
Gedenken am Homo-Mahnmal in Berlin
Zum 69. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz wurde am Montag der Verfolgten und Getöteten des nationalsozialistischen Terrors gedacht.
In einer Gedenkstunde im Bundestag sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU):
Wir gedenken heute aller Menschen, denen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des von Deutschland ausgegangenen Angriffskrieges ihre Rechte, ihr Besitz, ihre Heimat, ihr Leben, ihre Würde entrissen wurden: der Juden, der Sinti und Roma, der Kranken und Menschen mit Behinderungen, der politisch Verfolgen, der Homosexuellen, der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, der Opfer der Kindertransporte, der Kriegsgefangenen, der zu "Untermenschen" degradierten slawischen Völker.
(…) Nie wieder dürfen Staat und Gesellschaft zulassen, dass Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer politischen Einstellung, ihrer sexuellen Orientierung, wegen ihrer Andersartigkeit zum Feindbild einer schweigenden Mehrheit gemacht, verachtet, gedemütigt oder bedroht werden. Die von Fremdenhass getriebenen Morde an Bürgern türkischer und griechischer Herkunft, von rassistischen Parolen begleitete Proteste gegen Flüchtlingsheime, jede antisemitische Straftat fordert unsere rechtstaatliche, politische und zivilgesellschaftliche Gegenwehr als Demokraten heraus. In Deutschland jedenfalls ist Intoleranz nicht mehr tolerierbar.
Lammert hielt die Einführungsrede für eine Ansprache des 95-jährigen russischen Schriftstellers Daniil Granin, der die Belagerung Leningrads überlebt hatte. Die Ansprache wird in jedem Jahr von einem anderen Gast abgehalten.

In ganz Deutschland gedachten Politiker, Verbände und Interessierte den Opfern der NS-Zeit, darunter in Köln und in Berlin auch an den Mahnmalen für die verfolgten Homosexuellen. In der Hauptstadt sagte Ulrich Keßler vom LSVD Berlin-Brandenburg in seiner Rede:
Die Nationalsozialisten hielten Homosexualität für eine "widernatürliche Veranlagung", für eine den so genannten "Volkskörper" schädigende "Seuche", die "auszurotten" sei. Schon kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden im März 1933 die schwulen und lesbischen Lokale Berlins geschlossen. Die vollständige Infrastruktur der ersten deutschen Homosexuellenbewegung, Lokale, Vereine, Verlage sowie Zeitschriften wurden aufgelöst, verboten, zerschlagen und zerstört.
Im Herbst 1934 setzte die systematische Verfolgung homosexueller Männer ein. Über 100.000 Männer wurden polizeilich erfasst und rund 50.000 nach den Strafrechtsparagrafen 175 und 175a verurteilt. Etwa 10.000 schwule Männer wurden in Konzentrationslager verschleppt. Etwa 5.000 von ihnen überlebten diese Qualen nicht.
Wir wollen an alle diese Menschen und ihr Schicksal erinnern. (…) Es ist unsere Pflicht, die verfolgten und ermordeten Opfer zu ehren. Zugleich müssen wir auch in der Gegenwart wirken und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Lesben, Schwulen und Trans-gender setzen. Die aktuellen politischen Entwicklungen in Russland seien daher als besorgniserregendes Beispiel genannt. Es muss klar sein, dass Menschenrechtsverletzungen nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Dies darf auch im Rahmen der Olympischen Winterspiele nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Wir müssen wachsam bleiben. Und es gibt auch in Deutschland noch viel zu tun, allen voran die Rehabilitierung aller nach § 175 Strafgesetzbuch Verfolgten, auch derjenigen, die nach der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland verurteilt wurden. (…) Der Deutsche Bundesrat hat im Oktober 2012 den Antrag des Landes Berlin auf Rehabilitierung und Unterstützung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten beschlossen. Doch bis heute hat keine Rehabilitierung stattgefunden.
Der letzte Überlebende der im Nationalsozialismus wegen Homosexualität verfolgten Männer war Rudolf Brazda. (…) Im August 2011 starb er im Alter von 98 Jahren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, da die Zeitzeugen nicht mehr von dem erfahrenen Leid berichten können, ist es umso mehr unsere Pflicht, die Erinnerung wach zu halten.

Fotos: LSVD Berlin-Brandenburg
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