ruhigen Art, er habe nichts zurückzunehmen. Er kritisierte falsche und tendenziöse Behauptungen in der Petition, die die Wahrheit verzerrten und entstellten. Es sei nicht undemokratisch, sich Begriffen wie "Umerziehung", die der Regierung eine Nähe zu totalitären System unterstellten, entgegen zu stellen.
Auch das Argument, man müsse Ehe und Familie schützen, sei "infam" und "abwertend": Es sei normal, dass es nicht nur Heterosexualität gäbe. Hier sei noch Aufklärung zu leisten, und nicht "Propaganda" und "Werbung", wie unterstellt werde. Bezüglich Russland oder Fußball rege man sich parteiübergreifend über "das Klima der Intoleranz" auf, wolle hier aber ein Thema "parteipolitisch ausschlachten". Er rief zu einem "Klima der Offenheit und des Respekts" auf, ernete dafür Desinteresse der Opposition, und endete die Ausführungen zur Toleranz gegenüber LGBT mit einem Zitat von Papst Franziskus: "Wer bin ich, dass ich darüber urteilen dürfte?"
Bei der CDU stieß er dabei auf taube Ohren. Hauk ging erneut ans Rednerpult und kritisierte erneut das angeblich willkürliche und überhöhte Aufgreifen des Themas im Bildungsplan. Eine Beteiligung der Bürger, wobei Hauk vor allem von den Kirchen sprach, zeige sich nicht daran, diese in der Debatte zu beteiligen, sondern im Ergebnis, das ein Konsens sein müsse.
Auch habe erst die Grünenabgeordnete Lösch "Schärfe in die Debatte gebracht, durch typische Ideologie". Diese fragte dazwischen, ob sich Hauk nicht von Begriffen wie "Umerziehung" aus der Petition distanzieren wolle. Der CDU-Mann konterte, er habe sich nicht zu distanzieren, da die Petition dem Landtag noch nicht übergeben worden sei. "Ich teile manche Formulierung nicht, sie stammen ja nicht von mir." Aber die Regierung habe "die Ursache geschaffen" für die Petition und müsse Sorgen entkräften.
Auch der FDP-Abgeordnete Timm Kern drosch noch einmal auf die Regierung ein, die nicht auf seine Fragen geantwortet habe. Unter dem Punkt "sexuelle Vielfalt" könne man etwa Homo-Paare verstehen, was in Ordnung ginge. "Aber da ist noch viel mehr möglich." Die Regierung spalte die Gesellschaft und sollte "mehr Feingefühl" zeigen.
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