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"Das Lied des Sterntauchers"
Die schwule Bibel der Promiskuität
- 02. Februar 2014 4 Min.

Ausschnitt aus dem Cover der englischen Originalausgabe "Song of the Loon": Im Roman wird nicht nur die Flöte geblasen...
Generationen homosexueller Männer haben Richard Amorys Roman "Rote Männer auf grünen Matten" meist nur mit einer Hand gelesen – jetzt ist bei Männerschwarm eine Neuübersetzung erschienen.
Von Frank Hebenstreit
Bibel der Promiskuität – diesen Titel könnte man dem Buch "Das Lied des Sterntauchers" von Richard Amory durchaus auch geben. Der Roman aus dem Jahr 1966, besser bekannt als "Rote Männer auf grünen Matten", wurde jetzt in neuer Übersetzung von Joachim Bartholomae im Männerschwarm Verlag veröffentlicht.
Ebenso wie in der von Aposteln vor 2.000 Jahren aufgeschriebenen Geschichte, schildert auch Amory den Weg eines jungen weißen Mannes durch die Niederungen des Körpers und des Geistes zur Erkenntnis und Erlösung. Allerdings spielt die Handlung in den Zeiten des "Lederstrumpf" und von "Pocahontas", und die Intention ist eine ganz andere…
Von einem der auszog, Männer zu vögeln...

Erstmals in korrekter Übersetzung: "Rote Männer auf grünen Matten" ist der meistverkaufte schwule Erotikroman sowohl in Amerika wie in Deutschland
Der weiße Trapper Ephraim hat von einem alten Indianer in der Stadt von der Gesellschaft der Sterntaucher erfahren. Diese hauptsächlich indianische Gruppe pflegt die körperliche Liebe zwischen Männern als Dienst an der Schönheit des Männlichen. Und so reist Ephraim über den Fluss durch den amerikanischen Westen, um in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden.
Die Regeln sind einfach: Als Sterntaucher sucht man sich für den Winter einen Gefährten. Kommt jedoch der Frühling, so zieht man los, um viele andere Männer aus der Gesellschaft mit seiner Liebe zu beglücken und sie zu ehren. Gen Winter kehrt man zurück oder sucht man sich dann auch einen neuen Gefährten.
Ephraim lernt auf seinem Weg viele Männer kennen. Er trifft auf den muskulösen Indianer Singender Reiher, der ihm dabei hilft, seiner Lust und seinem Sehnen nach männlicher Berührung und Verführung nachzugeben. Diese Tage werden jedoch ein wenig getrübt, weil Montgomery, den Ephraim zu lieben glaubte, nun zusammen mit einem Prediger Jagd auf Ephraim macht. Dem gelingt es aber immer wieder, sich zu verbergen.
Bei seiner Weiterreise trifft er auf den weißen Trapper Cyrus. Dieser haarige Muskelmann hat es Ephraim besonders angetan. So besonders, dass er sich das Ziel nimmt, das unterarmgroße Gemächt dieses Kerles in sich aufnehmen zu können. Und dafür muss ordentlich trainiert werden…
Schlussendlich findet Ephraim in einer Höhle bei dem dort lebenden Schamanen in einem Traum seine Erleuchtung. Er sieht auf die Art der Indianer seinen Weg, vergibt Montgomery und erkennt seinen wahren Gefährten…
Lobgesang auf den stehenden Schwanz

Richard Amory, Jahrgang 1927, hieß mit bürgerlichem Namen Richard Love. Nach dem Erfolg von "Song of the Loon" schrieb er zwei weitere Bände der "Loon-Trilogy", die jedoch nicht übersetzt wurden (Bild: Männerschwarm)
Mit einer Riesenportion Pathos beschreibt Amory viele Details der männlichen Körper vor, bei und nach dem Liebesakt. Dieses Pathos hat bei der früheren Übersetzung von Richard Anders (unter dem Pseudonym Paul Bärschrat) dazu geführt, dass eben keine Übersetzung des Originaltextes erfolgte. Einiges wurde dazugedichtet oder ein wertender Beisatz angefügt, der den ursprünglichen Pathos abmilderte bzw. ins Lächerliche schob. In seinem Nachwort erklärt und veranschaulicht Joachim Batholomae das par excellence.
Richard Amory selbst hat dazu mal in einem Interview gesagt, dass es Zeit werde, dass Bücher wie seines nicht mehr von Heterosexuellen bearbeitet werden, die schwulen Sex entweder lustig oder dreckig fänden.
In der Neuübersetzung von Männerschwarm-Verleger Joachim Batholomae ist nicht nur das Pathos geblieben, sondern es wird ihm auch gehuldigt. Und das ist genau richtig so: Amorys Text braucht diese Huldigung, damit er verstanden und angenommen werden kann.
Und so bekommt man auf diesen 208 broschierten Seiten eine Kunstform, die heute nicht mehr so häufig vorkommt. Mit schönen und angenehmen Worten wird immer wieder das Entdecken und Verwöhnen eines männlichen Körpers durch einen anderen Mann aufs Höchste besungen und gepriesen. Das ist keine platte Erotik und erst recht kein Porno. Das ist tatsächlich der Lobgesang auf den stehenden Schwanz, die feuchten Lippen oder den Knackarsch und das, was die so alles miteinander anfangen können. Dabei wird das "Davor" und auch das "Danach" nicht vernachlässigt, sondern findet genau den Platz und Wert, den es braucht. Die Wirkung, die das Gelesene auf den Körper des Lesers hat, ist durchaus beabsichtigt…
Aus der Sicht vollständig monogam lebender Menschen ist sicherlich zu bekritteln, dass hier die Promiskuität als der Königsweg der wahren Liebe dargestellt wird, aber das kann man allein aufgrund der wunderbaren Sprache vernachlässigen. Hier wird kein Dogma erstellt und auch kein Glaube und keine Religion gegründet oder gefordert. Daher wird auch der Monogame an diesem Buch seine Freude finden.
Aus diesem Grund: unbedingte Kaufempfehlung! Und darüber hinaus bietet dieses Buch zum nächsten Geburtstag, Jahrestag, Einweihung oder zu welchem Anlass auch immer die Chance eines sehr ausgefallenen Geschenkes. Das sollte man aber nicht nur anderen, sondern erst recht auch sich selbst machen.
Richard Amory: Das Lied des Sternentauchers. Rote Männer auf grünen Matten. Roman, Aus dem Amerikanischen von Joachim Bartholomae. Kartoniert. 208 Seiten. Männerschwarm Verlag. Hamburg 2013. 16 €. ISBN: 978-3-86300-150-6
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